Hilchenbach. Ein Interview mit Hilchenbachs Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis: über die Innenstadt, den Kulturellen Marktplatz, das Hammerwerk – und mehr.
Die Kerzen am Adventskranz hat noch niemand angezündet, die noch leeren Flächen im Regal hinter ihm füllen eine Unzahl dekorativ aufgestellter Weihnachtskarten, die den neuen Bürgermeister schon erreicht haben. Kyrillos Kaioglidis schaut auf drei Bildschirme und zwei Jahresplaner im DIN-A-0-Format, den des Bürgermeisters und seinen alten aus dem Büro der Wirtschaftsförderung. In zwei der drei Fenster zum Markt sind schon die von Schulkindern gestalteten Adventskalenderbilder ausgestellt, das dritte mit der Nummer 21 wird am Montag gefüllt. Steffen Schwab hat das neue Stadtoberhaupt besucht.
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Wie viele Tage sind Sie jetzt Bürgermeister?
Kyrillos Kaioglidis:Seit dem 1.11.
Gezählt haben Sie also nicht?
Gefühlt 45 – es gab ja keine Unterbrechung dazwischen.
Wie lange dauert das denn, bis man im neuen Beruf ankommt?
Man gewöhnt sich schnell an die neuen Aufgaben, indem man viele Gespräche führt, viele Termine wahrnimmt . Mit meinen alten Aufgaben in der Wirtschaftsförderung bin ich aber auch noch verbunden, es gibt ja noch keinen Nachfolger.
Zur Person
Kyrillos Kaioglidis (49), geboren in Troisdorf, lebt seit 1971 in Hilchenbach, Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann und Studium zum Betriebswirt, Fachrichtung Tourismus.
Seit 2005 arbeitet er bei der Stadtverwaltung, 2016 wurde er Leiter der Stabsstelle Stadtmarketing, Tourismus und Wirtschaftsförderung.
Bei der Bürgermeisterwahl im September setzte der Parteilosem sich mit Unterstützung der SPD gegen vier Mitbewerber durch. Am 1. November trat er die Nachfolge von Holger Menzel an.
Gab es schon besondere Ereignisse?
Auf jeden Fall. Wir bekommen für die Winterbach-Arena in Dahlbruch 750.000 Euro Fördermittel und rund 220.000 Euro für die Stärkung der Innenstadt. Natürlich auch ein Höhepunkt war die konstituierende Sitzung des Rates.
Da haben Sie gesagt, Sie seien aufgeregt gewesen.
Ja. Das geht auch nie so wirklich weg. Da kommt meine Geschichte als Standesbeamter zum Tragen. Da sitzt immer ein neues Paar vor mir, das sind immer neue Konstellationen. Man ist dann selbst ein bisschen aufgeregt, ob man auch die richtigen Worte findet. Das Schöne ist, das der Standesbeamte nur die schönen Momente mitbekommt.
Die Winterbach bekommt die Stadt nun also mit dem 100-Prozent-Zuschuss geschenkt.
Darüber freuen wir uns, wir werden jetzt auch früh im neuen Jahr mit der Umsetzung beginnen.
Die Förderung für die Innenstadt ist vielleicht noch die größere Herausforderung – da müssen Sie jetzt was tun.
Das wird uns nicht schwer fallen. Es gibt einen Verfügungsfonds zur Anmietung von Leerständen. Es gibt Interessenten, es gab erste Gespräche. Wichtig ist, dass man sich dann nicht nur auf den stationären Handel verlässt, sondern auch das Internet als Kanal nutzt. Wir schaffen Voraussetzungen, die auch dem Existenzgründer mit einer stark reduzierten Miete den Start erleichtern, zumindest in den ersten 24 Monaten.
Und dann gibt es noch eine Förderung für ein Entwicklungskonzept für den Gerberpark.
Ich möchte gern zusammen mit dem Eigentümer und einem noch auszuwählenden Büro schauen, was man aus dem Gerberpark machen kann. Das soll kein Konzept für die Schublade werden.
Der Gerberpark war auch einen Sommer lang ein großer Spielplatz, der dort durch private Initiative ermöglicht wurde. Gibt es auch in der Richtung eine Perspektive?
Ich fand das eine klasse Idee. Ich überlege, ob man nicht auch einen öffentlichen Indoor-Spielplatz etablieren kann. Wir sind ja nicht immer nur mit Sonnenschein gesegnet. Der Spielplatz in der Herrenwiese ist für mich ein Musterbeispiel – es gibt Fördermittel für neuartige Projekte.
Das andere große Thema ist der Kulturelle Marktplatz.
Jetzt gilt es, dieses Projekt auch möglichst schnell umzusetzen. Das Nutzungskonzept wird jetzt in Auftrag gegeben und vielleicht schon im Frühjahr vorliegen. Es geht jetzt darum, die Räume den Nutzergruppen zuzuordnen, Zielgruppen anzusprechen, den ganzen Kulturellen Marktplatz in die Kulturlandschaft Hilchenbachs einzubinden. Thema wird auch sein, in welcher Form Programminhalte digital vermittelt werden. Wenn es denn schwieriger wird, Leute für eine Fahrt ins Theater zu gewinnen, warum sollte man dann nicht Inhalte aus diesem Haus auf die Bildschirme projizieren?
Im Moment bricht sehr viel weg. Das Rockmobil wird abgemeldet, der Gebrüder-Busch-Kreis kämpft, das Kino leidet unter allen möglichen widrigen Bedingungen. Wie sieht da Zukunft aus?
Wir lassen dort auch ein Haus der Alltagskultur entstehen, wo sich verschiedene Akteure, Nutzergruppen, Generationen begegnen. Man muss sich über Programminhalte Gedanken machen. Und über Wege, diese Inhalte nicht nur auf der Bühne darzustellen, sondern auch nach Hause zu transportieren. Um das Kino mache ich mir keine großen Sorgen. Eine Säule wird der zweite Saal sein, damit Blockbuster und Programmkino nebeneinander laufen können.
Welche Rolle spielt Jugend?
Die Jugendlichen können Ideen entwickeln. Es wird innen noch viel gestaltet, und dort sollen sie eingebunden sein. Sie haben angeboten, dass sie sich einbringen. Man muss überlegen, was Digitalisierung ermöglicht und wie man sie einsetzt, um den Kulturellen Marktplatz auch für junge Leute attraktiv zu gestalten. Wir können das Jugendzentrum stärken, das Thema Band-Probenräume ist noch nicht vom Tisch, wir können auch Räume und technische Voraussetzungen zum Beispiel für Videoproduktionen schaffen.
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Im Bereich der Wirtschaftsförderung ist das Hammerwerk in Allenbach großes Thema geworden.
Das steht ganz oben auf der Prioritätenliste. Das Gelände gehört nicht der Stadt, sondern Metalcam, die aus Italien agiert. Es gibt Interessenten, einer befasst sich stärker damit. Es gibt Gespräche mit dem Eigentümer. Vereinbart wurde, den vom Kreisumweltamt geforderten Sanierungsplan zu erstellen. Der Auftrag wurde erteilt, wir erwarten den Sanierungsplan zu Jahresbeginn. Dann wissen wir, wie saniert werden muss und, vor allem, was diese Sanierung kostet. Diese Information ist für den Interessenten wichtig: Lässt sich seine Investition wirtschaftlich darstellen?
In diesem Jahr stand auch die Frage im Raum, ob die Stadt selbst das Areal erwirbt.
Ich halte das für schwierig, wie es dafür im Moment keine Städtebaufördermittel des Landes gibt. Möglichkeiten gäbe es über den AAV (Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung, d. Red.). Aber dafür müsste die Stadt Hilchenbach Eigentümer sein. Dazu muss erst einmal eruiert werden, welche Kosten auf die Stadt zukommen, damit wir das Risiko eingrenzen können.
Ist das nicht ganz einfach? Die Stadt kauft, leistet einen Eigenanteil zur Altlastensanierung und verkauft das sanierte Gewerbegrundstück mit Gewinn?
Wenn das so funktionieren würde. Selbst wenn die Stadt das Grundstück nur für einen symbolischen Euro kauft, hätte sie die Sanierungsverpflichtung. Dieses Risiko kann die Stadt nicht eingehen, ohne es vorher eingegrenzt zu haben. Wir sprechen über 26.000 sanierte Quadratmeter Gewerbefläche an der B 508, mit denen sich vielleicht auch ein etwas besserer Preis erzielen ließe – aber wirtschaftlich saniert bekommt man so ein Areal nicht. Es sei denn, die Sanierungskosten sind wirklich nicht so hoch wie bisher angenommen oder jemand beteiligt sich an den Kosten.
Und neben der Neugestaltung des Marktplatzes, dem Bau des Dorfplatzes Vormwald und der Kita in Helberhausen entsteht gerade ein neues Projekt…
Wir haben den Bahnhof gekauft. Die Bahnflächenentwicklungsgesellschaft als bisherige Eigentümerin bezahlt uns auch ein Entwicklungskonzept. Wir werden gemeinsam mit der Kommunalpolitik überlegen, wie sich dieses Gelände entwickeln soll. Am Ende kann es auch ein privater Investor sein, der es umsetzt. Für uns war es wichtig, dass wir die Hand drauf haben und Stadtentwicklung aktiv begleiten. Und dass nicht jemand anders die Immobilie kauft und die nächsten 20 Jahre die Güterhalle bloß als Lager nutzt. Dass sich da nichts entwickelt, wäre das Schlimmste, was passieren kann.
Gibt es schon konkrete Vorstellungen?
Der Bahnhof ist das Entrée der Stadt Hilchenbach. Konkrete Vorstellungen gibt es bereits für die Mobilstation mit Fahrradabstellplätzen, Fahrradboxen und dynamischen Fahrgastinformationstafeln, und die Bushaltestelle wird barrierefrei gestaltet. Abgesehen davon, mal so ganz spontan: Eine Güterhalle als Indoor-Spielplatz könnte ich mir auch gut vorstellen.
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Was liegt noch an?
Ein großes Thema ist die bürgerfreundliche und serviceorientierte Verwaltung. Da spielt, gerade vor dem Hintergrund der Pandemie, die Digitalisierung eine große Rolle. Es wird immer wichtiger, die Dienstleistungen der Verwaltung auch digital zur Verfügung zu stellen, um möglichst viel Service zu bieten, Zeitersparnis zu ermöglichen und Arbeitsprozesse zu optimieren. Ich möchte den Bürgern spiegeln, dass ich in der Verwaltung und in der Stadt etwas bewegen will.
Was wird konkret verändert?
Erreichbarkeit neu schaffen, online 24 Stunden, aber auch am Telefon. Der Servicegedanke muss gelebt werden, indem wir viel, viel näher am Bürger arbeiten. Wir arbeiten am Bürgerportal, damit gehen wir im Frühjahr an den Start.
Ein Amtskollege aus einer Nachbarstadt ist am Telefon. Er ruft zurück, sagt Kyrillos Kaioglidis und nimmt den liebevoll verpackten Schuhkarton: Ein Spielzeugauto mit Fernsteuerung hat sich der Dreijährige gewünscht, dessen „Herzenswunsch“ er bei Alibaba gepflückt hat. Dort wird das Geschenk jetzt erst mal hingebracht.
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