Siegen. Über den mutmaßlichen Vielfachtäter, der in Siegen vor Gericht steht, ist immer noch kaum Persönliches zu erfahren. Das erschwert das Gutachten.
Gutachter Dr. Bernd Roggenwallner sieht beim Angeklagten keinerlei Anzeichen für eine Psychose oder sonst eine Erkrankung aus dem gleichen Umfeld. Auch die Sucht kann er nicht so weit konkretisieren, dass der 33-jährige Vielfachtäter reif für eine Unterbringung in der Psychiatrie oder einer Drogenklinik wäre. Das liegt vor allem an den mangelnden Erkenntnissen über den jungen Mann, der im Verfahren weitgehend geschwiegen hat und sich auch nicht vom Dortmunder Nervenarzt untersuchen lassen wollte.
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Seit Wochen hat die Kammer alles versucht, mehr über das Vorleben und die Persönlichkeit des wortkargen Angeklagten herauszufinden. Er hat sich bei einigen Taten auffällig verhalten, wurde im Sommer 2020 von Zeugen aus der JVA bei der Einlieferung zur Untersuchungshaft als deutlich anders beschrieben, im Vergleich zu früheren Aufenthalten. Er kam sogar in eine Beobachtungszelle.
Siegen: Exfreundin und Mutter erscheinen nicht als Zeuginnen – angeblich krank
Auch diese Hinweise reichen dem Sachverständigen aber nicht. Strafgefangene verhielten sich „per se auffällig“, wenn sie in Haft kämen, sagt er, „ob sie schuldig sind, oder nicht“, und kennt zugleich aus seiner täglichen Arbeit viele Menschen mit ungewöhnlichem Gehabe, die dennoch nicht psychisch krank sein müssten. Letztlich sieht Dr. Roggenwallner zu wenig objektive Hinweise für eine entsprechende Diagnose.
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Die Kammer habe versucht, aus früheren Urteilen mehr über die Biographie des Probanden zu erfahren, stellt Richterin Elfriede Dreisbach fest: „Da standen aber auch immer nur drei Sätze.“ Die zum wiederholten Male geladene Ex-Freundin und Mutter seiner Tochter habe vorhin „mit dem Totschlagargument der Grippe angerufen“ und ihr Kommen in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die ganze Familie habe Symptome, das sei also schwierig, ergänzt Richter Matthias Stehr.
Sachverständiger bietet Besuch bei der Zeugin an – und findet sie gesund vor
Als schon die erneute Vertagung im Raum steht, bietet Dr. Roggenwallner an, selbst zur Zeugin zu fahren: „Wir kommen ja nicht weiter. Dann sehen wir wenigstens, ob sie krank ist oder nicht!“ Die Vorsitzende findet das „eine Super-Idee“. Eine knappe Stunde später kann die – gesunde – Frau tatsächlich endlich vernommen werden.
Das Ergebnis führt allerdings auch nicht viel weiter. Die beiden waren laut der Aussage ein paar Monate zusammen, haben sich aber schon vor vier Jahren getrennt. Die Zeugin berichtet von gelegentlichem Drogenkonsum, aber nicht übermäßig. Vor seiner Verhaftung sei der Angeklagte etwa vier Wochen lang jeweils an mehreren Tagen zu ihr gekommen, um vereinbarungsgemäß die Tochter zu sehen. Von Drogen sei ihr da nichts aufgefallen, „er war liebevoll zu der Kleinen“.
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Zumindest das bestärkt den Sachverständigen in seiner Haltung, den Mann als weitgehend gesund einzustufen. Dann werden noch einige kleinere Anklagepunkte eingestellt. Der Verteidiger könnte plädieren, die Staatsanwältin ist nicht vorbereitet. Jetzt soll entweder am 24. oder bereits am 15. Februar fortgesetzt werden. Das wird sich in den kommenden Tagen entscheiden.
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