Burbach/Siegen. Prozess um Misshandlungen von Geflüchteten in Burbach geht in die Endphase. Im Juli sollen die letzten Urteile verkündet werden.
Im Hüttensaal der Siegerlandhalle ist der Eindruck spürbar, „auf der Zielgeraden“ zu sein. Wenige Wochen vor einem möglichen Ende des Burbach-Verfahrens - zumindest, was die hier verbliebenen vier Angeklagten betrifft - gibt es aber noch einmal eine irgendwie typische Verzögerung. Erst kommt einer der Anwälte verkehrsbedingt zu spät, dann fehlt ein Angeklagter. Weil er den Termin schlicht vergessen hat. Schließlich braucht auch die Kammer noch etwas länger, bevor mit gut 75 Minuten Verspätung begonnen werden kann.
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Den Fuß in den Nacken gestellt
Es gibt noch Nachfragen zur Einlassung von Wachmann H. vor zwei Wochen. Erst liefert er eine Stellungnahme zu einem vergessenen Anklagepunkt nach, an den er keine Erinnerung hat, vielmehr sicher ist, seinen Dienst an jenem Tag getauscht zu haben. Dann gibt es Unstimmigkeiten zum berüchtigten „Foto-Vorfall“, Widersprüche zu den Angaben eines Mitangeklagten und auch zu einer lange zurückliegenden Aussage bei der Polizei.
Da hatte H. berichtet, einen anderen Wachmann angebrüllt zu haben, als der damit begann, den gefesselten und regungslosen Bewohner mit einem Gummiknüppel zu schlagen. Worauf der Kollege, der noch auf seine separate Hauptverhandlung wartet, die Waffe weggeworfen habe. Vor 14 Tagen sagte H. allerdings aus, dem anderen den Knüppel weggenommen zu haben. Die damalige Version stimme, lässt er durch seinen Anwalt bestätigen, die sei näher an den Vorfällen gemacht worden. Wenn es hingegen Unterschiede zur Darstellung anderer Angeklagter gebe, so müssten diese sich wohl unrichtig erinnert haben. Da bleibe der Mandant bei seiner Aussage.
Oberstaatsanwalt Christian Kuhli möchte wissen, warum H. so sicher ist, dass der Bewohner bewusstlos gewesen sei, als er ihm den Fuß auf den Nacken stellte. Der Geschädigte sei aus Sicht des Angeklagten mit Alkohol und Medikamenten völlig zugedröhnt gewesen, habe sich längere Zeit nicht gerührt, antwortet der Anwalt. H. sei dann aber auch aus dem Zimmer gegangen, im festen Glauben, dass seine Kollegen auf den Mann achteten und einen Krankenwagen gerufen hätten. Damit wird auf eine weitere Frage Kuhlis reagiert, der wissen wollte, ob der Betroffenen medizinische Versorgung erhalten hätte.
Angeklagter Wachmann gibt Ohrfeige zu
Im Anschluss liest Anwalt Daniel Walker nach Plan ebenfalls eine Einlassung vor. Sein Mandant O. ist in 25 Fällen angeklagt, überwiegend Freiheitsberaubungen, allerdings geht es auch um Nötigung und Beihilfe zur Körperverletzung. Der 54-Jährige weist die meisten Anschuldigungen zurück, gibt allerdings mit großem Bedauern eine Ohrfeige zu. Da sei ein Bewohner über den betreffenden Tag mehrfach beim Rauchen erwischt worden. Am Abend sei er wieder auffällig geworden, habe versucht, die brennende Zigarette unter einem Kissen zu verstecken, ihm ins Gesicht gespuckt und versucht, ihn zu schlagen. O. habe den Bewohner wegstoßen wollen, ihm allerdings eine Ohrfeige versetzt. Darüber sei er direkt im Anschluss selbst entsetzt gewesen, habe, hätte es aber nicht mehr rückgängig machen können, liest Daniel Walker für den Angeklagten vor.
Dieser lässt betonen, sonst nie getreten und geschlagen zu haben. Er sei von Anfang an mit den Verhältnissen in Burbach nicht glücklich und oft auch entsetzt gewesen, habe darüber auch immer wieder mit seinen Vorgesetzten gesprochen. Die hätten allerdings stets darauf bestanden, dass die Sozialbetreuer das letzte Wort hätten: „Wer das nicht wollte, konnte gehen oder wurde entlassen!“
Mehrfach sei es zu Auseinandersetzungen gekommen, wenn Wachleute sich gegen die Anweisungen der Sozialbetreuer gestellt hätten, weil sie diese unangemessen gegenüber den Bewohnern fanden. O, beruft sich darauf, auf den Job angewiesen gewesen zu sein. Aus heutiger Sicht halte er das Verhalten in der Einrichtung für falsch und bedauere viele Dinge. Er hoffe, dass die betroffenen Bewohner auch andere Eindrücke von Deutschland hätten gewinnen können. Er sei damals aber davon ausgegangen, sich nicht strafbar zu machen, weil er sich an Anweisungen gehalten habe und die Polizei über alles informiert gewesen sei: „Die haben uns gesagt, sperrt die Leute ein. Ihr habt doch ein Zimmer dafür. Ruft uns nicht immer an.“ Deren Zellen seien voll gewesen.
Urteil soll am 7. Juli verkündet werden
Das Gericht hatte gehofft, bis Ende Mai mit der Verhandlung komplett durch zu sein. Nun soll zumindest am 26. Mai die Beweisaufnahme geschlossen und Mitte Juni plädiert werden. Bis dahin wollen auch die beiden anderen Angeklagten über eine Einlassung nachdenken. Wobei einige weitere Beweisanträge nicht völlig ausgeschlossen sind. Das Urteil ist am Mittwoch dennoch für den 7. Juli angedacht worden.
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