Siegen. Die Neue Studiobühne Siegen stellt sich mit der aktuellen Inszenierung voll auf Corona-Bedingungen ein. Zu sehen ist das Stück nur im Livestream.

Drei Frauen in Todesangst auf der Flughafentoilette. Eine vermeintliche Kofferbombe. Erleichterung – und daraus geboren eine völlig abgedrehte Idee: Ein echter Terrorsimulator, um möglichst vielen Menschen das Glücksgefühl zu bescheren, nicht gestorben zu sein. Die  hat mit „Demut vor Deinen Taten Baby“ gezielt ein Stück passend zu den Corona-Einschränkungen inszeniert. Zu sehen ist es am Freitag, 13. November, ab 20 Uhr als Live-Stream.

Von der generellen Angst- und Bedrohungsthematik einmal abgesehen: Die Pandemie-Kompatibilität des Werks von Laura Naumann liegt vor allem in anderen Aspekten begründet. Bei den ersten Überlegungen 2019 waren noch andere Stücke in der Tombola, sagt Regisseurin Jasmin Hintzke. „Wir mussten das wegen Corona aber umwerfen“, erläutert die 26-Jährige, gelernte Theaterpädagogin und derzeit mit ihrer Bachelor-Arbeit im Fach „Literatur, Kultur und Medien“ an der Universität Siegen beschäftigt. „Demut vor Deinen Taten Baby“ sei deshalb perfekt geeignet, „weil jede der drei Frauen in der Toilette in einer eigenen Kabine sitzt. Es ist ein Miteinander, ohne dass sie sich näher kommen.“

Neue Studiobühne Siegen: Vorsprechen online, Proben auf Abstand

Was auf der Bühne in Zeiten von Mindestabständen und Schutz-Trennwänden – nur dass sie in diesem Fall nicht aus Plexiglas sind – ein Vorteil ist, macht die Inszenierung nicht gerade einfacher, wie Jasmin Hintzke betont. 2019 stieß sie zur Neuen Studiobühne der Uni Siegen dazu, sie übernahm die Regieassistenz bei „Einer und eine“ von Martin Heckmanns. Jan Seithe, künstlerischer Leiter, und Sarah Seithe, Dramaturgin, hätten ihr dann für 2020 die Regie vorgeschlagen. Doch alles, was bei einer Theaterproduktion passiert, bevor etwas auf der Bühne geschieht, sei aktuell deutlich anders. Sie musste also neue Wege finden.

Schon das Vorsprechen erfolgte nicht live, sondern online. Ob jemand für eine Rolle geeignet ist, „ist schwerer einzuschätzen, wenn man Leute nur auf dem Bildschirm sieht“, sagt Jasmin Hintzke. Die Auswahl sei trotzdem gut gelungen, aus zwölf Bewerberinnen fiel die Entscheidung für Clara-Sophie Wolferseder, Paulina Brandl und Lisa Brück. Die drei hatten unterschiedlich intensive Vorerfahrungen auf der Bühne. Und die drei kannten sich nicht. Wenn dann Distanz das Gebot der Stunde ist, falle es schwerer „ein Team zu schaffen“, sagt die Regisseurin. „Es hat trotzdem gut funktioniert.“

„Demut vor Deinen Taten Baby“: Siegener Inszenierung mit Besonderheiten

Theater ist nun einmal kein Business, wo Menschen einfach auf die Bühne gehen und rein theoriegeleitet jeder für sich und irgendwie alle miteinander ihr Ding machen. Theater hat mit Körperlichkeit zu tun, mit Präsenz, mit Interaktion im und als Ensemble. Bei den Warm-ups gibt es entsprechend Übungen, bei denen die Beteiligten auch Körperkontakt aufbauen, fühlen, spüren, wahrnehmen, um ein Gefühl für sich und für die anderen zu bekommen. Das geht während einer Pandemie natürlich nicht. Jasmin Hintzke kennt als Theaterpädagogin einige Techniken, probierte einiges aus. „Es musste diesmal viel mehr über die Sprache gehen, über Reden.“

Zusätzliche Herausforderungen stellt ohnehin schon das Setting. Den Darstellerinnen steht in ihren Kabinen jeweils nur sehr wenig Fläche zur Verfügung. „Das ist interessant zu sehen, weil es viel weniger Bewegung auf der Bühne gibt“, sagt die Regisseurin. Dazu kommt, dass die drei Frauen einander nicht sehen. Jede spielt im tatsächlichen Wortsinn oft gegen die Wand. „Wir haben am Anfang ohne Bühnenbild geprobt“, sagt Jasmin Hintzke, „damit sie aufeinander reagieren konnten.“

Live-Aufführungen im Siegener Lyz entfallen – aber es gibt einen Live-Stream

Dass das Ergebnis dieser Arbeit nicht an drei Abenden im Siegener Lyz vor Live-Publikum zu erleben sein wird, „ist unglaublich schade“, räumt die 26-Jährige ein. „Wir sind alle sehr traurig. Aber als wir im April angefangen haben, haben wir das mit dem Livestream schon im Hinterkopf geplant.“ Die Online-Option musste also nicht kurzfristig organisiert werden, sondern wurde angesichts des Wissens um die Nicht-Vorhersehbarkeit der Entwicklungen immer mitgedacht. Bedauerlich sei, dass es die Live-Rückmeldungen vom Saalpublikum nicht geben wird, denn die hätte das Team gerne mitbekommen. Möglicherweise wird zumindest eine Chatfunktion eingerichtet. „Es wäre schön, wenn es da ein bisschen Feedback gibt.“

„Demut vor Deinen Taten Baby“ ist am Freitag, 13. November, live und gratis ab 20 Uhr auf neuestudiobuehne-siegen.de zu sehen.


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