Kreuztal/Siegen. Der Kreis will gute Verbindungen für das Pendeln mit dem Fahrrad schaffen. Vorrangrouten für den schnellen Weg zu Arbeit und Schule.

Die Zahlen sprechen – noch – dagegen: Für einen Radschnellweg von Kreuztal nach Betzdorf gibt es nicht genug Nutzer: 1630 Radfahrerinnen und Radfahrer rechnet die „Potenzialanalyse“ für den am dichtesten genutzten Abschnitt in Siegen-Mitte hoch. Mindestens 2000 würden gebraucht, damit das Land die Piste baut und bezahlt.Hier gibt es mehr Artikel und Bilder aus dem Siegerland

Wie kommt das Ergebnis zustande?

Annahme des beauftragten Büros Planersocietät aus Dortmund ist, das jeder Einwohner am Tag 1,5 Wege zurücklegt: zu je gut einem Viertel zu Einkauf, Arbeit und Bildungseinrichtungen, etwas weniger zu Orten der Freizeitgestaltung, und dass vier Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Betrachtet werden die Pendlerverflechtungen, Zahl und Lage der möglichen Ziele. Angenommen wird außerdem, dass auf dem kreuzungsfreien, ebenen Radschnellweg und auch durch Nutzung von E-Bikes eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit (22 statt sonst 15 km/h) möglich wird und damit die Reichweite innerhalb des für den jeweiligen Zweck angesetzten Zeitbudgets zunimmt.

Was ist bei der Untersuchung herausgekommen?

590 Nutzer am Beginn im nördlichen Kreuztaler Stadtgebiet, 930 an der Stadtgrenze nach Siegen, bis zu 1630 in Siegen, im südlichen Siegener Stadtgebiet noch 660, hinter der Landesgrenze weniger als 500, in Betzdorf nur noch 180.

Radweg für Grund

Auf der Bergseite der K 31 zwischen Grund und Zollposten wird ein Radweg angelegt. Dafür hat sich der Ausschuss für Mobilität und Verkehrsinfrastruktur einstimmig ausgesprochen. Die etwa 1,1 Kilometer lange Trasse kostet 820.000 Euro. Der Kreis rechnet mit einem Bundeszuschuss von 90 Prozent.

Dass das seit mehreren Jahren geforderte Vorhaben nun verwirklicht werden kann, liege an den derzeit „sehr guten Fördermöglichkeiten“, sagte Vorsitzende Annette Scholl (SPD).

Weil die Bebauung auf der Talseite liegt, regte Martin Achatzi (CDU) eine Querungshilfe über die K 31 am Ortsausgang von Grund an.

Was bedeutet das?

Für einenRadschnellweg, den Bund und Land bis zu 100 Prozent finanzieren und den das Land wie eine Landesstraße unterhält, muss ein Potenzial von mindestens 2000 Nutzern täglich nachgewiesen werden. Radschnellwege sind asphaltiert, beleuchtet, haben Vorfahrt und möglichst keine Kreuzungen und werden im Winter schnee- und eisfrei gehalten. Die Fahrbahn des Radschnellwegs ist vier Meter breit, wenn er für beide Fahrtrichtungen genutzt wird, oder jeweils drei Meter für je eine Richtung. Hinzu kommen Sicherheitstrennstreifen zu etwaigen Fahrbahnen oder Parkstreifen und 2,50 Meter Gehweg. „Die Bedingungen sind sehr strikt“, erklärte Planerin Caroline Huth jetzt im Ausschuss für Wirtschaft, Mobilität und Verkehrsinfrastruktur, „da steckt ziemlich viel Fläche hinter.“

Welche Alternativen gibt es?

Die Radvorrangroute, die das Land mit 80 oder 90 Prozent der Kosten fördert, auch wenn weniger als 2000 Nutzer unterwegs sind, und die auch vom Landesbetrieb Straßen NRW betreut wird, wenn sie an Bundes- oder Landesstraßen entlangführt. „Etwas schmaler“ als der Schnellweg, sagt Caroline Huth, dennoch „sehr hochwertig“. Mit zwei solcher Vorrangrouten plant die Stadt Kreuztal in ihrem eigenen Radverkehrskonzept: die eine von Nord nach Süd, also auf der Achse Burgholdinghausen-Buschhütten, die andere von West nach Ost, also Osthelden bis Kredenbach.

Was passiert nun?

Auf jeden Fall will der Kreis eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, entweder für den Schnellweg oder die Vorrangroute. Vorher soll die Planersozietät noch ausrechnen, ob das Potenzial auf dem Abschnitt Kreuztal-Siegen über die 2000er Grenze steigt, wenn nicht vier, sondern zehn Prozent aller Fahrten mit dem Rad zurückgelegt werden. Skeptisch äußerte sich Roland Steffe (AfD): Das Fahrradfahren sei hierzulande nun einmal auch „witterungssensibel“. Caroline Huth verwies auf Asphaltdecke, Beleuchtung und Winterdienst: „Wir gehen davon aus, dass der Weg auch im Winter genutzt wird.“ Martin Achatzi (CDU) sprach von einer „Mördergelegenheit, das Projekt nach vorn zu bringen. Lasst uns Gas geben!“ Im übrigen: „Das Angebot schafft die Nachfrage.“ Auch Ottmar Haardt (SPD) riet, „alle Möglichkeiten der Beschleunigung zu nutzen.“ Peter Hanke (FDP) setzte auf die Vorteile der „klaren baulichen Trennung“ von Autostraße und Radweg. Die bisherigen Schutzstreifen seien „nur Krücken“, sagte Hanke, „im Siegener Süden hat man damit nicht wirklich Spaß.“

Und was ist mit dem übrigen Radverkehrskonzept?

Das zweite Vierteljahr 2021 ist die Zielmarke, kündigte Mobilitätsmanagerin Sabine Schmidt an. Im erarbeiteten Netz wurden fast 800 Kilometer Strecke untersucht, Aus- und Neubaubedarf festgestellt. Jetzt werden noch die meist neuen Wirtschaftswegekonzepte der Städte und Gemeinden einbezogen – auch da könnten sich Streckenführungen für Radwege ergeben. Schließlich stehen noch die Kostenschätzungen und die Vorschläge für eine Prioritätenliste an. In das Konzept für eine „alltagstaugliche Radinfrastruktur“ mit „befahrbaren Pendlerrouten“ (so die Vorgaben) sind 1035 Ideen aus der Online-Bürgerbeteiligung eingeflossen. „Das Fahrrad hat im vorigen Jahr einen Riesenboom erfahren“, stellt Sabine Schmidt fest, „die Erwartungshaltung in der Bevölkerung ist hoch.“ Soll heißen: Den Plänen müssen (Aus-)Bauten folgen.

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