Siegen. Gutachter empfiehlt dem Landgericht Siegen Unterbringung des Angeklagten in geschlossener Psychiatrie. Zeugen schildern Veränderung im Verhalten.

Es sieht nach Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie aus: Der Beschuldigte terrorisierte demnach jahrelang Nachbarn, verdächtigte sie zunehmend der Verschwörung gegen ihn, wurde mehrfach gewalttätig. Allerdings macht Gutachter Dr. Bernd Roggenwallner dem Mann vor dem Siegener Landgericht am Mittwoch, 19. Mai, auch Hoffnung: Nach ein paar Jahren könne er in die normale Psychiatrie verlegt werden, vielleicht später in einem Heim leben, „vielleicht auch wieder in einer eigenen Wohnung“ – abhängig vom Behandlungsfortschritt.

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Die ältere Schwester des Mannes, schildert vor Gericht eine starke Veränderung in den vergangenen zehn Jahren: Sie besuchte Eltern und damit den Bruder regelmäßig, sei mit ihm eigentlich immer gut ausgekommen. Über die Jahre habe er sich zurückgezogen, „immer mehr in seiner eigenen Welt gelebt“. 2014 sei er grundlos auf die Eltern losgegangen, habe sie mit den Krückstöcken des Vaters attackiert. Da habe sich die Mutter noch wehren können, die sonst immer Partei ergriff für den Jüngsten, ihren Liebling. Die Mutter habe sie, die Tochter, nie akzeptiert.

Neffe des Angeklagten: „Er war einmal ein anderer Mensch“

Die Frau hatte genug, als sie Geschirr abräumte und der Bruder „aus seinem Zimmer geschossen kam“, ihr erklärt habe, es passe ihm nicht, wenn sie sich in seiner Küche aufhalte. Er behauptete, „ich wolle ihn mit frischem Apfelmus vergiften“. Sie sei eine Fremde, habe er gesagt, sich mehr und mehr verhalten, „als sei er ein Einzelkind, als wären wir nie drei gewesen“. Sie rief die Polizei und traf sich danach nur noch in der Stadt mit der Mutter. Die lebt inzwischen in einem Heim.

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Der Sohn der Zeugin bekam eine Vollmacht, löste die Wohnung der Großmutter auf und bestätigt die Angaben seiner Mutter über den Onkel, der die ganze Wohnung mit Merkzetteln bepflastert habe und der ihm vorwarf, „ihm die Mutter weggenommen zu haben“, er habe sie im dunklen Keller versteckt. Auch er sagt: Der Angeklagte war einmal ein anderer Mensch.

Gutachter: Keine narzisstische Störung, sondern paranoide Schizophrenie

Dr. Roggenwallner diagnostiziert beim Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie. Die Diagnose einer narzisstischen Störung von 2014 versteht er nicht: Der Angeklagte habe längst nicht über Jahre sich selbst im Mittelpunkt aller Dinge gesehen. Der Mann sei bis heute ohne jede Krankheitseinsicht, nehme allerdings seine Medikamente – wohl, weil er weiß, dass er so Vorteile in der Einrichtung hat.

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2020 habe der Mann offenbar dauerhafte psychotische Phasen gehabt, er sei bei allen Taten nicht schuldfähig gewesen – aber auch weiterhin gefährlich, würde er jetzt aus der Psychiatrie entlassen. Nur die Mischung aus Medikamenten und geschützter Umgebung verhindere Rückfall und weitere Taten. Andererseits sei eine Prognose gar nicht so schlecht, weil sein Leiden gut behandelbar sei – was dringend nötig sei. Am 26. Mai soll plädiert werden.