Siegen. Milde Strafen für jugendliches Quartett. Ursprünglich war wegen versuchten Mordes ermittelt worden. Richterin hält Täter Geständnis zugute

Zwei junge Männer schlugen am 11. Juni 2019 in der Jugendhilfeeinrichtung „Friedenshort“ in Freudenberg eine Betreuerin mit einem Stock auf den Kopf bis sie zusammenbricht. Zwei Bewohnerinnen hatten den Tätern zuvor Zutritt gewährt. Alle vier finden sich nun vor dem Jugendschöffengericht wieder. Dabei geht es nur noch um eine gefährliche Körperverletzung, anfangs war wegen versuchten Mordes ermittelt worden.

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Jüngster Täter aus Freudenberg steht als Einziger zu seiner Tat

Einer war zur Tatzeit knapp über 21 und wird zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Neben der gefährlichen Körperverletzung hat er noch bei anderer Gelegenheit einen Bekannten geschlagen. Außerdem muss er 80 Sozialstunden leisten. Er hatte den Teleskopstock besorgt, mit dem am Ende sein Kumpel zugeschlagen hat. Der war vor zwei Jahren erst 16, gilt vor dem Gesetz als „Jugendlicher mit Verantwortungsreife“, bekommt eine Verwarnung und zwei Wochen Dauerarrest. Die vergleichsweise milde Strafe hat auch damit zu tun, „dass er hier heute als Einziger uneingeschränkt zu seiner Tat gestanden hat“, so die Vorsitzende Dr. Sandra Al-Deb’i-Mießner.

Glück im Unglück

Alle vier hätten viel Glück gehabt, betont Staatsanwalt Fabian Glöckner, dass ihr Opfer letztlich so glimpflich davongekommen sei. Die Frau habe jedoch ihre Arbeitsstelle gewechselt und mache keine Nachtdienste mehr.

Eine solche Brutalität gegen eine Frau, die zumindest zwei der Angeklagten betreut „und Ihnen die Brote geschmiert hat“, sei ihr noch nicht vorgekommen, sagt Richterin Dr. Sandra Al-Deb’i-Mießner.

Es sei darum gegangen, „Stress zu machen“ gegen die strenge Einrichtungsleitung, die diensthabende Betreuerin auszuschalten und einen Tresor mit Taschengeld mitgehen zu lassen, das ist die Essenz der Aussagen dieses Angeklagten und weiterer Zeugen. Dazu sollten die beiden Mädchen die Aufsicht zunächst ablenken, damit die jungen Männer durch ein Fenster ins Haus kämen. Dann sei geplant gewesen, die Betreuerin „bewusstlos zu machen“, durch Chloroform oder eben den mitgebrachten Stock. Sein Begleiter habe erst schlagen wollen, dann aber ihm die Aufgabe überlassen, berichtet der inzwischen 18-Jährige

Abwegiger Plan: Mit 2000 Euro in Köln zur Ruhe setzen

Schon beim Schlagen habe er sich schlecht gefühlt und schließlich aufgehört, aus Sorge, Schlimmeres anzurichten. Die drei im Zimmer flüchteten über den Flur in den Raum der vierten Angeklagten und verschwanden durch ein Fenster. Vom Tresor war keine Rede mehr. Sein Mandant müsse in jener Nacht „total neben sich gestanden haben, um sich auf einen derart idiotischen Plan einzulassen“, konstatiert Anwalt Marx. Der Angeklagte habe wohl gedacht, ein Schlag auf den Kopf mache ohnmächtig, ohne zu verletzen. Dann sei es aber nicht wie im Film gelaufen. Allein die Vorstellung, sich mit 2000 Euro „in der Sonne von Köln zur Ruhe zu setzen“ sei völlig abwegig, stellt er fest, nachdem ein Zeuge die vorher geäußerten Pläne des Quartetts vorbringt. Wobei sich der Älteste in Siegen noch damit gebrüstet hätte: „Bis er merkte, das er dafür vielleicht 15 Jahre bekommt. Da hat er alles auf seinen Freund geschoben!“

Die beiden jungen Frauen erhalten wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung jeweils Verwarnungen und 40 Stunden Sozialarbeit. Die Verteidiger hatten Freispruch beantragt.

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