Hilchenbach. Rechtzeitig für die Einrichtung von Ausstellungshalle und Turm-Museum auf der Ginsburg kommt der Bericht der Marburger Archäologen.

Der Rest einer Dose „Knacker Brühwurst einfach“, ein Deckel von „Flora Margarine“, die Plastikhülle „Kerniges Spezialbrot“: Das erste Foto im technischen Grabungsbericht, den Florian Hermann vom Vorgeschichtlichen Seminar der Uni Marburg nach den Grabungen auf der Ginsburg im vorigen Sommer erstellt hat, führt ziemlich nah in die Gegenwart. Auch der Almighurt-Becher, den die Archäologen sehr präzise in das Jahr 1964 hinein datieren. Etwa um diese Zeit ist das Plateau am Fuße der Ginsburg aufgeschüttet worden, bevor das Gewerkenhaus aus dem Weidenauer Ortsteil Boschgotthardshütten dort aufgestellt und das steinerne Gebäude mit der Hans-Hübner-Stube errichtet wurde. Von wegen mittelalterliche Vorburg.

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Mittelalter

Aber das macht nichts. Um so unbeschwerter kann der Verein zur Erhaltung der Ginsburg mit dem Aufbau des Ausstellungspavillons beginnen, der hier entsteht. „Im April können wir hoffentlich starten“, sagt Markus Völkel, der stellvertretende Vereinsvorsitzende, der Prof. Dr. Felix Teichner mit seinen Studierenden für diesen Sommer gleich wieder einlädt: „Wir würden uns freuen – es ist sehr spannend, was wir herausfinden konnten.“ Tatsächlich nicht weniger als den Beweis, dass die Ginsburg um die 200 Jahre älter ist, als die Historiker bisher glaubten. Die hatten bisher nur eine Urkunde aus dem Jahr 1255, die ein „Novum Castrum“, eine neue Burg, erwähnte. „Das setzt voraus, dass des eine ältere Burg gegeben hat“, folgert Felix Teichner. Gab es auch, wie Brandhorizonte belegen, die die Archäologen in der echten, viel kleineren Vorburg oben an der Zugbrücke und dem davorliegenden Hang gefunden haben. Mit der Radiocarbon-Methode wird ermittelt, wie der Kohlenstoff in Pflanzen und Bäumen zerfallen ist, auf etwa ein Menschenleben von 50 bis 60 Jahren genau. „11. Jahrhundert“, sagt Felix Teichner, um die 200 Jahre vor Graf Adolf. „Damit wagen wir uns nicht zu weit vor.“

Dieses 3-D-Modell von der Ginsburg ist auf der Grundlage von Drohnenaufnahmen entstanden.
Dieses 3-D-Modell von der Ginsburg ist auf der Grundlage von Drohnenaufnahmen entstanden. © Uni Marburg

Die Ginsburg wurde nach Osten gegen die Ginsberger Heide verteidigt, unerwünschte Gäste wurden aus dieser Richtung erwartet. Aber wie kamen die Menschen in die westliche Vorburg: Von Süden, wo heute das Gewerkenhaus steht und der viel später angelegte Waldweg mit dem Abzweig zum Zollposten entlangführt? Oder von Norden, direkt aus Hilchenbach? „Das wird hoffentlich ein Ergebnis dieses Sommers sein“, sagt der Archäologe. Auf die Grabungen wird der Ausbau des barrierefreien Rundwegs folgen, der am Ausstellungspavillon beginnt und am Turmeingang endet. Mit dem Aufzug geht es dann – an den Stationen der künftigen Dauerausstellung zu den Oraniern, zur Burg und zur Waldbewirtschaftung vorbei – hinauf auf die Plattform. Ganz viel davon soll noch 2021 passieren.

Neuzeit

Östlich des Bergfrieds haben die Archäologen Bastionen und, südlich davon, eine Zwingeranlage gefunden: Hinweise darauf, dass die Burg mit Feuerwaffen verteidigt werden sollte. Diesen Burgausbau datiert Felix Teichner auf das 16. Jahrhundert – als Wilhelm von Oranien von hier aus die Rückeroberung der Niederlande plante. Die Ginsburg war also in der frühen Neuzeit längst noch nicht bedeutungslos geworden, sondern wurde, wie die nassauischen Residenzen in Siegen und Dillenburg, strategisch „ertüchtigt“. „Es ist wichtig, dass man auch Keramik auswerten kann.“ Die neuen Funde werden nun in Marburg von zwei Studentinnen im Rahmen von Bachelor-Arbeiten analysiert und aufbereitet, bevor sie zusammen mit den Archäologen des Landschaftsverbandes in Olpe aufbewahrten älteren Funden auf die Ginsburg ins neue Museum zurückkehren.

Finanzen

Geld sammeln gehört zu dem Millionen-Ding auf der Ginsburg dazu: Den größten Anteil an der Finanzierung hat die Förderung durch das Land als Heimat-Zeugnis. Hinzu kommen Denkmalpflegemittel des Bundes, ein Zuschuss des Kreises und – als jüngster Beitrag – eine Bundeszuschuss aus dem Coronahilfe-Programm „Neustart Kultur“

Jetzt

Das Gewerkenhaus aus Boschgotthardshütten ist schon Baustelle: neue Fenster, neue minzgrüne Klappläden, erneuerte Haustür und frisches Fachwerkgebälk. Hier werden die neuen Pächter des Cafés in der Hans-Hübner-Stube einziehen, um die herum ebenfalls gebaut und zu der ein neuer, turmseitige Eingang gebaut wird. Im Frühsommer, so Vereinsvorstand Markus Völkel, wird dort wieder geöffnet. Was wiederum für die Archäologen weniger interessant ist, die die Hinterlassenschaften gegenwärtiger Festivitäten eher mit spitzen Fingern dokumentieren: „‘Klopfer‘-Fläschchen, Konfetti weisen auf rezente Festivitäten im Umfeld der Burg (Standesamt) hin“, heißt es dann im Grabungsbericht. Obwohl man dann ja doch gern wissen würde, wer hier seine 10-Rentenpfennig-Münze verloren hat, damals, 1924.

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