Siegen/Greifenstein. Mehr als nur eine Burgruine mit Glockenmuseum: Auch ein Siegerländer hat in Greifenstein Kreatives geschaffen.
Greifenstein bietet Vieles: eine gewaltige Burgruine, das Andenken an einen weltberühmten Theatermann, einen beeindruckenden Skulpturenpark – und den Radweg, der alles verbindet.
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Unzählige Verkehrsteilnehmer, die die A 45 zwischen Gießen und Wetzlar befahren, haben sie schon wahrgenommen, zumal auch eine der braunen Touristik-Informationstafeln darauf hinweist: die Burgruine Greifenstein. Dass nur ein Bruchteil der Fahrer sich die Mühe macht, die Autobahn an der Ausfahrt Herborn-Süd zu verlassen und knapp eine Viertelstunde zu investieren, um auf gut ausgeschilderten Straßen zu diesem imposanten Bauwerk mit den beiden Doppeltürmen zu gelangen, ist schade. Andererseits aber auch gut für die, die sich diese Zeit nehmen. Sie erleben eine Mischung aus Geschichte und Kultur, wie man sie sonst ganz selten in Deutschland findet.
Burg und Glockenmuseum
Im Grunde spricht dieses beeindruckende Monument aus Stein für sich. Der Besucher taucht in die Welt des Mittelalters ein (die Höhenburg Greifenstein wurde 1160 erstmalig urkundlich erwähnt), kann bei einem Rundgang das Gefängnis mit Folterwerkzeugen besichtigen, ebenso Wohnkammern und den Weinkeller.
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Vor allem aber hat er eine unglaubliche Fernsicht, die bei gutem Wetter sogar bis zum Feldberg im Taunus reicht. Auf keinen Fall sollte der Gast das der Burg angegliederte Glockenmuseum versäumen: 100 Glocken werden präsentiert, teilweise kann man sie auch zum Klingen bringen. Viele der präsentierten Glocken wurden in der Firma Rincker aus dem nahegelegenen Sinn gegossen, die 1590 gegründet wurde und eine der ältesten Glockengießereien Deutschlands ist.
Das Erwin-Piscator-Denkmal
Was kaum jemand weiß: Erwin Piscator, der große Theatermann, wurde 1893 im Greifensteiner Ortsteil Ulm geboren. Bekannt wurde er vor allem, als er einst in Berlin das „Politische Theater“ entwickelte. Weil Erwin Piscator Anti-Militarist und zeitweise auch Kommunist war, musste er 1939 vor den Nazis flüchten und fand in den USA eine zwischenzeitliche Heimat. Dort gründete er eine Theaterschule, in der er späteren Berühmtheiten wie Marlon Brando, Harry Belafonte, Terence Hill und Peter Falk das Schauspiel lehrte. 1951 kehrte Erwin Piscator wieder nach Deutschland zurück, inszenierte an verschiedenen Bühnen Berlins, blieb aber Zeit seines restlichen Lebens auch ein kluger Gesellschaftskritiker und Mahner gegen den sich erneut in Deutschland entwickelnden Militarismus.
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Seinem Geburtsort blieb er verbunden, lud unter anderem immer wieder Dorfbewohner Ulms zu seinen Berliner Theater-Inszenierungen ein. Gerne wäre er auch in seinem Heimatort begraben worden. Doch auf seine diesbezügliche briefliche Bitte an den damaligen Bürgermeister erhielt er nie eine Antwort. Erwin Piscator starb 1966 in Starnberg und wurde in Berlin beigesetzt. In einem Ehrengrab der Hauptstadt, deren Theaterleben er maßgeblich beeinflusst hatte. Direkt neben Ernst Reuter, dem bedeutendsten Bürgermeister Berlins.
Siegfried Fietz, der aus dem Siegerland stammende Musiker, Komponist und vielseitiger Kunst-Schaffender, der mit seiner Familie seit Jahrzehnten in Greifenstein wohnt, hatte die Idee, Erwin Piscator mit einer Skulptur zu ehren. Und so steht der Bronzekopf des Theatermannes, geschaffen von der Bildhauerin Gela Dömland, hoch über Ulm, von wo aus Piscator auf sein Heimatdorf zu blicken scheint: In reifem Alter, mit den markanten großen Ohren, einem von Furchen durchzogenen Gesicht, aber hellwachen Augen. Eine Tafel mit einem Text von Jan Vering gibt wichtige Zusatzinformationen.
Skulpturenpark Siegfried Fietz
Siegfried Fietz, der auf so vielen Feldern kreative Künstler, entwickelt in seinem Heimatort Allendorf seit einigen Jahren ein Herzensprojekt. Auf einem vorher ungenutzten, von wildem Gestrüpp überwucherten Gelände von 20.000 Quadratmetern hat Siegfried Fietz Skulpturen geschaffen, die ihresgleichen suchen: mal einen Walfisch aus einer 1000 Jahre alten Eiche, mal Figuren aus tonnenschweren 300 Millionen Jahren alten Granitblöcken, wenige auch aus Metall. Alle diese Materialien stammen aus der Umgebung. Siegfried Fietz kennt keinen Stillstand, hat immer wieder neue Ideen und setzt sie auch um. Etwa eine Treppe, die in den Himmel zu führen scheint. Mittendrin im Park: Eine Bühne mit Sitzgelegenheiten aus Holzstämmen. Wie geschaffen für seine eigenen Konzerte, aber auch Aufführungen anderer Künstler und Chöre. „Ein kleiner Urlaub für die Seele“ hat Siegfried Fietz eine seiner CD’s genannt. Und dieses Motto passt perfekt zu einem Besuch in seinem Park, dessen Tore für jeden Besucher täglich offenstehen.
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Ulmtal-Radweg
Natürlich kann man die beschriebenen Orte mit dem Pkw erreichen. Noch schöner ist es jedoch mit dem Fahrrad. Der Ulmtal-Radweg führt am Piscator-Denkmal ebenso vorbei wie am Skulpturenpark von Siegfried Fietz und auch weiteren Hinguckern. Dieser etwa 20 Kilometer lange geteerte Weg auf einer ehemaligen Bahntrasse ist schon lange kein Geheimtipp mehr und erfreut sich gerade an Wochenenden großer Beliebtheit, zumal der Radfahrer keine großen Steigungen zu überwinden hat.
Anfahrt: A 45 bis Ausfahrt Herborn Süd; ab dort den Schildern nach Greifenstein folgen. Streckenlänge 55 km, Fahrzeit 50 Minuten.
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