Siegen/Hilchenbach. 20-Jähriger gilt als schuldunfähig. Totschlag, nicht Mord: Er hat einen 74-jährigen Hilchenbacher mit 70 Messerstichen getötet.

Weil er einen 74-jährigen Mann in Vormwald erstochen hat, hat das Landgericht Siegen einen 20-Jährigen wegen Totschlags verurteilt. Der Täter gilt als schuldunfähig, er wird in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.

Das Töten eines Menschen sei dem Beschuldigten wesensfremd, hatte der Sachverständige in seinem Gutachten festgestellt. Dieser Satz hallte nach, als Richterin Sabine Metz-Horst die Entscheidung der 2. Strafkammer verkündete, die Tat als Totschlag und nicht – wie angeklagt – als Mord zu bewerten. Damit endet die Hauptverhandlung mit einem deutlich anderen Tenor, als sie am 16. Februar begonnen hatte. Da entstand das Bild eines Täters, der fast mit einer Mischung aus tödlichem Hass und Spaß am Werk gewesen war, der seinen Freunden erzählt hatte, immer schon einmal einen Menschen töten zu wollen.

Das sei natürlich Bestandteil der langen Beratungen gewesen, bestätigt Sabine Metz-Horst und weist vor allem auf die erste Aussage bei der Polizei hin, die per Video in die Verhandlung eingeführt worden war. Sie gehe mit ihren Kollegen davon aus, dass der Beschuldigte sich wichtig machen und angeben wollte vor der Polizei. Die Angaben, der Verstorbene habe kein Recht gehabt, zu leben, das Angebot des jungen Mannes an die Polizei, sich für die Jagd auf ähnliche Typen als Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, das müsse schon auf einen Laien krank wirken.

Schizophrenie

Der Beschuldigte leide an einer paranoiden Schizophrenie, stellt die Richterin fest. Die Krankheit habe sich im Zusammenspiel mit seiner extremen Drogensucht, einer desolaten Verfassung zur Tatzeit und den Gegebenheiten vor Ort in einem explosiven Affekt entladen, „wie ein Pulverfass“.

Geschehen bleibt im Dunkeln

Objektiv liege unzweifelhaft „eine grausame Tat“ vor, betont die Richterin. Die Kammer habe aber zu wenig Anhaltspunkte zum eigentlichen Geschehen im Haus des 74-Jährigen. Bekannt sei, dass es einen intensiven Kampf gab. Der Täter habe sich anstrengen müssen, sein Opfer zu töten. Es sei jedoch nicht klar, ob er die 70 Verletzungen aus Grausamkeit oder Mordlust beigebracht oder ob er einfach nur lange Zeit erfolglos versucht habe, den Vorgang zu beenden.

Selbst beim Mordmerkmal Habgier, das selbst Verteidigerin Julia Kusztelak nicht hatte wegdiskutieren wollen, ist das Gericht zu einem anderen Ergebnis gekommen. Der Beschuldigte habe wohl die Vorstellung gehabt, sein späteres Opfer sei eine Art Hausmeister für die im Nebenhaus betriebene Drogenplantage. Er sei auch in dessen Haus eingedrungen, um weitere Drogen zu finden. Die Kammer könne aber nicht sagen, ob er von Beginn an entschlossen war, den ihm ansonsten unbekannten Menschen dafür zu töten. Hier sei die Krankheit wirksam gewesen, die Angst vor Stimmen und Dämonen, habe sich schließlich im Affekt manifestiert.

Gefahr für die Allgemeinheit

Der Richterin ist es wichtig, auf das Opfer einzugehen. Es habe sich um einen Witwer gehandelt, der zurückgezogen lebte, keine Verwandten hatte. Der Tote habe in einem „Messie-Haus gelebt, das vielleicht nicht den normalen Anforderungen“ genüge. „Aber er wollte leben, hatte sich in seinen Verhältnissen eingerichtet.“ Die Ermittlungen hätten keine Hinweise auf eine Verwicklung in Drogengeschäfte ergeben, keine pädophilen Neigungen oder auch nur eine Annäherung an Kinder. Dagegen stehe der Beschuldige, der trotz seiner Jugend einen gebrochenen Lebenslauf mit vielen Problemen aufweise. Ohne eine sorgfältige und lange Behandlung bleibe er eine Gefahr für die Allgemeinheit.

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