Netphen. An der Grundschule Netphen klappen die Corona-Tests problemlos. Manche Kinder profitieren sogar von der Herausforderung

„So weit wie der Finger beim Popeln reingeht“, erklärt Kirsten Wüst ihrer Klasse den Corona-Test. Das haben sie natürlich noch nie gemacht, versichern die Schülerinnen und Schüler der Konrektorin. Trotzdem schaffen sie den Test, der seit vergangener Woche Pflicht ist. Wer in die Schule kommt, muss zweimal in der Woche die kitzelige Prozedur durchstehen. In Netphen haben die Kinder bislang drei Tests hinter sich gebracht – und sind schon echte Profis.

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Dr. Kasperle schießt das Coronavirus auf den Mond

„Die Kinder machen es großartig“, schwärmt Schulleiterin Annette Kramps. Das Testen in Netphen lief von Anfang an reibungslos ab, weil das Team um Annette Kramps alles bestens vorbereitete. Anfangs seien die Kinder nervös gewesen, erinnert sich die Rektorin. Mit einem Stück der Augsburger Puppenkiste wurden sie an die Tests herangeführt. Weil viele Marionetten noch nicht kannten und die Kinder außerdem kein bayrisch verstehen, mussten sie sich so sehr konzentrieren, dass die Angst vor dem Test danach weg war. Als Dr. Kasperle das Coronavirus auf den Mond schoss, war die Stimmung endgültig ausgelassen.

Ein paar Kinder hatten schon Hemmungen. „Die muss man auch ernst nehmen, es geht schließlich um sie und um ihren Körper“, sagt Annette Kramps. Unter den Kindern gebe es Draufgänger und Zauderer, Vertrauensselige und Skeptiker. Manche sehen das Stäbchen, und schon fließen Tränen. „Dafür sind wir ja Pädagogen“, sagt Kramps. Sie muss dann einen Weg finden, die Kinder abzuholen. Humor ist ein Ansatz. „Wenn ich ‘Popel’ und ‘Rotze’ sage, finden die Kinder das herrlich.“

Noch kein Coronafall bei Grundschulkindern in Netphen

Geschafft hat den Test bisher jeder, und das gibt ein gutes Gefühl. „Man muss aus allen Kleinigkeiten ein Erfolgserlebnis machen“, erklärt die Lehrerin. Manche, in schulischen Belangen nicht so leistungsstarke Kinder, konnten über sich hinaus wachsen und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern helfen. „Das tat denen so gut“, freut sich Kramps. Aufregend wird es dann noch einmal bei der Kontrolle. Die führen jedoch erst einmal die Erwachsenen durch. Die Tests werden auf mit Namen versehenen Zetteln platziert, den „Parkplätzen“.

Glückliche Lieferung

Zum zunächst angegeben Liefertermin kamen die Tests nicht rechtzeitig an, stattdessen wurde am Samstag geliefert. Kristen Wüst war zufällig in der Grundschule – und konnte die Tests für alle Schulen in Netphen annehmen.

„Das Ergebnis sehen nur wir“, erklärt Kirsten Wüst. Die Lehrerinnen legen Wert darauf, dass ein infiziertes Kind davon nicht aus dem Mund seiner Mitschülerinnen und Mitschüler erfährt. Etwaige Schuldgefühle und psychischer Druck sollen in jedem Fall vermieden werden. „Das schwierigste an der Situation ist nicht das Stäbchen in der Nase“, sagt Annette Kramps. Bisher gab es unter den Kindern noch keinen Coronafall. Mittlerweile kenne aber jeder jemanden, der Corona hatte. „Die Sorge geht rum“, sagt Kramps.

Schulleiterin in Netphen versteht verunsicherte Eltern

„Viele Eltern sind verunsichert“, sagt Annette Kramps – und hat dafür Verständnis. Sie setzt auf Aufklärung, auf der Homepage informiert sie ausführlich über die Funktionsweise der Tests. Die Eltern der Schülerinnen und Schüler im Präsenzunterricht – im Moment sind das ausschließlich diejenigen, die die Notbetreuung in Anspruch nehmen – wurden telefonisch unterrichtet. Dabei gab es keinen Widerspruch, vielleicht auch aus pragmatischen Gründen. Wer den Test verweigert, darf nicht kommen. Und die Eltern, die ihre Kinder in die Notbetreuung schicken, haben keine Wahl, vermutet Kirsten Wüst.

Andere Eltern haben Bedenken geäußert, jedoch nur wenige. Auch mit ihnen sucht Kramps das Gespräch. Manchen ginge es jedoch ums Prinzip, „da habe ich keine Handhabe“. Den Lehrerinnen tut es leid um jedes Kind, das deshalb nicht kommen darf. „Wir alle müssen uns die Frage stellen: ‘Warum machen Schulen auf?’, sagt Annette Kramps. Ihre Antwort ist klar: „Damit es den Kindern besser geht.“

Kinder in Netphen möchten in die Schule gehen

„Ich wäre lieber wieder oft in der Schule“, sagt der 10-jährige Reik Kaufmann, nachdem er den Test demonstriert hat. Er besucht die vierte Klasse, ob er vor Schuljahresende noch einmal alle Mitschüler sieht, ist fraglich. Seine Schwester Elea besucht die erste Klasse, sie kennt Schule nur unter Corona-Bedingungen. „Diese Erstis hatten kein schönes Schuljahr“, bedauern Annette Kramps und Kristen Wüst. Sie hoffen, dass das nächste Schuljahr wieder halbwegs normal ablaufen kann – zur Not eben mit Tests. Die Kinder sind dazu bereit.

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