Freudenberg. Ein Jahr coronabedingte Schließung haben Rücklagen des Technikmuseums Freudenberg drastisch schmelzen lassen. Kein Grund aufzugeben, im Gegenteil

Es dokumentiert Zeitgeschichte, spiegelt die heimische Industrietradition wider und bietet jungen Menschen als außerschulischer Lernort einen hautnahen Einstieg in die Grundzüge der Mechanik: Das Technikmuseum Freudenberg ist längst zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Siegerländer Kulturportfolios geworden.

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Seit einem Jahr befindet es sich im Lockdown, Mitte März 2020 schloss das Technikmuseum Freudenberg für Besucher seine Pforten – vor der behördlichen Anordnung. Das hat Spuren hinterlassen – und Energien für einen Ausweg freigesetzt.

Mühsam angesparte Rücklagen kurz vor dem Versiegen

Als Corona ins Siegerland kam, zeigte das Technikmuseum gerade eine sehr erfolgreiche Sonderausstellung mit vielen Menschen, die sich durch die Räumlichkeiten drängten – die Schließung bewerten die Verantwortlichen heute als besonnen. Die Konsequenzen sind nichtsdestotrotz deutlich und langanhaltend für den Trägerverein: Das Museum finanziert sich fast ausschließlich aus den Einnahmen durch Eintrittsgelder und die Bewirtung im Museumscafé oder bei Veranstaltungen. Einen kleineren aber nicht weniger wichtigen Anteil machen Zuwendungen durch Sponsoren und Spender aus.

Auch ein funktionierender Webstuhl kann bewundert werden.
Auch ein funktionierender Webstuhl kann bewundert werden. © Technikmuseum Freudenberg

Allein mit den Beiträgen der rund 200 Vereinsmitglieder und der Sponsorenunterstützung könne man langfristig nicht bestehen, so die Verantwortlichen – zumindest nicht bei dauerhaft hoher Qualität des musealen Angebots. Eine kontinuierliche Bezuschussung von Stadt oder Kreis gibt es nicht – dass das Museum nach einem Jahr wirtschaftlich noch bestehen kann, „liegt vor allem an den mühsam über Jahre aufgebauten Rücklagen und unserem sparsamen, gewissenhaften Haushalten“, sagt Hans-Jürgen Klappert, Vorstandsmitglied des Trägervereins „Freunde historischer Technik Freudenberg“.

Alle Register gezogen für Corona-konformen Museumsbesuch

Genau diese Rücklagen allerdings waren einmal für Instandhaltungen und Investitionen eingeplant. Und sie sind fast aufgebraucht. Die Aktiven wollen und müssen daher so schnell wie möglich wieder öffnen, das Museum für alle Interessierten wieder zugänglich machen, teilt der Verein mit.

Um das möglich zu machen, ziehe man derzeit alle Register in Sachen Hygienekonzepte und -technik. Mit Hilfe des Bundesprogramms „Neustart“ werden Belüftungssysteme und Filteranlagen eingebaut. Elektronische Zutrittskontrollen ermöglichen den Ehrenamtlichen an der Kasse den Überblick über die Besucherzahlen im Museum. „Klassische“ Hygienemaßnahmen wie Spuckschutze, Desinfektionsspender, Besucherleitsysteme und Masken gehören zum Maßnahmenpaket.

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„Hundertprozentigen Schutz wird es nie geben“, sagt Museumspressesprecher Alexander Fischbach, aber man werde alles tun, den Besuch im Technikmuseum so sicher und angenehm wie möglich zu machen. „Sobald es behördlich erlaubt ist, werden wir öffnen“.

Technikmuseum Freudenberg während Corona-Zwangspause weiterentwickelt

Abseits von Corona arbeiten die Aktiven an der Weiterentwicklung des Freudenberger Technikmuseums. Der heutige Erfolg heimischer Unternehmen fuße auf der rasanten technologischen Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts – genau das soll das Museum nachhaltig zum Ausdruck bringen. „Die eine oder andere Firma aus unserer Region hat zum Beispiel früher selbst Dampfmaschinen hergestellt. Hier bei uns kann man Industriegeschichte sehen, hören, riechen und anfassen“, so Alexander Fischbach.

Die Aktiven haben viel Aufwand in eine Corona-konforme, sichere Museums-Umgebung gesteckt – sobald es erlaubt ist, soll wieder geöffnet werden.
Die Aktiven haben viel Aufwand in eine Corona-konforme, sichere Museums-Umgebung gesteckt – sobald es erlaubt ist, soll wieder geöffnet werden. © Technikmuseum Freudenberg

Dampfmaschinen stellten andere aber auch aus – „unser Alleinstellungsmerkmal ist die mechanische Werkstatt, die man in dieser Ausstattung und Vollständigkeit im gesamten Bundesgebiet nirgendwo findet – und auch in Europa nur an sehr wenigen Orten“. Alle ausgestellten Exemplare sind mehr als 100 Jahre alt und funktionieren einwandfrei. Das lockt Gäste sogar aus dem Ausland.

Neue Dauerausstellung nimmt Siegerländer Wirtschaftsgeschichte in den Fokus

Eine neue Dauerausstellung, die sich aus mehreren Blickwinkeln mit Technikgeschichte auseinandersetzen soll, ist in konkreter Planung. Zwei große Zweige der Siegerländer Wirtschaftsgeschichte werden dabei eine wesentliche Rolle spielen: Die Historie der Stahlhämmer, eine echte Freudenberger Spezialität und bereits ab 1580 im Einsatz sowie später die Leim-, Leder- und Filzindustrie. Diese Chronologie des technologischen Fortschritts mit modernen Mitteln in Szene zu setzen, sei ein kostspieliges Unterfangen: Allein die geschätzten Kosten für die neue Dauerausstellung belaufen sich auf rund 300.000 Euro. Für den Verein allein nicht zu stemmen, gerade nach dem kräftezehrenden Corona-Stillstand.

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Landes-Förderprogramme aber können es möglich machen. Gespräche mit dem Regierungspräsidenten lassen hoffen, dass das Vorhaben über das Landesprogramm „Heimatzeugnis“ gefördert wird. Die Schließungszeit sei für entsprechende Vorbereitung genutzt worden, was im laufenden Betrieb so wohl kaum möglich gewesen wäre: Sämtliche Ausstellungsbereiche werden neu geordnet, viele Exponate wurden ausgemustert – alles mit Blick auf die konsequente thematische Ausrichtung auf die Siegerländer Industriegeschichte.

Technikmuseum Freudenberg sucht auch projektbezogene Helfer

An den neuen digitalen Touchscreen-Infopunkten können sich Besucher besser und eigenständig zu Ausstellungsbereichen und über das Museum informieren – eine Kernkompetenz, finden die Verantwortlichen: Menschen schon in jungen Jahren für Technik begeistern. Seit einiger Zeit ist das Technikmuseum als außerschulischer Lernort aktiv. Der Trägerverein konnte eine 450-Euro-Kraft einstellen, um Kindern die Grundzüge der Mechanik altersgerecht nahezubringen – und im besten Fall Lust auf Technik zu wecken. Dazu möchten die Verantwortlichen gern eine hauptamtliche pädagogische Kraft einstellen, sobald eine Finanzierung möglich ist.

Hans-Jürgen Klappert, Vorstand des Trägervereins
Hans-Jürgen Klappert, Vorstand des Trägervereins © Technikmuseum Freudenberg

„Mit 39 Jahren bin ich einer der jüngsten Aktiven“, sagt Alexander Fischbach über eines der drängendsten Probleme des Technikmuseums: fehlender Nachwuchs. Jeder sei willkommen – dauerhafte Vereinsmitglieder und auch Helfer, die projektbezogen zur Verfügung stehen möchten. „Wir können hier jede Hand gebrauchen und freuen uns über jede Form der Teilnahme.“

Einblicke per Video gibt es auf dem Kanal des Technikmuseums Freudenberg auf Youtube.de.

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