Siegerland. Hier mehr Kunden, dort mehr Spenden: Die Corona-Krise macht sich in Kleiderläden und Sozialkaufhäusern im Siegerland unterschiedlich bemerkbar.

Die Sozialkaufhäuser und Kleiderläden im Siegerland spüren unterschiedliche Auswirkungen der Corona-Krise. An manchen Standorten ist die Nachfrage spürbar gestiegen, an anderen die Menge der Spenden. An wieder anderen macht sich vor allem bemerkbar, dass mit den Einschränkungen ein Treffpunkt weggefallen ist.

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Heimatverein Achenbach: deutlich höhere Nachfrage in den Sozialkaufhäusern

Die Bedürftigkeit nehme zu, sagt Günther Langer, ehrenamtlicher Geschäftsführer der Gemeinnützigen Qualifizierungs- und Weiterbildungsgesellschaft des Heimatvereins Achenbach gGmbH, „das macht sich bei uns deutlich bemerkbar". Die Gesellschaft betreibt Sozialkaufhäuser in Achenbach, Geisweid, Kreuztal und Büschergrund. „Viele Menschen haben zur Zeit nichts."

Massiv zeige sich das auch an anderer Stelle: bei der kostenlosen Essensausgabe in Achenbach, die der Heimatverein anbietet. Seien früher jedes Mal 20 bis 30 Personen erschienen, seien es jüngst um die 70 gewesen. Auch das Weihnachtsessen an Heiligabend – zum mitnehmen, versteht sich – hätten statt der früher üblichen rund 120 Leute diesmal mehr als 200 in Anspruch genommen. Hier werde offensichtlich, wie hart die Krise viele Menschen treffe. „Das ist erschütternd", kommentiert der Geschäftsführer. Auffällig sei außerdem, dass mehr Obdachlose Hilfe suchten.

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Die Sozialkaufhäuser sind derzeit zwar wie der gesamte Einzelhandel – sofern er nicht Artikel der Grundversorgung verkauft – geschlossen. Der Heimatverein hat aber für seine vier Standorte Sondergenehmigungen erhalten, um in Notfällen trotzdem helfen zu können. Als der zweite Lockdown kam, „haben wir als Verein gesagt ,das geht so nicht' – die sozial Schwächsten bleiben wieder auf der Strecke", erläutert Günther Langer.

Siegen: In der Corona-Krise mangelt es vor allem an Winterkleidung für Bedürftige

Wer dringend Kleidung brauche, gerade jetzt im Winter, könne sich telefonisch oder per E-Mail melden, ein Zettel im Briefkasten genüge auch. Dann dürften einzelne Personen den Laden betreten und könnten sich etwas aussuchen. Verkauft werde in dieser Konstellation allerdings nichts, es gehe um „Notversorgung“ und das eben auch kostenlos. Dazu sehe der Heimatverein mittlerweile ohnehin immer öfter die Notwendigkeit. Im Jahr 2020 sei der Umsatz um mehr als 40 Prozent eingebrochen, sagt der Geschäftsführer. Die Hilfe stehe im Vordergrund, deshalb sei das einerseits in Ordnung. Andererseits bedeute es aber, dass keine Überschüsse anfallen, um damit andere Projekte und Initiativen zu unterstützen.

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Von den Aufräum- und Aussortieraktionen, für die viele Menschen den Lockdown im Frühjahr nutzten, hätten die vier Sozialkaufhäuser nicht profitiert. Die Bürgerinnen und Bürger hätten ihre Säcke meist eher in Container gepackt, als sie beispielsweise nach Achenbach zu fahren. Woran es derzeit besonders mangele, so Günther Langer: Winterkleidung und Schuhe, vor allem für Kinder.

Wilnsdorfer Laden ist bei jungen Müttern stärker gefragt

Notversorgung auch während des Lockdowns ist im „Wilnsdorfer Laden“ bisher kein Thema, wie dessen Leiterin Martina Müller berichtet. In dieser Hinsicht „sind wir in Wilnsdorf ein bisschen privilegiert: Unsere Klientel ist gut versorgt." Auf den Bedarfsfall sei das Team dennoch vorbereitet. Wer wirklich dringend Kleidung benötige, könne sich melden und auf Unterstützung bauen.

„Bei uns kann jeder einkaufen", betont Martina Müller. 2015 wurde das Angebot vom ökumenischen Netzwerk Wilnsdorf, seit Dezember 2020 eingetragener Verein, gestartet. Damals sei es vor allem darum gegangen, Menschen mit Fluchtgeschichte zu helfen. Längst entwickelte es sich aber zu einer Anlaufstelle für alle mit finanziell begrenzten Mitteln. Was im Laufe der Corona-Krise aufgefallen sei: „Es sind sehr viele junge Mütter mit Kindern gekommen. Das war früher nicht so", sagt Martina Müller. Da mache sich auch bemerkbar, dass Flohmärkte und Basare ausgefallen seien.

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Der Wilnsdorfer Laden verfügt über eigene Container, außerdem können Menschen Kleidung und Haushaltsartikel im Laden abgeben. „Es war viel mehr", sagt die Leiterin über die vergangenen Monate. „Die Leute haben wirklich viel Zeit gehabt und viel aussortiert.“ Es seien eine Menge gute Sachen dabei gewesen, aber auch einiges, womit sich definitiv nichts mehr habe anfangen lassen. Aus einer gewissen Fassungslosigkeit über manche „Spenden“ macht Martina Müller keinen Hehl. Dem Wilnsdorfer Laden hilft unbrauchbarer Unrat nämlich nicht weiter, im Gegenteil: „Wir haben dadurch ein immenses Müllaufkommen."

Siegen: Der Kleiderladen in der Friedrichstraße fehlt vielen Menschen als Treffpunkt

Der Kleiderladen des Bezirksverbands der Siegerländer Frauenhilfen in der Siegener Friedrichstraße verzeichnete während der vergangenen Monate keine höhere Nachfrage – die Zahl der Kunden blieb in etwa gleich, sagt Ladenleiterin Bettina Krätschmer-Becker. Auch die Zahl der Spenden sei in etwa gleich geblieben. Was im Laden in der Friedrichstraße eher unter der Corona-Situation leide, sei der soziale Aspekt. Vor der Pandemie gab es eine Café-Ecke, generell sei der Laden auch ein Treffpunkt. „Es gibt viele Gäste, die regelmäßig kamen – Menschen, die sich über Jahre hier getroffen haben“, sagt die Leiterin. „Denen fehlt das sehr.“

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Konsequent habe das Team seit Frühjahr die Maximalzahl der Kundinnen und Kunden im Laden auf acht Personen gleichzeitig beschränkt, um Mindestabstände gewährleisten zu können. Damit einher ging die Bitte, den Besuch auf maximal 30 Minuten zu begrenzen. In der Folge gab es oft Schlangen vor der Tür, doch die Gäste hätten auch bis zu anderthalb Stunden Wartezeit in Kauf genommen, um sich im Laden umschauen und einkaufen zu können, sagt Bettina Krätschmer-Becker.

Beim DRK Siegen-Wittgenstein bleiben die Kleiderspenden fast auf Vor-Corona-Niveau

Nur etwas weniger Kleiderspenden als sonst hat der DRK-Kreisverband Siegen-Wittgenstein im vergangenen Jahr erhalten, sagt Vorstand Dr. Martin Horchler. Dass insgesamt ein fast ähnliches Ergebnis herausgekommen ist, ist aber durchaus bemerkenswert – denn die große Kleidersammlung im Herbst, bei der sonst im Schnitt etwa 100 Tonnen zusammenkommen, entfiel 2020 wegen der Pandemie. „Dafür wurden die Container mehr genutzt“, sagt Martin Horchler – gerade um das Wochenende der abgesagten Kleidersammlung herum. Und auch aus Einzelhandelsgeschäften habe es Spenden gegeben.

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Die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer sei „auf vergleichbarem Niveau wie im Vorjahr“ geblieben. Der Kleiderladen in der Hammerstraße ist derzeit geschlossen. In akuten Notfällen fänden sich aber auch dort Wege, um Menschen – auflagenkonform – mit dringend benötigten Kleidungsstücken zu versorgen, so der Kreisverbands-Chef.

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