Kreuztal. Die Übernahme durch Liberty ist kein Thema mehr. Die Kreuztaler Belegschaft wartet nun auf die Bestätigung der Strategien 2030.

Thyssenkrupp verkauft die Stahlsparte nicht an Liberty Steel. Helmut Renk, Betriebsratsvorsitzender des Siegerland-Standorts von Thyssenkrupp Steel, sieht darin zumindest eine Forderung der Arbeitnehmervertretung erfüllt: „Es ist wichtig, dass wir jetzt Klarheit haben.“ Dem Angebot des britisch-indischen Gupta-Konzerns waren Betriebsräte und IG Metall von Anfang an skeptisch gegenübergetreten: Ihnen fehlte die Strategie des Interessenten für die deutschen Standorte. Denn da muss investiert werden: in den Umstieg auf eine CO2-freie Stahlherstellung bis 2050 und in die Strategie 2030, die auch die Werke in Eichen und Ferndorf absichern würde.

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Die Alternativen

„Ich weiß nicht, ob Thyssenkrupp das aus eigener Kraft schafft“, sagt Helmut Renk im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Arbeitnehmerseite werde „nach wie vor den Staatseinstieg fordern“, also eine vorübergehende Beteiligung des Landes oder des Bundes an dem Unternehmen. Die Regierungsparteien hatten auf diese Forderung bisher zurückhaltend reagiert. Bundestagsabgeordneter Volkmar Klein hatte im Dezember das Gespräch mit dem Betriebsrat geführt, für den Sommer werden Besuche von Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart erwartet. „Wir sind im Kontakt.“

Als Alternativen stehen eine Ausgliederung der Stahlsparte aus dem Konzern und auch immer noch eine Fusion mit Salzgitter und den saarländischen Stahlwerken Arcelor Mittal zu einer Deutschen Stahl AG im Raum. „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, sagt Helmut Renk, der am Donnerstag zudem noch in der IG-Metall-Verhandlungskommission über die anstehende Tarifrunde berät.

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Für März habe Steel-Vorstandschefin Martina Merz einen Vorschlag für den künftigen Kurs angekündigt. Im Raum steht auch die Diskussion über einen Stellenabbau, der wegen der „Corona-Lücke“ über die bis dahin genannten 3000 Stellen hinausgeht. „Der Vorstand muss dann klar sagen, in welcher Richtung er sich aufstellt“, sagt Helmut Renk. Entscheidend sei, dass an dem Ziel von 11,5 Millionen Tonnen Jahresversand festgehalten werde. „Und dass die Strategie 2030 weiter Bestand hat.“

Die Strategie 2030

Im Dezember 2019 war die Strategie 2030 für Thyssenkrupp Steel bekannt gegeben worden, die der Konzern eigentlich mit dem Verkauf der Aufzugssparte finanzieren wollte – dieses Geld ist durch die Pandemie aufgezehrt worden. In Eichen soll eine neue Spaltanlage aufgebaut werden, dafür werden in Ferndorf zwei kleinere Spaltanlagen abgebaut und die Feuerbeschichtungsanlage FBA 6 erweitert. Insgesamt bedeutet das eine Erhöhung der Warmbandproduktion von 30.000 auf 40.000 Tonnen im Jahr. Die Ankündigung des Investitionsprogramms war von der Vertretung der rund 1100 Beschäftigten in Kreuztal mit Erleichterung aufgenommen worden.

Das Tata-Kapitel

Im Mai 2019 hatten Thyssenkrupp Steel und Tata Steel ihre Verhandlungen über eine Fusion abgebrochen, die kurz darauf von der EU auch offiziell untersagt wurde. Auch darüber waren die Kreuztaler zunächst erleichtert. Denn Eichen hätte zu den drei Thyssenkrupp-Standorten gehört, für die die 2017 generell vereinbarte Bestandsgarantie bis 2026 nicht angewendet worden wäre. In einem Tarifvertrag wurde für diesen Standort lediglich eine Beschäftigungsgarantie vereinbart. Dagegen sollte die Kunststoffbeschichtungsanlage 3 bis Ende 2020 einer „Wirtschaftlichkeitsprüfung“ unterzogen werden. „Unsere beste Anlage“, sagte Betriebsrat Helmut Renk 2019 dieser Zeitung, „das war eine politische Entscheidung.“ Denn Eichen wäre in direkte Konkurrenz zu einem Tata-Werk in Wales getreten.

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Die Aussichten

Zur Ruhe kommen die Kreuztaler Stahl-Beschäftigten schon lange nicht mehr – angefangen hat alles mit Verlusten, die das Unternehmen mit Fehlinvestitionen eingefahren hat und die fast zeitgleich mit der weltweiten Überproduktionskrise verkraftet werden müssen. Betriebsratsvorsitzender Helmut Renk sieht auch noch keine kurzfristige Aussicht auf eine beruhigendere Perspektive: „Die nächsten Tage werden spannend.“

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