Siegen. Eine Mutter will ihre Tochter zurück ins Siegener Frauenhaus bringen und findet sie tot in der Wohnung. Daneben: Ihr Ex. Hat der sie getötet?

Der Abend des 3. August 2018. Eine Mutter kommt in die Wohnung ihrer erwachsenen Tochter. Die hatte das Frauenhaus für zwei Tage verlassen, die Mutter will sie zurückbringen. Zu spät. Der ungeliebte Partner der Tochter ist in der Wohnung, diese liegt scheinbar besinnungslos auf der Bettcouch. „Sie sah so friedlich aus“, berichtet die Mutter am Dienstagmorgen, 5. Januar, vor dem Siegener Schwurgericht. Sie hat nicht bemerkt, dass ihre Tochter bereits tot war.

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Über die Ursache bestehen Zweifel. Der Ex-Partner, der eigentlich die Wohnung nach einer Gewaltschutzentscheidung nicht mehr betreten durfte, von der Tochter aber doch immer wieder eingelassen wurde, ist wegen zweifacher Körperverletzung angeklagt. Er könnte aber auch wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt werden, ergänzt die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach im Anschluss an die Verlesung der Anklage.

Todesursache wohl hoher Alkoholwert im Blut und starker Blutverlust

Der 32-jährige Angeklagte, der die Aussage verweigert, soll das Opfer mit einer PET-Flasche gegen den Kopf geschlagen haben. Bei der Obduktion fand sich eine Verletzung an der rechten Augenbraue, die nach Auskunft von Gerichtsmediziner Dr. Eberhard Josephi „bis auf den Knochen“ ging und ziemlich stark geblutet haben soll. Das Bettzeug der Toten war deutlich blutgetränkt, wie auch diverse Polizisten bezeugen, dazu fanden sich Blutspuren auf dem Teppich und an der Wand.

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Als Todesursächlich sieht der Mediziner die Wunde allerdings nicht. Er hat auch keine Spuren eines Versuches gefunden, die Verletzung mit einer Nadel zuzunähen. Das ist die zweite Anklage: Der Ex soll das ohne Einwilligung der jungen Frau getan haben. Die Polizisten und die Mutter haben nur Babypflaster an der Schläfe wahrgenommen. Die Wunde sei „ausgefranst“ gewesen, sagt der Sachverständige und kann auf Nachfrage der Vorsitzenden nicht mit Sicherheit sagen, ob er Nadellöcher hätte finden müssen.

Sicher ist er allerdings „aus meiner Erfahrung“, dass der Tod des Opfers auf eine Verkettung zweier Ursachen zurückgeht. Im Blut der Toten wurde ein Alkoholwert von 2,84 Promille gemessen. Normalerweise werde es „erst bei 3 oder 3,5 Promille“ lebensgefährlich, betont der Arzt. Es könne aber auch darunter schon problematisch werden. Vor allem sei dies denkbar, wenn eine Verletzung dazu komme, die mit einem starken Blutverlust einhergehe. Das verstärke die Wirkung des Alkohols. Aus seiner langjährigen Erfahrung gehe er davon aus, dass ein unglückliches Zusammentreffen beider Faktoren zum Tod der Frau geführt haben müsse.

Zeugin: Angeklagter drohte auch der kleinen Tochter des Opfers

Die Zeugenaussagen eröffnen ein düsteres Bild auf die Umstände. Nach Erzählung der Mutter litt ihre alleinerziehende Tochter seit langem an Depressionen, die wohl auch ein Grund für den zunehmenden Alkoholismus des Opfers waren. Nach einer Kur sei sie im Herbst 2017 in einer Entwöhnungsbehandlung gewesen und habe den Angeklagten von dort mitgebracht. Die nachfolgende Beziehung sei durchweg von Streit und körperlichen Auseinandersetzungen geprägt gewesen. Als sie das Kind in die Kita bringen wollte, die verwahrloste Wohnung wahrnahm und Kritik zu hören bekam, dass ihre Enkelin auch schon von „einem fremden Mann“ gebracht worden sei, habe sie das kleine Mädchen zu sich genommen.

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Seither sei es nur noch selten zu persönlichen Kontakten mit der Tochter gekommen, immer unter Aufsicht des Jugendamtes. Am Telefon hätte das Opfer ihr allerdings regelmäßig von Schlägen erzählt. Zwei Mal sei ihre Tochter auch im Krankenhaus gewesen, zuletzt mit einem Jochbeinbruch. Sie habe Angst vor dem Angeklagten gehabt, der auch das Kind für den Fall bedroht habe, dass sie ihn verlassen würde.

Polizistin kümmerte sich immer wieder um die ständig verletzte Frau

Die Frau ist aufgeregt, atmet schwer bei den Aussagen der anderen Zeugen. Die Polizisten berichten, sehr oft zu der Adresse gerufen worden zu sein. Anfangs habe die Verstorbene noch eine gewisse Hoffnung gehabt, die Verhältnisse seien aber immer schlechter geworden, berichten zwei Beamtinnen, die immer wieder versucht hatten, auf das Paar einzuwirken. Sie trank, er nahm Drogen. Die Gewalt sei durchaus von beiden ausgegangen, „meistens aber von ihm“. Das Gesicht der jungen Frau sei „eigentlich immer geschwollen“ gewesen, der Körper voller blauer Flecke, erklärt eine der Zeuginnen. Trotz aller Bemühungen sei das spätere Ende fast vorhersehbar gewesen. „Ich war nicht überrascht“, sagt sie bitter.

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Zur Sprache kommt auch, dass eine Vertreterin des Jugendamtes der Mutter mitgegeben hat, ihre Tochter sanft zu behandeln, weil sie „sehr krank“ sei. Mehr habe die Sozialarbeiterin dann aber nicht gesagt. Angeblich soll die Tote einmal eine Stoffwechselkrankheit erwähnt haben, die im Zusammenhang mit Alkohol zu einem vorzeitigen Tod führen könne. Verteidiger Jörn Menzel möchte vom Sachverständigen wissen, ob es auch noch andere Ursachen hätte geben können. Das will dieser nicht ausschließen, mangels genauer Angaben aber auch nicht für diesen Fall bestätigen. Nicht überraschend möchte der Anwalt hier noch weitere Ermittlungen anstoßen.

Vorläufig sind zwei weitere Verhandlungstage angesetzt.