Siegen/Hilchenbach. Obwohl Infektionszahlen in Siegen-Wittgenstein steigen, startet der Präsenzunterricht im Wechselmodel. Manche freuen sich – andere sind in Sorge.

Für Jost Hoffmann läutete am Montag wieder die Schulglocke. Die Hälfte seiner zehnten Klasse am Gymnasium Stift Keppel lernt wieder in der Schule – die andere Hälfte von zuhause. Bisher gab es seit dem 22. Februar Präsenzunterricht nur für Grundschulen und Abschlussklassen. Mit diesem Wechselsystem heißt es jetzt „endlich“ wieder Schule für alle fünften bis zehnten Klassen in NRW. Endlich?

Bezirksschülervertretung Siegen-Wittgenstein begrüßt weitere Öffnungen

So positiv bewertet jedenfalls die Bezirksschülervertretung Siegen-Wittgenstein (BSV), der Jost Hoffmann angehört, die weiteren Schulöffnungen. Er ist froh, dass es mit dem durchgängigen Homeschooling jetzt vorbei ist: „Da war eine starke Erschöpfung auf Schülerseite. Wenn man teilweise von 8 bis 15 Uhr nur Videokonferenzen hat, kommt einigen der Alltag schonmal vor wie ein Marathon. Das ist schon sehr ermüdend“. Zuhause sind Geschwister und Eltern im Homeoffice: für manche sei das psychisch sehr belastend gewesen.

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Von Leandra Stampoulis und Hendrik Schulz

Natürlich gebe es Ausnahmen. An seiner Schule habe das Distanzlernen beispielsweise hervorragend funktioniert. Jost Hoffmann findet: „Am Gymnasium Stift Keppel läuft die Digitalisierung sehr gut“. Der Online-Unterricht über die Plattform „Microsoft Teams“ habe reibungslos geklappt. Auch die Kommunikation zwischen Schülervertretung und Schulleitung habe gut funktioniert.

Digitalisierung an den meisten Schulen in Siegen-Wittgenstein mangelhaft

Hoffmann betont aber: Das sei ein absoluter Einzelfall. Stift Keppel sei kaum repräsentativ für Siegen-Wittgenstein. „An den meisten Schulen ist die Digitalisierung sehr mangelhaft: Schlechtes W-LAN, keine iPads“. Jost Hoffmann bringt es auf den Punkt: „Die Corona-Krise hat uns die Schwachstellen in den Schulen gezeigt“.

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Die weiteren Schulöffnungen sollen deshalb keine einfache Rückkehr zum Vorher sein. Dazu müsse sich an vielen Schulen vor allem die Kommunikation zwischen Schülervertretern und Schulleitungen verbessern. „Es geht ja gar nicht um „Schüler an die Macht’ oder so – es geht es geht einfach um mehr Mitbestimmung“ – etwa bei der Ausgestaltung des Wechselmodells.

Mehr Mitspracherecht für Schülerinnen und Schüler in Siegen-Wittgenstein

Es steckten nun mal alle gemeinsam in der gleichen Situation: Lehrkräfte wie Schülerinnen und Schüler. „Dafür gibt es doch Schulkonferenzen, dass Schüler mehr Gehör finden“. Nach Jost Hoffmanns Meinung sollte das viel mehr an Schüler kommuniziert werden: „Was sind eure Rechte, wie könnt ihr euch organisieren?

Dass die Schulen das Wechselmodell selbstständig gestalten dürfen hält die BSV für sinnvoll – die Räume und Gegebenheiten sind eben unterschiedlich. Auch, dass bald mehr in den Schulen getestet werde, sorge für Beruhigung. Dass hingegen Sportunterricht stattfinden dürfe, findet die Schülervertretung unvernünftig. Auch ausreichend medizinische Masken für Schülerinnen und Schüler fordert der BSV. Und: Mehr Busse müssten her. „Wechselunterricht bringt nichts, wenn die Linien komplett vollgequetscht sind.“

Tatsächlich gingen in der Schülerschaft die Meinungen zu den Öffnungen auch mal auseinander. „Manche machen sich Gedanken, dass man leichtsinnig wird, wenn Schule sich wieder mehr normal anfühlt – und haben Angst vor der Mutation und Angehörige anzustecken“.

Sorge angesichts ausbleibender Corona-Schutzmaßnahmen in Schulen

Sorgen macht sich auch C. Sommer aus Siegen. Eines ihrer Kinder besucht eine Grundschule, das andere eine weiterführende – beide freuen sich, ihre Freunde wiederzusehen. Trotzdem findet die Mutter: „Klar, Kinder brauchen Schule – aber sie brauchen auch Schutz.“ Die Mutation sei weitaus ansteckender, auch für jüngere Menschen. Trotzdem gäbe es keine CO2-Ampeln, keine Aerosolwände, keine Lüftungsanlagen – nur in fensterlosen Klassen. „Die Kinder sind ausgeliefert und die einzigen Maßnahmen sind offene Fenster und Masken.“

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C. Sommer fragt sich: „Was ist in den drei Monaten, in denen es keinen Präsenzunterricht gab, passiert?“ Von der Regierung komme seit einem Jahr nicht viel – selbst Masken müssten Eltern selbst für ihre Kinder organisieren. Mit ihren Sorgen angesichts weiterer Schulöffnungen bei steigenden Infektionszahlen ist sie nicht allein.

Eltern wünschen selbst über Unterrichtsform entscheiden zu dürfen

Einen offenen Brief haben 250 Familien aus NRW an Schulministerin Yvonne Gebauer geschrieben – unterzeichnet hat auch C. Sommer: „Was wir uns wünschen würden ist, dass wir Eltern selber entscheiden dürfen, ob wir unser Kind zur Schule schicken oder im Distanzunterricht lassen“, fasst sie die zentrale Forderung des Briefs zusammen. Nur Leistungsüberprüfungen sollten weiter in Präsenz erbracht werden. „Erwachsene arbeiten ja auch im Homeoffice, aber Schüler sollen ab jetzt wieder mit 15 anderen in einem Raum ohne Maske frühstücken?“

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Hinsichtlich der Tests hat sie keine große Hoffnung: „Oft werden die nicht richtig durchgeführt und sind unsicher“. Und eines komme ihrer Meinung nach in der Debatte zu kurz: „Es wird immer viel von psychischen Schäden bei Jugendlichen gesprochen, die durch ihr eingeschränktes Sozialleben entstünden.“ Psychischer Stress entstehe aber auch aus anderen Gründen: „da steckt viel mehr dahinter: zum Beispiel die ständige Angst, selbst zu erkranken und Eltern oder Großeltern anzustecken“.

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