Hilchenbach. Nach drei Gelenkbussen und einem Truck droht MoMu das Aus. Einen Hauch von Hoffnung gibt es noch.

Ein Foto vom Rockmobil. Und drei Worte. 2020. The. End. Hans-Dieter Klug löst mit dem Post auf seiner Facebookseite Bestürzung aus. „Traurig.“ „Hier geht etwas Großes für die Stadt verloren.“ „Das geht nicht.“ „Das ist doch Kulturgeschichte.“

The End?

Doch, das ist so, sagt „Hade“, wie sie ihn alle nennen: In diesem Jahr hat der Truck mit der Band-Kabine kaum Einsätze gehabt. Das Push-Festival, Kultur Pur, die Ferienspiele, fast alles ausgefallen. Das, was stattgefunden hat, „kann ich an einer Hand abzählen.“ Jetzt wartet er auf den Anruf aus der Werkstatt, eine größere Reparatur wird fällig. Noch machen lassen? „Im Moment fehlt mir die Perspektive.“ Hans-Dieter Klug meldet den Truck ab. Wenn jetzt noch jemand kommt und eine rockmusikalische Verwendung hat, dann ist er weg. Es sei denn...

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Die Unterstützungsangebote, die der Staat in diesem Jahr macht, ziehen in der Regel nicht für den eingetragenen Verein, der mobile Arbeit mit Musikunterricht und Workshops im Fahrzeug macht und mit MoMus Musikschule ein stationäres Angebot von der musikalischen Früherziehung bis zum Instrumentalunterricht vorhält. „Wir sind mehr oder weniger durch die Raster gefallen“, sagt Hans-Dieter Klug, der mit einer halben Stelle als Geschäftsführer bei MoMu festangestellt ist – und seit Oktober in Kurzarbeit.

Die NRW-Soforthilfe im Frühjahr gab es noch, für den „Neustart Kultur“ fehlte dem Nur-Musik-Projekt die zweite Sparte, die aktuellen Überbrückungshilfen können nur Steuerberater und Wirtschaftsprüfer für ihre Klienten beantragen, noch nicht einmal der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV), dem Spitzenverband, dem sich MoMu angeschlossen hat. „Ich habe mir drei Absagen geholt“, berichtet Hans-Dieter Klug von seinen Bemühungen, „die nehmen so ein Mandat erst gar nicht an.“

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Der Musikschule geht es nicht viel besser. Beinahe wäre sie schon im Lockdown Light geschlossen worden – dass sie dann doch arbeiten durfte, war finanziell kein Vorteil. „Die Eltern halten sich deutlich zurück“, sagt Hans-Dieter Klug. Bei der Erstattung von 75 Prozent des Vorjahres-Umsatzes wäre mehr herausgekommen. Der Zeitraum vom Frühjahr bis zu den Sommerferien sei „komplett weggefallen“, nach den Sommerferien hätte es weitergehen können, wenn denn die Anmeldezahlen stimmten – und wenn nicht immer wieder Kita-Gruppen in Quarantäne gingen.

1988 bis 2020

Hans-Dieter Klug ist jetzt 62, mit den Rockmobilen hat er mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens verbracht. Der frisch gebackene Diplom-Pädagoge wollte was mit jungen Menschen machen, mit Menschen mit Behinderung. Und mit Musik. Nicht Akkordeon, an dem er sich als Neunjähriger versuchte, sondern Bassgitarre, Pop und Rock. 1988 gründete er den Verein, 1990 ging er mit dem ersten Gelenkbus auf Tour, zu Jugendtreffs, zu den Punks, zu sozialpädagogischer Jugendarbeit, 1994 folgt die Gründung der Musikschule. Das Rockmobil erlebt Höhepunkte: den NRW-Initiativenpreis 1995 die Auszeichnung durch die Stiftung von Phil Collins im Jahr 1997, die Auszeichnung bei „Menschen und Erfolge“ 2013, im selben Jahr der Start des Theater-Musik-Tanz-Projekts „Young Stage“, bei dem MoMu die Fäden einer großen regionalen Veranstaltergemeinschaft zusammenhält, in verschiedenen Zusammensetzungen bis heute. Auch hier geht es, wie von Anfang an, um Integration.

Mobil und Musikschule

1000 Kinder und Jugendliche nutzen jährlich die Angebote des Rockmobils, ebenso viele besuchen Unterricht und Kurse der Musikschule, die auch im Auftrag der Stadt arbeitet.

1998 und 2006 gehen Bus Nummer 2 und Bus Nummer 3 an den Start. Bus Nummer 4 ist 2016 schon gekauft, wird aber nicht mehr umgebaut, zurückgegeben und durch den Truck mit Kabinenaufbau ersetzt. 2018 wird der 30-Jährige des Vereins bei Kultur Pur auf dem Giller gefeiert.

Es sei denn...

Und nun? Der Kreis Siegen-Wittgenstein, erzählt Hans-Dieter Klug, hat dem Rockmobil wie auch anderen Projekten übers Jahr geholfen, mit dem Geld, das durch den Ausfall von Kultur Pur „gespart“ wurde. „Wir sind in Gesprächen mit dem Kulturbüro.“ Wenn von dort eine Basisfinanzierung möglich würde, dann… „Wir haben ja nicht so viele Fixkosten“, sagt Hans-Dieter Klug: neben ihm ein Musiktherapeut und eine Verwaltungskraft und eben das Fahrzeug; die Lehrkräfte arbeiten freiberuflich. „Die Welt braucht das Rockmobil“, schreibt einer in die Facebook-Kommentare. „Ich bin ja nicht weg“, tröstet „Hade“, „nur das Projekt, das würde es dann nicht mehr geben.“ Nur.

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