Siegen. Zwei Jahre in einer Entziehungseinrichtung für stark drogensüchtigen Angeklagten: Ohne Behandlung des Siegeners seien weitere Taten zu befürchten

Zum zweiten Mal hat sich die 1. Große Strafkammer mit dem Überfall auf einen Siegener Senior beschäftigen müssen. Der wurde am 13. Mai 2020 in der eigenen Wohnung um 2085 Euro erleichtert, nachdem eine junge Frau angeblich eine Wohnung bei ihm mieten wollte, das Gespräch nutzte, um in einer Toilettenpause einen Bekannten ins Haus zu lassen und gemeinsam mit ihm den Überfall beging.

Nachdem die Mittäterin bereits im Herbst zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden war, hat die Kammer nun auch über ihren Begleiter S. (40) entschieden. Das Urteil: Fünf Jahre Haft wegen besonders schweren Raubes – was unter anderem mit der Maskierung des Mannes zu tun hat, der Gewalt gegen den alten Mann und dem Mitführen einer geladenen Schreckschusswaffe. Außerdem wird er für voraussichtlich zwei Jahre in einer Entziehungseinrichtung untergebracht. Das kann dazu führen, dass er maximal noch einen Monat zurück in seine Zelle muss.

Staatsanwaltschaft Siegen wertet Vorstrafen negativ für Angeklagten

Am Dienstag, 18. Mai, ist die Anklage auf den besonders schweren Raub begrenzt worden, unter anderen eine mitangeklagte Freiheitsberaubung wird eingestellt. Danach befindet der Staatsanwalt die Tat für eindeutig nachgewiesen – der Angeklagte hat am ersten Verhandlungstag ein Geständnis abgelegt. Aufgrund dessen langer strafrechtlicher Karriere beantragt er sechs Jahre und drei Monate für den Vorfall, der das Opfer in der eigenen Wohnung, damit einer besonders geschützten Privatsphäre getroffen hatte.

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Zugleich bejaht der Ankläger die Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung, der Mann leide an einer Polytoxikomanie (Mehrfachsucht), habe den Überfall unter erheblichem Suchtdruck begangen, ohne Behandlung seien weitere Straftaten zu befürchten. Gerade auf den Aspekt Sucht legt auch der Anwalt großen Wert und nimmt ihn zum Anlass, einen minderschweren Fall anzunehmen. Der Verteidiger kommt damit auf eine Strafe von vier Jahren und sechs Monaten. Sein Mandant sagt nichts mehr, fühlt sich „zu aufgeregt“.

Landgericht Siegen verwirft minderschweren Fall

Die Kammer hat sich einige Gedanken über den minderschweren Fall gemacht, diese Variante aber am Ende verworfen. Dennoch zählt Richterin Elfriede Dreisbach eine Reihe von Faktoren auf, die zur Anwendung der Mindeststrafe von fünf Jahren geführt hätten. S. sei geständig gewesen, wolle an sich arbeiten und sei therapiewillig. Er sei zur Tatzeit auch davon ausgegangen, dass der alte Mann junge Frauen immer mal wieder zu sexuellen Gefälligkeiten dränge, was er von seiner Mittäterin erfahren habe. Das sei zumindest von einer gewissen Bedeutung beim Überfall gewesen.

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Schließlich müsse auch bedacht werden, dass die junge Frau zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden sei, die Strafe für den jetzigen Angeklagten damit nicht zu hoch angesetzt werden könne. Das bei der Tat erbeutete Geld von 2085 Euro wird bei ihm gesamtschuldnerisch eingezogen, eine tatsächliche Umsetzung dürfte da erst einmal schwierig sein.

Die Sache mit der Haft für den Angeklagten

Wichtig für den 40-Jährigen nunmehr Verurteilten sind die tatsächlichen Aussichten für die kommenden Jahre: Das Gericht hat angeordnet, dass er, im Falle der Rechtskraft des Urteils, sechs Monate Haft vorab verbüßen muss, bevor er für zwei Jahre in die Therapie geht. „Er hat es schon einmal geschafft, zweieinhalb Jahre drogenfrei zu bleiben. Das wäre ja auch schon ein Erfolg“, überlegt Richterin Dreisbach.

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Steht der Mann diese Zeit also erfolgreich durch, wären zweieinhalb Jahre Gefängnisstrafe absolviert und er könnte die verbleibende Hälfte der Haft zur Bewährung ausgesetzt bekommen. Und da auch noch fünf Monate Untersuchungshaft angerechnet werden könnten, verbleiben dann noch vier Wochen Resthaft, bis sich die Therapie anschlösse. Gar keine so schlechten Aussichten.