Siegen. Im vergangenen Jahr gestand ein 20-Jähriger den Mord an einem Senior in Hilchenbach. Jetzt liegt ein Gutachten über dessen Schuldfähigkeit vor.

Mehr als zweieinhalb Stunden dauert es, das psychiatrische Gutachten über den Zustand des 20-jährigen M., der zugegeben und sich geradezu gebrüstet hat, im vergangenen Jahr in Hilchenbach einen Senior erstochen zu haben.

Dr. Brian Blackwell spricht danach von einem seiner längsten Gutachten überhaupt, in dem er die Unterbringung des jungen Mannes in einer geschlossenen Einrichtung als dringend notwendig erachtet. Nach wie vor müssten ähnliche Taten befürchtet werden, wenn der Beschuldigte nicht behandelt werde. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass eine ambulante Anbindung bei ihm nicht funktioniere, erneuter Drogenkonsum und Straftaten praktisch unausweichlich seien.

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Für den Sachverständigen leidet M. seit Jahren an einer paranoiden Schizophrenie, zeige auch jetzt in der vorläufigen Unterbringung kaum Besserung, sei deprimiert, äußere immer wieder Suizidgedanken. Nach seinen beiden Gesprächen mit dem Probanden, in denen er diesen sehr unterschiedlich erlebt habe, geht der Gutachter davon aus, dass M. am Tatabend zunächst im Nachbarhaus die Plantage aufsuchte gemeinsam mit seinem Freund, bei dem er damals eine Zeit lebte. Und dann aus Neugier, auf der Suche nach Drogen, ins Heim des späteren Opfers eindrang.

Wahrscheinlich keine Steuerungsfähigkeit des Täters aus Hilchenbach

Als er den alten Mann vorfand und weckte, sei es zum Kampf gekommen, dabei zu einer eruptiven Reaktion beim Täter, die eine enorme Wut umfasste, in der dessen Steuerungsfähigkeit höchstwahrscheinlich komplett ausgeschaltet war. Und damit auch die Schuldfähigkeit. „Ich bin ein Psychopath. Es hat mir Spaß gemacht“, habe M. beim ersten Treffen behauptet und sofort darauf verwiesen, dass er nicht schuldfähig sei.

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Trotzdem geht Dr. Blackwell nicht davon aus, dass M. aus purer Mordlust gehandelt hat. „Das Töten eines Menschen ist ihm völlig wesensfremd“, formuliert er stattdessen und schiebt die Tat vollkommen auf die Erkrankung, die sich etwa auch in der erstaunlichen Unbekümmertheit geäußert habe, in der M. am nächsten Tag „im Tunnel“ mit dem Überweisungsträger in die Sparkasse spaziert sei, mit lauter Musik und blutverschmiert, das alles gar nicht wahrgenommen habe.

Der eigentliche Charakter des jungen Mannes sei zurückhaltend, in sich gekehrt, mit einem schwach ausgeprägten Ich. Um dies auszugleichen, habe er Drogen genommen, sich bei anderen angebiedert. Dazu komme die gefährliche Schizophrenie, die sich schon früh entwickelt haben müsse und durch den exzessiven Drogenkonsum noch verstärkt worden sei.

Hilchenbacher behauptet, von Dämonen zur Tat gezwungen worden zu sein

Wenn M. nach der Tat behauptet habe, von Dämonen gezwungen worden sei, den alten Mann zu töten, dass insgesamt zwei Engel und drei Dämonen in ihm wohnten und einer die Tat begangen habe - er selbst sei nur Zuschauer gewesen -, wertet der Hagener Arzt dies als Möglichkeit, die eigene Schuld zu verdrängen.

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Interessant sei, dass M. immer wieder einen anderen der Dämonen als Täter genannt habe. Das Opfer sei letztlich durch Zufall ausgewählt worden. M. habe im Vorfeld bereits angekündigt, jeden zu töten, der ihm gerade „krumm komme“. Er sei als Kind von einem guten Freund, damals elf Jahre alt, mehrfach sexuell missbraucht worden und habe auch gegen diesen gedroht: Wäre er ihm 2018 über den Weg gelaufen, hätte er ihn getötet, berichtet der Sachverständige.

Täter aus Hilchenbach kann sich nicht von Tat distanzieren

Inzwischen bejuble M. sein Tun nicht mehr, wie kurz nach der Tat, könne sich aber auch nicht davon distanzieren. Dr. Blackwell bedauert, dass frühere Therapeuten immer nur die Drogensucht im Vordergrund gesehen und die psychische Erkrankung als sekundär betrachtet – Behandlungen sogar abgebrochen hätten. Als „unglücklich“ wertet er das Gutachten eines Kollegen kurz vor dem tragischen Vorfall, das gerade vor diesem Hintergrund eine Fremd- und Selbstgefährdung des jungen Mannes ausgeschlossen und eine von der Betreuerin angestrebte Unterbringung damit verhindert habe. Wäre die Tat ansonsten doch vielleicht verhindert worden.

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Die jetzige Situation des M. sieht Dr. Blackwell als sehr negativ, kann eine Genesung nicht garantieren. Es sei aber dringend notwendig, mit dem 20-Jährigen zu arbeiten, dem er einen niedrigen IQ bescheinigt, der aktuell mehr oder minder lethargisch in der Klinik vor sich hin vegetiere, und dem jeder Impuls von außen vorgegeben werden müsse. Vor allem sei wichtig, die genauen Hintergründe der Krankheit zu diagnostizieren. Am 27. April soll plädiert werden.

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