Siegen-Wittgenstein. Landrat Andreas Müller ist sauer aufs Land: In 24 Stunden soll ein Konzept vorliegen, wie Siegen-Wittgenstein Corona-Modellregion werden kann.
Der Landrat ist sauer. Vergangene Woche hatte Andreas Müller an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet geschrieben und um mehr Impfstoff gebeten; außerdem wolle Siegen-Wittgenstein Modellregion für kontrollierte Öffnungsschritte werden – gegebenenfalls auch ohne Bestätigung vom Land (wir berichteten). Eine Antwort kam bislang nicht – dafür aber nun die Aufforderung, innerhalb von 24 Stunden eine umfangreiche, detaillierte Bewerbung zur Modellkommune einzureichen. Das sei nicht leistbar. Andreas Müller vermutet dass die Frage der Modellkommunen schon längst hinter den Kulissen eingestielt sein könne.
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Per Mail aus Düsseldorf wurde das Kreishaus am Dienstag, 30. März, darüber informiert, dass NRW-Kommunen sich bewerben können, um das öffentliche Leben trotz höherer 7-Tages-Inzidenz wieder zu öffnen. Innerhalb besagter 24 Stunden solle ein umfangreicher Vorgabenkatalog abgearbeitet werden, etwa zur Verankerung des Projektes in der Kommune, Benennung von Projektpartnern, lokale Finanzierung, örtliche wissenschaftliche Begleitung, Vorläuferprojekte als digitale Modellregion, regionale digitale Höhepunkte, vorhandene digitale Lösungen zum Testen, Impfen und Nachverfolgen, konkrete, abgrenzbare Einzelprojekte, Konzepte zur Übertragbarkeit auf andere Kommune, Definition von Abbruchkriterien und vieles mehr. „Die Kommunen, die nach Durchsicht des Kriterienkatalogs feststellen, dass sie möglicherweise nicht alle Aspekte in ihrer bisherigen Interessensbekundung berücksichtigt haben, können im Laufe des Mittwochs (31. März, Red.) noch ‚nachschärfen‘“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung des Landes.
Bund und Land arbeiten noch an Digital-Lösungen – Siegen-Wittgenstein soll fertig sein
Müller hatte vergangene Woche Interesse bekundet und angeboten, kurzfristig ein Konzept zu erarbeiten, ohne aber genauere Forderungen zu kennen. Auf den Brief habe er „bis heute keine Antwort erhalten“, bedauert er. Umso überraschter sei er über diese Ansage des Wirtschaftsministeriums. Kreis und Stadt Siegen hätten bereits mit der Erarbeitung von Ideen und Konzepten begonnen, Siegen habe dazu eigens einen Arbeitskreis gegründet. Auch beim Kreis wurden schon mögliche Eckpunkte diskutiert. Die Ergebnisse sollten nach Ostern zu einem gemeinsamen Konzept zusammengeführt werden.
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Viele der Vorgaben seien sinnvoll und machbar – „aber nicht innerhalb von 24 Stunden. So lange wartet man unter Umständen schon auf einen einzigen Rückruf von einem notwendigen Partner, der gerade mal nicht zu erreichen ist“, stellt der Landrat fest. Anderes sei aber auch schlicht nicht nachvollziehbar: EU, Bund und Land arbeiten noch an digitalen Lösungen zum Testen, Impfen und Nachverfolgen und als Kommune solle man fertige Lösungen bereits einsetzen? „Das kann das Ministerium nicht wirklich ernst meinen“, so Müller.
Vorwurf aus Siegen-Wittgenstein: Unseriöses Vorgehen vom Land NRW
Verwunderung herrscht auch, dass im Kriterienkatalog der aktive Einsatz der SORMAS-Software im Gesundheitsamt erwähnt ist. Wie viele Kreise verwendet Siegen-Wittgenstein eine andere Software, die aktuell besser für die tägliche Arbeit geeignet sei. Sobald entsprechende Schnittstellen vorlägen, habe man die Daten per SORMAS übermitteln wollen. „Die waren schon mehrfach angekündigt, gibt es aber bis heute nicht“, stellt der Landrat fest. „Jetzt den Einsatz von SORMAS als ein mögliches Kriterium für die Auswahl als Modellkommune anzuführen, hat einen ziemlich faden Beigeschmack“, findet der Landrat. Offiziell angeordnet habe das Land SORMAS bislang nicht.
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Das Vorgehen des Ministeriums sei unseriös, insbesondere die Zeitschiene. „Das wirft dann doch wieder die Frage auf: Hat sich das Land seine ‚Modellkommunen‘ vielleicht schon längst ausgesucht? Hatten manche Kommunen vielleicht einen Wissensvorsprung, um eine erfolgreiche Bewerbung abgeben zu können? Unter normalen Umständen ist eigentlich niemand in der Lage, die geforderte fundierte Bewerbung innerhalb von 24 Stunden auszuarbeiten“, so Müllers Überzeugung.
Stadt und Kreis Siegen-Wittgenstein wollen auch ohne Modellregion-Status lockern
Die aktuellen Bedingungen in Siegen-Wittgenstein machen Lockerungs- und Öffnungsschritte zunächst unwahrscheinlich, damit auch die Auswahl als Modellkommune. Landrat Andreas Müller und Bürgermeister Steffen Mues wollen weiter am Ball bleiben – insbesondere vor dem Hintergrund der Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass jede Kommune den Beispielen Tübingens und Rostocks folgen könne. Auch dazu sei eine Antwort des Landes bislang ausgeblieben.
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Zudem seien ausgewählte Modellkommunen nach Überzeugung der Verwaltungschefs nicht das Ende der Fahnenstange in Sachen Reaktivierung des öffentlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens unter Corona-Bedingungen: Man werde „unsere Vorstellungen erarbeiten und damit bei der Landesregierung vorstellig werden – unabhängig von der Auswahl der Modellkommunen“, betonen Landrat und Bürgermeister. Sie kündigen Einzelanträge zu Ausschnitten gesellschaftlichen Lebens an, etwa für den Badebetrieb.
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