Siegen. Diskussion „Meine Meinung ein Bollwerk“ im Siegener Bruchwerk-Theater verschenkt leider Potenzial, meint der Rezensent – kein Feuer im Gespräch.

Am Anfang steht nicht das Wort, wie es einer der bekanntesten Sätze der Bibel deklamiert. Am Anfang der Diskussion „Meine Meinung ein Bollwerk“ im Bruchwerk-Theater steht die Musik. Und zwar die von Mario Mammone, wohl Siegens bekanntester und vielseitigster Gitarrist, der auch im Verlauf des weiteren Abends mit seiner instrumentalen Kunst musikalische Pralinen verschenkt.

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WDR-Moderatorin Gaby Rosenkranz zitiert, sozusagen als Prolog, einen Satz des großen Albert Einstein: „Es ist schwieriger, eine eigene Meinung zu zertrümmern als ein Atom“. Doch der Verlauf der anschließenden Diskussion hält dieses Niveau nur in kleinen Ansätzen. Dabei ist die Gesprächsrunde durchaus vielversprechend besetzt.

Gesprächsfeuer kaum entflammbar

Aber Pierre Scherwing, Pastor der Siegener Gemeinschaft „Entschieden für Christus“, fällt vor allem ein: „Meinung ist ein komplexes Ding.“ Strafverteidiger Christoph Rühlmann wird da schon konkreter: „Meinung ist ein Werturteil.“ Und Philosophin und Religionswissenschaftlerin Ella Steinmann, Diversitätsagentin am Theater Oberhausen mit dem Ziel, die Vielfalt der Stadtgesellschaft ins Theater zu bringen, meint vor allem, die Bedeutung ihrer Workshops herausstellen zu müssen, um sich dann zum Thema Tempolimit und Mutterglück zu ergehen. Medienwissenschaftler Falk Rößler hätte viel zu sagen, wenn er sich nicht so intellektuell-abstrakt geben würde. Ergebnis der ersten Gesprächsrunde: Von den 44 Nutzern zu Beginn des Abends melden sich acht wieder ab.

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Ansonsten allzu viel Unverbindliches und verbale Nettigkeiten: „Deine Brille, sehr schick.“ Man will sich offensichtlich nicht wehtun, öffnet nicht das Visier, kommt nicht zur Sache. Und Gaby Rosenkranz versucht vergeblich, etwas Feuer ins Gespräch zu bringen. Doch das kommt nur durch Zuschauerfragen, etwa zum Thema Mainstream und etablierte Medien. Aber auch das erlischt oder wird erstickt durch endlos anmutende theoretische Statements, etwa als Pastor Scherwing seine Sympathie für Demos äußert. Warum allerdings, macht er nicht klar und hätte einen Ansatz bieten können, das Thema „Meinung als Bollwerk“ mit Inhalt zu füllen.

Vielversprechender Abend mit voraussehbarem Ausgang

Nur Rühlmann wagt den Schritt zum Konkreten. Als er aus seiner Erfahrung als Strafverteidiger die Rolle von Schöffen beleuchtet, die die Meinung des Volkes in Urteile des Gerichts einbringen und dabei genauso stimmberechtigt sind wie Berufsrichter. Oder als er von einem Richter berichtet, der in seinen Urteilen als gnadenlos galt, seit der Pensionierung ehrenamtlich Gefangene betreut und dadurch seine Meinung ändert: „Ich würde heute nicht mehr so harte Urteile fällen.“

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Fazit der Talkrunde zum Thema „Meinungsbildung“ im Bruchwerk: Was einen spannenden Abend versprach, war über weite Strecken leider eher zum Gähnen. Wie ein Fußballspiel, bei dem man schon nach fünf Minuten weiß, dass es nach 90 Minuten torlos ausgeht.

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