Siegen. Ein Siegerländer Unternehmer frönt seiner Vorliebe für teure Sportwagen, zahlt aber keine Sozialbeiträge. Es geht vor Gericht – und wird teuer.
Wie Tom Selleck sieht der Angeklagte nicht annähernd aus. Mit dessen einstigem Alter Ego Thomas Magnum teilt er aber die Vorliebe für Ferraris und andere Luxussportwagen. Gleich drei davon hatte er im Eigentum seiner Siegerländer Firma, während er gleichzeitig von Januar 2012 bis Juli 2019 mehr als 400.000 Euro an Sozial- und Rentenversicherung für seine Mitarbeiter nicht abführte. Weil er offiziell gar keine beschäftigte. Zu Unrecht, wird dem 60-Jährigen am Dienstag vom Siegener Schöffengericht bescheinigt. Das Urteil: Zwei Jahre auf Bewährung.
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Der Mann hatte im März 2012 eine bestehende Firma für Fassaden- und Dachverkleidungen gekauft und nach eigenem Bekunden ein System übernommen, das der Gründer bereits erfolgreich installierte. Die Montagefirma arbeitete als Subunternehmen für zwei Auftraggeber und verzichtete auf eigene Kräfte, engagierte dafür wiederum selbstständige Arbeiter, die mit Aufträgen versorgt wurden. Für Amtsrichter Matthias Witte und seine Schöffen sind diese aber rechtlich als scheinselbstständig einzustufen, war der Angeklagte daher unbedingt verpflichtet, Sozialbeiträge für die Männer zu entrichten.
Siegerländer Unternehmer hatte offiziell keine Mitarbeiter – faktisch aber schon
Auffällig für den Vorsitzenden ist die Mitarbeiterentwicklung des Unternehmens. 2009 hatte es noch elf Mitarbeiter gegeben. Als der Angeklagte übernahm, war es einer, im Folgejahr keiner mehr. Der Mann hatte im Rahmen seines Geständnisses sein Vorgehen beschrieben, dass er Aufträge annahm, seinen rumänischen Vorarbeiter anwies, in Südosteuropa willige Arbeiter anzuheuern, die dann in Deutschland ein Gewerbe anmeldeten und aus seiner Sicht selbstständig für ihn aktiv wurden.
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Wo denn der Vorarbeiter herkomme, wenn das Unternehmen ab 2013 gar keinen Mitarbeiter mehr geführt habe, wundert sich der Richter. Er hat auch noch andere Punkte, die gegen den Unternehmer sprechen, die auch schon der Staatsanwalt angeführt hat. Es lagen Aussagen über Verträge mit vereinbartem Stundenlohn vor. Der Angeklagte hatte die Arbeiter für bestimmte Aufträge angeworben, sie jeden Tag mit einem Sammeltransport zur Baustelle fahren lassen und ihnen hochwertige Werkzeuge sowie das nötige Material zur Verfügung gestellt. Das alles deute nicht auf selbstständige Subunternehmer hin.
Angeklagter muss Schaden von rund 335.000 Euro ausgleichen
Verteidiger Rössler argumentiert, sein Mandant sei praktisch in ein bestehendes System eingestiegen, habe sich keine größeren Gedanken gemacht. Vor allem sei er nur von zufriedenen Leuten umgeben gewesen; Auftraggeber und Mitarbeiter, „er selbst war auch zufrieden“. Er wundert sich, dass die Rentenversicherung zweieinhalb Jahre gebraucht habe, um nach ersten Hinweisen gegen seinen Schützling vorzugehen.
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Zwischenzeitlich werden 26 der ursprünglichen 151 Fälle eingestellt, weil umstritten ist, wann eine mögliche Verjährung beginnt. Letztlich werden nur die Vorgänge ab 2014 berücksichtigt, mit einer exakten Schadenssumme von 335.019,41 Euro. Staatsanwalt Bender beantragt genau jene zwei Jahre auf Bewährung, die später auch ausgeurteilt werden. Der Angeklagte muss zudem 3000 Euro an die DRK-Kinderklinik zahlen und in der Folge in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und einziger Gesellschafter der Firma den entstandenen Schaden bei den Versicherungen ausgleichen.
Siegerländer kaufte Luxussportwagen vorgeblich als Geschäftsfahrzeuge
„Wir haben hier keinen Lebensstil zu beurteilen“, erklärt der Vorsitzende. Die Investition hoher Summen in Luxusautos sorge allerdings „für ein Geschmäckle“, das eine Strafaussetzung zur Bewährung zumindest nicht leichter gemacht habe.
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Auch der Anklagevertreter hatte bereits angemerkt, dass eine Montagefirma schwerlich drei Luxuswagen als Geschäftsfahrzeuge benötige: „Er hat sie für sich gekauft, sein teures Hobby finanziert“. Zwei davon werden mit Einverständnis des Angeklagten eingezogen, können zur Anrechnung auf den Schaden verkauft oder versteigert werden. Der dritte ist als Absicherung eines Geschäftes an die Olper Sparkasse übereignet und soll - vorläufig - im Besitz des Angeklagten bleiben. Der ist ansonsten nicht vorbestraft und lebt in gesicherten Verhältnissen. Deshalb und wegen des „fortgeschrittenen Lebensalters“ geht das Gericht davon aus, dass es künftig keine weiteren Taten geben wird, begründet Amtsrichter Matthias Witte die vergleichsweise gemäßigte Entscheidung.
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