Siegen. Prof. Ursula Blanchebarbe leitet seit mehr als 30 Jahren das Siegerlandmuseum. Im Juli hört sie auf. Bis dahin hat sie aber noch viel zu tun.

Noch hat sie keinen Abschieds-Blues, wenn sie durch die Räume des Siegerlandmuseums geht. „Vielleicht kommt das so sechs Wochen vorher. Im Moment habe ich noch zu viel zu tun“, sagt Prof. Ursula Blanchebarbe. Sechs Wochen vorher, das wäre Anfang Juni – Mitte Juli geht sie nämlich in den Ruhestand, nach mehr als 30 Jahren als Leiterin des Siegerlandmuseums im Oberen Schloss.

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Offiziell hat sie am 30. September ihren „Letzten“, wegen ausstehenden Urlaubs verschiebt der sich aber nach vorne. Sie hätte auch noch länger machen können, 22 Monate, um genau zu sein, bis 1. August 2023. Aber „ich denke, dass es der richtige Zeitpunkt ist“, sagt sie über ihr vorgezogenes Ausscheiden. Wegen Digitalisierung und Erweiterung um die Bunker in der Burgstraße „wird sich viel im Museum ändern. Ich stehe auf dem Standpunkt: Ich möchte meiner Nachfolge nicht ein Konzept hinterlassen.“

Wer auch immer ihren Posten übernehmen wird, solle selbst die Möglichkeit haben, diese wichtigen Weichen zu stellen – schließlich wird dies langfristig großen Einfluss auf seine oder ihre Arbeit haben. Dass sie den Weg in dieses neue Kapitel nicht mitgeht, bedauert sie nicht. „Wenn ich jünger wäre – ja“, sagt die Kunsthistorikerin.

Wegen Corona: Aus „Rubens trifft Rembrandt“ wird in Siegen nichts

Natürlich hatte sich Ursula Blanchebarbe, seit 1998 Chefin des Siegerlandmuseums, ihre letzten Monate in dieser Funktion anders vorgestellt; so wie sich wohl jeder Mensch die nähere Zukunft anders vorgestellt hatte, bevor die Pandemie kam. Der Schlusspunkt, den sie geplant hatte, war die Ausstellung „Rubens trifft Rembrandt“, die Werke beider Künstler zusammenbringt, sie gegenüber- und zueinander in Beziehung stellt.

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Diesem Ansatz folgte sie in der Vergangenheit bereits, etwa bei „Rubens trifft Picasso“ im Jahr 2004 oder „Rubens trifft Goya“ 2010. „Es ist spannend, andere Künstler mit Rubens zu kombinieren und zu sehen: Wie gehen die mit Motiven und Themen um?“, sagt Ursula Blanchebarbe. Von Rubens mit seiner katholischen Prägung und Rembrandt als Protestant hatte sie sich viel versprochen. Die Zusagen für die Leihgaben waren bereits eingeholt, im Sommer hätte alles klappen können – wenn die Pandemie nicht wäre. „Das hat mir sehr leid getan. Aber ich kann’s ja nicht ändern.“

Prof. Ursula Blanchebarbe freut sich auf die nächste Ausstellung im Siegerlandmuseum

Ob das Projekt zu einem späteren Zeitpunkt von ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin nachgeholt wird, kann sie nicht sagen. Wenn, dann wäre es sowieso anders als das, was Ursula Blanchebarbe präsentiert hätte. Die Zusammenstellung einer Ausstellung – und sie hat viele gemacht – „ist eine ganz individuelle Sache“. Eine Kuratorin hängt eben nicht einfach beliebig Bilder an die Wand; jedes Werk erhält seinen sorgsam ausgewählten Platz im genau gestalteten Umfeld, so dass sich zwischen den einzelnen Exponaten Verbindungen, Unterschiede, Harmonien oder Widersprüche ergeben. Von daher ist jede Ausstellung nicht nur Präsentation, sondern selbst ein eigenständiges Werk.

Seit 1991 in Siegen

Prof. Ursula Blanchebarbe ist Kunsthistorikerin und kam 1991 als stellvertretende Leiterin des Siegerlandmuseums nach Siegen. Seit 1998 ist sie die Chefin. Gebürtig stammt sie aus Rehlingen-Siersburg im Saarland.

Sie ist Honorarprofessorin an der Fachhochschule Bielefeld und gibt dort Blockseminare. Im Augenblick sei das aber schwierig, weil sie wegen der Pandemie Workshops nur online via Zoom anbiete. Ihr fehle dabei der direkte Austausch mit den Studierenden: „Das ist nix. Das geht nur live.“

Auf die Schau, die nun statt „Rubens trifft Rembrandt“ kommt, freut sie sich dennoch sehr: eine belgische Privatsammlung mit vielen kleinen Zeichnungen oft unbekannter Künstler aus dem 17. bis 20. Jahrhundert, zusammengetragen von einem Pathologen, der nicht die Prominenz der Urheber, sondern seine Begeisterung für jede einzelne Arbeit zum Maßstab seiner Kaufentscheidung machte. Ihm sei es um „den Zauber der Linie“ gegangen, sagt die Museumschefin. „Ich finde es immer spannend, wenn nicht nur die großen Namen gezeigt werden. Da gibt es ganz viel zu entdecken.“

In den letzten Wochen als Chefin des Siegerlandmuseums noch volles Programm

Wann diese Ausstellung allerdings der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann, ist wegen der Corona-Lage ungewiss. Die Plakate sind ohne Datum gedruckt, „wir eröffnen irgendwann“, sagt Ursula Blanchebarbe. Jammern bringt nichts, Pragmatismus ist gefragt. Und zu tun hat sie so oder so genug. „Es gibt noch eine Menge Verwaltungsarbeit zu machen, etwa die Inventarisierung von grafischen Blättern.“ Außerdem braucht die Wirtschaftsgeschichte neue Fenster, das Museum eine neue Belüftungsanlage. Bis dererlei umgesetzt ist, wird es noch dauern, in ihrer Amtszeit wird es wohl nichts mehr. Aber selbstverständlich muss die Chefin sich trotzdem drum kümmern. Und auch an den Video-Konferenzen für Projekte wie die Erweiterung in den Bunkern ist sie eingebunden, „ich bin da ja nicht außen vor“ – auch, wenn sie mit Rücksicht auf ihre Nachfolge nichts in Stein meißeln möchte.

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Was auch noch aussteht: Ihr Büro aufräumen. „In 30 Jahren sammelt sich viel an.“ Vielleicht kommt der Blues dann.