Siegerland/Düsseldorf. In Düsseldorf hat der Prozess gegen fünf mutmaßliche tadschikische Terroristen begonnen. Einer davon wohnte zuletzt in Siegen, einer in Kreuztal.

Fünf mutmaßliche tadschikische Terroristen des „Islamischen Staats“ stehen seit Mittwoch in Düsseldorf vor Gericht. Die Angeklagten wohnten zuletzt in Siegen, Kreuztal, Essen, Neuss und Selfkant und sind zwischen 24 und 33 Jahre alt. Der Terrorprozess findet im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts statt.

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Die Bundesanwaltschaft wirft den mutmaßlichen Islamisten unter anderem vor, einen Mordanschlag auf einen Islamkritiker in Neuss geplant zu haben.

Islamkritiker sollte offenbar ermordet werden

Er könne schon morgen damit beginnen, „Nachbarn zu schlachten“, habe der Angeklagte B. (24) bekundet. Juden und Christen gebe es schließlich überall. Das berichtet die Bundesanwaltschaft im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts. Dort wird seit Mittwoch gegen fünf mutmaßliche tadschikische Terroristen der Extremistengruppe Islamischer Staat verhandelt. Zwei gescheiterte Mordanschläge sollen auf ihr Konto gehen.

40 000 US-Dollar wollten sie laut Anklage für einen Auftragsmord in Albanien kassieren und einen Geschäftsmann in der Hauptstadt Tirana erschießen. Der Mord sei im letzten Moment gescheitert, weil die Männer Zweifel befielen, ob sie den Richtigen im Visier hatten.

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Schließlich sei ein Islamkritiker in Neuss durch seinen Youtube-Kanal „Ex-Muslime klären auf“ in den Fokus der Terroristen geraten. Die Gruppe habe die Anweisung erhalten, an ihm „ein Exempel zu statuieren“ und „den unreinen Bastard zu töten“. Seine Leiche sollte laut Anklage gefilmt oder fotografiert werden, um sie in einem IS-Propagandavideo im Internet zu zeigen.

„Diese Geisteskranken hatten sich sogar schon Waffen besorgt“

In einem Neusser Fitnessstudio hätten die Männer ihre Zielperson ausgemacht und sich eine halbautomatische Waffe mit entfernter Seriennummer und Schalldämpfer besorgt. Als die Waffe übergeben wurde, habe eine Spezialeinheit zugegriffen und den Anschlag vereitelt.

Der Islamkritiker Amir A. („Ex-Muslime klären auf“) hatte im April 2020 auf Youtube berichtet, dass ein weiterer Mordanschlag auf ihn gescheitert sei. „Diese Geisteskranken hatten sich sogar schon Waffen besorgt“, sagte er. „Um Haaresbreite hätten sie es geschafft.“

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Über einen Telegram-Kanal habe die Gruppe zudem Bauanleitungen für Molotow-Cocktails und Fernzünder bekommen und Zünder-Komponenten im Internet gekauft, berichteten die Vertreter der Bundesanwaltschaft.

Den IS hätten die Männer zudem finanziell unterstützt und versucht, andere junge Männer zu rekrutieren und zu radikalisieren. Regelmäßig seien Online-Gruppenschulungen abgehalten worden.

Nach Gleitschirmflügen erkundigt

In Rheine hätten sie an einem Paintball-Training teilgenommen, bei dem auch Islamisten gewesen seien, die wiederum Kontakte zu dem Attentäter hatten, der 2020 den Terroranschlag in Wien mit vier Toten und 23 Verletzten beging. Außerdem soll sich die Gruppe bei Flugschulen nach Drachen- und Gleitschirmflügen erkundigt haben.

Die Angeklagten wohnten alle zuletzt in Nordrhein-Westfalen: in Essen, Kreuztal, Neuss, Selfkant und Siegen. Sie sind zwischen 24 und 33 Jahre alt.

Mehrere Verteidiger kritisierten, dass der Senat des Gerichts bereits einen weiteren mutmaßlichen IS-Terroristen der Gruppe zu sieben Jahren Haft verurteilt hatte. Damit seien die Richter voreingenommen. Ein Anwalt kündigte ein Ablehnungsgesuch an.

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 Ein Angeklagter kommt zu Prozessbeginn gegen fünf mutmaßliche IS-Mitglieder in den Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts.
Ein Angeklagter kommt zu Prozessbeginn gegen fünf mutmaßliche IS-Mitglieder in den Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts. © dpa | Rolf Vennenbernd

Sein Mandant sei Vater von vier Kindern und 2015 auf dem Landweg nach Deutschland gekommen, sagte einer der Verteidiger und kritisierte die Anklage: Paintball sei kein militärisches Training, sondern eine Freizeitbeschäftigung für Tausende in Deutschland.

Eine Verteidigerin sagte, ihr Mandant sei Diplom-Geologe und Mitglied der tadschikischen Oppositionsgruppe 24, die Massenproteste gegen die tadschikische Regierung initiiert habe. Er sei gefoltert worden, depressiv und leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er respektiere die freiheitlich-demokratische Grundordnung und habe Kontakte zur evangelischen Kirche.

Terrorzelle soll sich 2019 gegründet haben

Die Terrorzelle soll sich im Januar 2019 gegründet haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler arbeitete einer der Angeklagten seit 2017 an einem russisch- und tadschikischsprachigen Online-Netzwerk „IS-Provinz Khorasan“ mit, über das weltweit Anhänger radikalisiert und Spenden eingetrieben wurden.

Er habe in engem Kontakt zu zwei hochrangigen IS-Führungskadern in Afghanistan gestanden und soll für den IS eine App für Mobiltelefone programmiert haben. Einer der Kader habe den Attentäter von Stockholm angeleitet, der dort 2017 vier Menschen getötet und 14 verletzt habe.

Das Verfahren leitet Richter Jan van Lessen. Prozesstermine sind bis Jahresende geplant. (dpa)

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