Netphen. Die CDU meinte, der Fußweg von den Schulen durch die Stadt könne auch die Verkehrserziehung unterstützen. Die SPD fand das „sarkastisch“.
Mit 17 gegen 17 Stimmen hat der Rat den Antrag der CDU-Fraktion abgelehnt, eine Etage in der ehemaligen Tagesklinik für eine Übergangszeit für den offenen Ganztag der Grundschule Netphen zur Verfügung zu stellen. Für den Antrag stimmten CDU, Grüne und Louis Roth (FDP), dagegen SPD, UWG und Bürgermeister Paul Wagener. Olaf Althaus (FDP) enthielt sich der Stimme.
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Mit der Interimslösung könne die Stadt „bereits nächstes Jahr die Raumnot der Grundschule Netphen mildern“, sagte Dr. Sandra Groos (CDU). Den Widerspruch gegen den Antrag bezeichnete sie als „sehr bedauerlich“. Sie regte an, „die Bürger zu fragen, ob sie wirklich in der Innenstadt einen Riesen-Discounter haben wollen“.
Alternativen Abbruch oder Umbau zu Wohnungen
Tatsächlich ist der Abriss des Gebäudes eine der im Raum stehenden Optionen: Je nach Interessenlage der Immobilienbesitzer will die Stadt die Erweiterung des Einkaufszentrums und die Vergrößerung des vorhandenen Discountmarktes ermöglichen. Dazu hat sie bereits das Gebäude der Post erworben, die 2023 mit ihrem Verteilzentrum ausziehen wird, und nun auch die Tagesklinik, nachdem das evangelische Johanneswerk mit seiner Einrichtung in den Telekom-Komplex nach Dreis-Tiefenbach umgezogen ist. Denkbar ist allerdings auch, dass das Grundstück des ehemaligen Martinsheims allenfalls für einen Parkplatz benötigt würde. Als Alternative steht daher auch der Erhalt des Gebäudes im Raum: Nach wie vor interessiert sich ein Investor dafür, das Haus für Wohnungen umzubauen. Die CDU bringt eine Nutzung als Begegnungszentrum für Vereine, kulturelle und soziale Zwecke in die Diskussion.
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Eine Nutzung durch die Grundschule, abseits der Schulstandorte Nieder- und Obernetphen, sei „pädagogisch nicht sinnvoll“, fand Manfred Heinz (SPD). Begründungen, die Kinder könnten auf dem Weg ihre Stadt besser kennen lernen und praktische Verkehrserziehung erleben, „kann ich nur als sarkastisch empfinden“, sagte der SPD-Fraktionschef. Das sei „voll daneben“.
Belebung des Einzelhandels? „Völlig verrückt“
Im Schulausschuss, der vor dem Rat ebenfalls über das Thema diskutiert hatte, bezeichnete Klaus-Peter Wilhelm (UWG) den CDU-Vorschlag als „vollkommenen Schwachsinn“. Der Schulausschuss hatte den Antrag, wie zuvor der Stadtentwicklungsausschuss, mit 9 gegen 8 Stimmen befürwortet. Dr. Sandra Groos (CDU) hatte im Schulausschuss Veränderungen in der Schullandschaft als „überfällig“ bezeichnet und dem Ausschuss vorgeworfen, „in der Vergangenheit viel versäumt“ zu haben. „Sie werden auch noch auf den Boden der Realität kommen“, erwiderte Manfred Heinz (SPD). Durch den Ganztags-Standort in der Tagesklinik eine Belebung des Einzelhandels zu erwarten, indem kaufkräftige Eltern ihre Kinder bringen oder abholen, sei „völlig verrückt“. Dagegen fand Dr. Sandra Groos (CDU), ein Fußweg von bis zu 900 Metern sei den Kindern zumutbar. „Man muss auch mal das Positive sehen.“
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Grundschule Netphen in Platznot
Annette Kramps, Rektorin der Grundschule, hatte schriftlich Stellung genommen: „Sofern sich das Gebäude der Tagesklinik eignet, stellt der Antrag der CDU-Fraktion für uns eine erste Lösungsidee dar.“ Während der Übergangszeit in der Tagesklinik, der allerdings zusätzlichen Personaleinsatz für die Begleitung der Kinder auf dem Weg erfordere, könne die Grundschule am Standort Niedernetphen erweitert werden. „Frau Kramps könnte auch im diplomatischen Dienst tätig werden“, kommentierte Manfred Heinz (SPD) dieses Votum. „Unergiebig“ sei das, fand Bürgermeister Paul Wagener. „Ich bin rumgeeiert“, gab Annette Kramps zu. Der Vorschlag sei kurzfristig auf den Tisch gekommen; sie habe keine Gelegenheit gehabt, die Schulkonferenz einzubeziehen.
Thorsten Vitt, Fachbereichsleiter Schulen und Soziales, wies darauf hin, dass die Grundschule Netphen ihren Raumbedarf auch werde decken können, indem sie Klassenräume ebenfalls für die Betreuung nutzt. Akuteren Bedarf habe „in erster Linie“ die Grundschule Dreis-Tiefenbach: „Sie hat diese starke Stimme im Moment nicht.“
Nach den aktuellen Zahlen wird die Grundschule Netphen im Schuljahr 2022/23 an ihren beiden Standorten insgesamt vier statt sonst drei Eingangsklassen bilden müssen. Gerechnet wird mit einer weiter zunehmenden Nachfrage nach Ganztagsbetreuung, auf die Eltern künftig auch einen Rechtsanspruch geltend machen können. „Wir brauchen dringend Räume“, betonte Rektorin Annette Kramps – im Raum steht dagegen die Überlegung, die Grundschule auf den Kreuzberg übersiedeln zu lassen, nachdem für die Sekundarschule ein Neubau auf der Haardt errichtet ist. Annette Kramps: „Vor zwei Jahren erschien für uns ein Anbau näher als jetzt.“
Mit der Tagesklinik („Vielleicht werden wir die schneller los, als wir denken“) soll das nichts zu tun haben, bekräftigte Klaus-Peter Wilhelm (UWG), der sich nun auch über die Interventionen der Schulleitungen, die dem Schulausschuss als beratende Mitglieder angehören, ärgerte: Das sei „nicht in Ordnung“.
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