Geisweid. Null Schritte vor, einer zurück: Siegen-Geisweider Tanzschule fühlt sich von Corona-Politik vergessen – und schickt einen Hilferuf nach Berlin.

Reaktionen aus Berlin: „Bis jetzt null.“ Carsten Giesler klingt frustriert. Schon seit November darf er nicht mal mehr einem einzelnen Paar den Hochzeitstanz beibringen. Nur noch so gerade eben schafft es das Tanzzentrum Agne-Prescher aus Geisweid, sich über Wasser zu halten.

Geisweider Tanzschule beteiligt sich an bundesweiter Aktion

Damit ist das Team nicht alleine: Wegen coronabedingter Schließungen fürchten viele Menschen in der Branche, ihre Jobs bald an den Nagel hängen zu müssen. Mit einer bundesweiten Aktion machten Tanzverbände und Lehrende jetzt darauf aufmerksam – und verschickten symbolisch jeweils einen Tanzschuh und einen Nagel an das Kanzleramt. Die Tanzschule Agne-Prescher machte gleich drei Pakete fertig.

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Bis vor kurzem hätte Carsten Giesler theoretisch noch mit vier weiteren Personen unter freiem Himmel tanzen dürfen – in der Praxis nicht umsetzbar: um die Tanzschule herum bot sich dafür keine Fläche. Die Option, an der frischen Luft zu unterrichten, ist seit vergangener Woche aber auch ohnehin Vergangenheit – sie wurde mit den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen vom Tisch gefegt.

Corona-Beschränkungen für Tanzschule in Siegen-Geisweid

Von dieser neuen, zusätzlichen Einschränkung wurde das Studio Agne-Prescher vom Ordnungsamt informiert: „Ein weiterer Schritt zurück – nur für uns hatte es in der Hinsicht ja eh schon keinen Schritt nach vorne gegeben“, kommentiert Carsten Giesler.

Zum Glück zeigten viele ihre Solidarität gegenüber der geschlossenen Tanzschule – und zahlten ihre Kursgebühr einfach weiter. Die staatlichen Hilfen allein reichten vorne und hinten nicht. „Die Kunden erkundigen sich oft nach unserer Situation. Ohne deren Unterstützung wären wir schon längst aufgeschmissen.“

Tanzzentrum Agne-Prescher aus Siegen-Geisweid fühlt sich im Stich gelassen

Die Frage sei, wie lange das noch so weitergehen könne: „Es ist ein Trauerspiel. Wenn nicht bald etwas passiert, dann sitzen tausende von uns demnächst auf der Straße.“ Carsten Giesler wünscht sich, „dass es bald da wieder weiter geht, wo wir letzten Sommer waren“, als trotz Corona Unterricht erlaubt war. „Da hatten wir ein Areal abgeklebt, damit die Abstände sicher eingehalten werden konnten. Überall hatten wir Desinfektionsmittelspender und zur Toilette durfte man nur mit Maske.“

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Im November war angesichts steigender Infektionszahlen die Entscheidung gefallen, Tanzstudios – genau wie Fitnessstudios – zu schließen: „Da gab es dann auch keine weiteren Überlegungen“ – sie blieben einfach zu. Carsten Giesler fühlt sich im Stich gelassen: „Man sitzt zuhause, guckt die vier Wände an und hat null Perspektive.“ Wenig hoffnungsvoll blickt er auf kommende Entscheidungen – „so langsam, wie das mit dem Impfen voran geht“.

Geisweider Tanzlehrer: zunehmend komisches Gefühl bei Corona-Beschlüssen

Ein zunehmend „komisches Gefühl“ habe er bei den politischen Beschlüssen – ein Gefühl der Ungleichbehandlung, wenn er sich beispielsweise anschaue, „wie viele Menschen gleichzeitig im Supermarkt einkaufen dürfen“. Für die erneut hohen Corona-Zahlen sei seine Branche wohl am wenigsten verantwortlich. Schon vor den Schließungen habe die Einhaltung von Hygienekonzepten in Tanzeinrichtungen gut funktioniert: „Ich weiß von keiner einzigen Tanzschule, die irgendwelche Corona-Ausbrüche hatte.“

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Es gebe es zudem „unheimlich viel, was gesundheitlich im Tanzen drinsteckt: die sozialen Kontakte, das Bewegen zu Musik, die sportliche Betätigung“ – all das sei gut fürs Immunsystem. Auch die Älteren vermissten das Seniorentanzen. Durchs Tanzen lasse sich das Demenzrisiko um bis zu 76 Prozent senken, zitiert Carsten Giesler ein Experimentergebnis von Arzt und Fernsehmoderator Eckhard von Hirschhausen.

Hoffnung Tanzschule bald wieder hygienekonform öffnen zu dürfen

Mittlerweile sollten die Pakete mit Nagel und jeweils einem gebrauchten Tanzschuh aus Geisweid in der Willy-Brandt-Straße 1 zugestellt worden sein – von Carsten Giesler, seinem Kollegen Dominik Nadolsky und von Tanzschulinhaber Rainer Prescher. Warum nur einer? „Den zweiten Schuh behalten wir bei uns, denn wir hoffen inständig, dass wir unsere Tanzschuhe nicht an den Nagel hängen müssen“, heißt es im beiliegenden Schreiben an das Bundeskanzleramt.

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