Siegen. Siegener Paketbote (25) bestellt Waren an Adressen in seinem Zustellbezirk und behält die Pakete zurück. Vor Gericht gesteht er. Und schämt sich.
Es sei seinem Mandanten „heute peinlich, ja richtig unangenehm“, formuliert Anwalt Carsten Marx vorsichtig und schaut immer wieder nach links. Der Angeklagte nickt zustimmend und zurückhaltend zugleich, lässt den Verteidiger ein komplettes Geständnis in seinem Namen ablegen. 16 gewerbsmäßige Betrugstaten werden dem 25-jährigen Siegener vorgeworfen, für die er nach einer guten Dreiviertelstunde ein Jahr und zwei Monate bekommt. Mit Bewährung.
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Die Kürze der Verhandlung vor dem Schöffengericht macht es nebenher deutlich: Richter Uwe Stark ist nach längerer Rekonvaleszenz wieder im Einsatz.
Siegener bestellt Parfüm, Kabeltrommeln, Staubsauger und Klamotten an andere
Von Februar bis Juli 2019 hat der Student nach der Anklage und letztlich der eigenen Einlassung seine Position als Paketbote bei der Deutschen Post ausgenutzt. Er bestellte Waren bei verschiedenen Anbietern auf die Adresse und Rechnung Dritter, in der Erwartung, dass er selbst diese Sendungen ausliefern und behalten konnte. In den Päckchen waren Parfüm und Kleidung, von Hemden bis Schuhe, aber auch Kabeltrommeln, Staubsauger und andere Dinge.
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Einer der Zeugen berichtet auf dem Flur von Möbeln im Wert von 4000 Euro. Die sind allerdings nicht in die Anklageschrift gelangt. Die Kleidung, ist vom zweiten Zeugen zu hören, sei furchtbar hässlich gewesen, „so was hätte ich nie bestellt“. Die beiden jungen Männer kannten den Angeklagten aus Schulzeiten. Sie müssen allerdings wegen des Geständnisses nicht mehr aussagen. Was vielleicht ganz gut ist für den Täter, der behauptet hat, einfach wahllos unbekannte Adressen aus seinem Bezirk benutzt zu haben.
Die Freundin hat der Student aus Siegen nicht mehr
Der Student hat sich bei einem der Zeugen schon auf Facebook entschuldigt, nutzt – auf Hinweis des Anwaltes – jetzt noch einmal die Gelegenheit: „Es tut mir leid für euch beide!“ Immerhin können beide bestätigen, trotz einiger Mahnungen vom Gerichtsvollzieher verschont geblieben zu sein. Der Täter ist bislang mit dem Gesetz nicht in Berührung gekommen. „Er war fest überzeugt, schon mit beiden Beinen im Gefängnis zu stehen. Das hat ihm vielleicht sogar gut getan“, merkt der Anwalt an und sieht einen Lerneffekt. Der Mandant werde solches garantiert nie wieder tun.
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Die eingangs erwähnte Peinlichkeit liege daran, dass er damals eine Freundin gehabt hätte und dieser imponieren wollte. „Ich habe ihm erklärt, dass dies gar nicht so ungewöhnlich ist“, sagt Marx und auch, dass es diese Freundin längst nicht mehr gebe. Was ebenfalls nicht untypisch für solche Fälle sei. Heute wolle sich der 25-Jährige ganz auf sein Studium konzentrieren.
Die Stelle bei der Post hat der Siegener verloren
Der Staatsanwalt beantragt ein Jahr und vier Monate auf Bewährung, dazu 100 Sozialstunden und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 3557,24 Euro für jene Beute, die nicht sichergestellt werden konnte. Darunter auch Shampoo und Bodylotion.
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Der Verteidiger meint, ein Jahr und ein Monat reichten aus und bittet um eine Reduzierung der Sozialstunden. Immerhin studiere der Mandant und arbeite noch nebenbei. Die Stelle bei der Post hat er verloren. Was aber nicht bei allen Paketdiensten die Regel sei bei solchen Taten, stellen die Beteiligten fest. Das Gericht geht davon aus, dass weitere Vorfälle nicht zu befürchten sind, verhängt schließlich 14 Monate auf Bewährung und 50 Sozialstunden.
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