Siegen. Gerichtsverhandlung: Ein 23-Jähriger will Badehosen in einem Siegener Kaufhaus stehlen, weil er „die Stimme eines Freundes im Kopf gehabt“ habe.

Er sei panisch gewesen „und vom Teufel besessen“, sucht der Angeklagte nach einer Erklärung für sein Verhalten am 11. Mai 2019. Da war der junge Betzdorfer in ein Geschäft in der Siegener City Galerie gekommen, hatte eine Sporttasche für 9,90 Euro mitgenommen und bezahlt. Unter seiner Hose trug er allerdings zwei Badeshorts für rund 80 Euro, bei denen er in einer Kabine die Sicherheitsetiketten entfernte und beide Stücke ohne zu bezahlen mitnehmen wollte. Eine Kundin machte einen Mitarbeiter auf den Vorgang aufmerksam, weil der inzwischen 24-Jährige mit Ware in die Kabine ging und ohne wieder herauskam. Mit den Folgen muss sich am Freitag das Siegener Schöffengericht auseinandersetzen. Da werden dem Mann räuberischer Diebstahl und Körperverletzung vorgeworfen.

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Zwei Angestellte hielten an am Ausgang auf, denen er zunächst auch widerstandslos in die hinteren Räume folgte. Dann habe der Angeklagte einen Anruf bekommen, sei stehengeblieben, habe einen der beiden weggestoßen und sei losgerannt. Es kam zu einer Verfolgungsjagd über mehrere Stockwerke, der Täter stieß mehrfach Menschen um und zur Seite, bis zwei Sicherheitsleute ihn stoppen und zu Boden bringen konnten.

Siegen: Angeklagter gesteht vor Gericht versuchten Diebstahl und aggressives Verhalten

Der junge Mann sei derart aggressiv gewesen, dass Handschellen unvermeidlich wurden, sagt einer der Sicherheitsleute, der zuvor in einen kleinen Kampf mit dem Flüchtigen verwickelt wurde. „Ich hatte Glück und habe wohl seine Leber getroffen“, berichtet der Zeuge. Was kurz darauf zu einem Schmerzanfall des Angeklagten geführt habe. „Ich war Boxer“, erläutert der Sicherheitsmann noch und auch, dass er ebenfalls bei den Maltesern war und deshalb auf die Gesundheit des Fixierten achten konnte.

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„Ich gebe alles zu“, beginnt der Angeklagte. Er sei aber ganz sicher nicht zum Stehlen in das Geschäft gegangen, habe sogar 70 Euro in der Tasche gehabt. Beim Anprobieren der Badehose sei ihm dann aufgefallen, wie locker die Sicherheitsetiketten seien. „Dann habe ich die Stimme eines Freundes im Kopf gehabt“, erklärt er, dass er die Sachen ohne Sicherung einstecken und sein Geld für andere Dinge ausgeben könne.

Siegen: Angeklagter wollte nicht zur Polizeiwache – sondern nach Mallorca in den Urlaub

Er habe danach einfach Angst vor der Polizei gehabt, sei aus Syrien andere Behandlungen gewöhnt und befürchtete, er müsse länger auf der Wache bleiben. Wo er doch am nächsten Tag mit seiner Freundin nach Mallorca wollte und dafür auch die Badehose brauchte. Er gibt weiter an, in Siegen Wirtschaftsinformatik zu studieren. Dann müsste er es mit seiner Intelligenz eigentlich besser wissen, findet Schöffenrichter Uwe Stark und hält die Aussage für „Schwachsinn“.

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Knackpunkt der nächsten Minuten wird die Frage, ob es sich um einen räuberischen oder einfachen Diebstahl gehandelt hat. Staatsanwältin Katharina Burchert sieht ersteres bestätigt, allerdings auch einen minderschweren Fall und beantragt sieben Monate mit Bewährung sowie eine Geldauflage. Von mindestens 300 Euro. Anwalt Jörn Menzel sieht Zweifel an der Absicht seines Schützlings, sich um jeden Preis im Besitz der Beute halten zu wollen. Der sei einfach panisch gewesen und habe sogar die bezahlte Tasche weggeworfen. Was mit den Badehosen schwieriger gewesen wäre. Menzel bittet um „eine milde Strafe“.

Siegen: 24-Jähriger zu fünf Monaten mit Bewährung und 400 Euro Geldbuße verurteilt

Die gibt es vom Amtsrichter und seinen Schöffen dann tatsächlich. Fünf Monate mit Bewährung für einen einfachen Diebstahl und Körperverletzung. Die Badehosen wegzuwerfen, hätte bedeutet, stehenzubleiben, sich auszuziehen und viel Zeit zu verlieren. Ein Mitarbeiter des Kaufhauses hat eine Wunde am Fuß erlitten. Der Täter habe Glück, „dass es nicht gelungen ist, die Omas ausfindig zu machen, die sie auf der Flucht umgestoßen haben“, betont Stark. Zumindest wisse er nun, was er von deutschen Sicherheitskräften erwarten könne. Der Richter ist guter Dinge, dass diese Strafe ausreicht und verhängt dazu 400 Euro Geldbuße für den Fonds zugunsten der Flutopfer.

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