Neunkirchen. NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst kündigt in Neunkirchen die Neubewertung aller Planungen für Landesstraßen an.

Es liegt eine spürbare Erleichterung in der Luft. Die Gemeinde Neunkirchen hat zum Sommerempfang für Wirtschaft und Einzelhandel der Kommune eingeladen. „Die erste Veranstaltung dieser Art seit dem März 2020“, betont Sylvia Heinz, Leiterin der Stabsstelle im Rathaus, bei der Begrüßung der Gäste im Otto-Reiffenrath-Haus.

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Dazu gehören IHK-Präsident Felix G. Hensel und Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener, Wilnsdorfs Bürgermeister Hannes Gieseler, Anke Fuchs-Dreisbach als Vertreterin der Abgeordneten in Land und Bund, vor allem aber Verkehrsminister Hendrik Wüst aus Düsseldorf. Der Münsterländer sei ein Wunschkandidat der Wirtschaftsvertreter gewesen, betont Bürgermeister Dr. Bernhard Baumann, der die Wichtigkeit eines kommunalen Verkehrskonzeptes hervorhebt und Neunkirchen gleich als Modellkommune für autonomes Fahren oder Parkleitsysteme anbietet. Die Landesregierung bekomme auf diese Weise eine sehr engagierte Versuchsgemeinde, schmunzelt der Bürgermeister.

Katastrophen: „Wieder Krise lernen“

Das vorgegebene Thema für den Gast ist „Zukunft der Mobilität: Chancen und Herausforderungen für NRW“. Dazu kommt Hendrik Wüst im Laufe seines Vortrags auch, aber zunächst sind ihm andere Dinge wichtig. Er freue sich auf Besuche in kleinen und oft malerischen Kommunen und habe das auch in den vergangenen Wochen öfter getan, sagt er, allerdings mit zunehmend ernstem Ton. Weil der Anlass kein guter gewesen sei, er sich die Folgen der Flutzerstörung ansehen musste. Für die zerstörten Straßen im Land stellt er eine Wiederherstellung bis Jahresende in Aussicht. In Sachen Bahn könne es hingegen dauern, selbst für 2022 will sich Wüst nicht festlegen. Weil durchweichte Bahndämme oftmals komplett erneuert werden müssten. Selbst dann, wenn sie äußerlich intakt wirkten, seien viele Bauwerke beim genaueren Hinsehen innen völlig zerstört.

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Wüst nutzt die Gelegenheit zu einem Dank an die Bauunternehmen, die landesweit sehr kooperativ gewesen seien. Wenn etwa eine Firma an einem Kreisel gearbeitet hätte und die Anfrage kam, „könnt ihr nicht gerade mal ein paar 100 Meter weiter die Straße erneuern“, habe keiner Nein gesagt. Glücklicherweise sei es möglich, solche Arbeiten ohne größere Planungen und Ausschreibungen schnell anzugehen.

Mehr Geschwindigkeit will Wüst überhaupt durchsetzen und fordert einen Katastrophenfond, der es künftig möglich machen soll, noch schneller Hilfe zu leisten. Weil es bislang fast immer 14 Tage dauere, bis eine Leistung möglich werde. Was in Notfällen eben viel zu lang sei. Und es sei dringend nötig, „dass wir wieder Krise lernen“. Generationen von Deutschen hätten inzwischen ohne gelebt, Kinder wüssten nicht mehr, was Sirenensignale bedeuteten. Die Landesregierung sei „belächelt worden, als wir vor ein paar Jahren begonnen haben, wieder Sirenen zu installieren“.

Gut besucht ist der Sommerempfang im Neunkirchener Otto-Reiffenrath-Haus mit Minister Hendrik Wüst..
Gut besucht ist der Sommerempfang im Neunkirchener Otto-Reiffenrath-Haus mit Minister Hendrik Wüst.. © Michael Kunz

Corona: Gegen Impfpflicht

Zweites aktuelles Thema ist für den Minister die anhaltende Corona-Situation. Er lehnt eine Impfpflicht ab und findet es auch nicht gut, jene pauschal zu verdammen, die sich bislang keine Spritze geholt hätten. Mancher sei schlicht noch nicht dazu gekommen, habe kein Angebot erhalten oder gezögert, um allgemein im Betrieb oder als Mitarbeiter eines wichtigen Projektes nicht mal eben für ein paar Tage potenziell auszufallen. Da müsse weiter intensiv geworben werden, sollten niederschwellige Angebote weiter laufen: „Ich bin mir sicher, dass hier bei Ihnen der Impfbus unterwegs ist, wie bei mir zu Hause in Borken.“

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Südumgehung Kreuztal – Fehler wird behoben

Er komme selbst aus einer ländlichen Region, in der es nicht einfach mal möglich sei, das Auto gegen die Straßenbahn einzutauschen, wehrt sich Wüst dagegen, die künftige Verkehrspolitik nur an Maßstäben zu orientieren, die städtisch geprägt seien. Dennoch werde das Land enorm in die Reaktivierung alter Bahnstrecken sowie den Ausbau bestehender Linien investieren. Aber eben auch neue Straßen bauen, „selbst wenn das hier und da für Schnappatmung sorgt“. Der Minister bittet um Verständnis für Behinderungen, die durch die Sanierung unzähliger Brücken entstünden. Und er setzt auch auf die Unterstützung neuer Mobilitätsprojekte, lobt die Ansätze in Neunkirchen. Erstmals solle in den kommenden Jahren bewusst auch verstärkt ein Fahrradwegenetz und dessen Ausbau für den E-Verkehr in Angriff genommen werden. Die Breite der bisherigen Radwege reiche da kaum aus für die neuen Geschwindigkeiten.

In Sachen „Route 57“ stellt Hendrik Wüst eine baldige Behebung der rechtlichen Fehler bei der Planung der Südumgehung Kreuztal in Aussicht – das Oberverwaltungsgericht hatte den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig erklärt. Alle weiteren geplanten Landesstraßenbauprojekte würden für den nächsten Bedarfsplan neu bewertet, kündigte der Minister an.

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