Wilnsdorf/Siegen. Der Tote habe zu einer kriminellen Bande gehört, die ihn erpresst habe: Angeklagter bekräftigt Aussage vor Landgericht Siegen. Zumindest diese.

30 Stiche und Schnitte wurden bei der Obduktion gezählt, nachdem der 28-jährige Tatverdächtige am 23. April 2020 einen Bekannten auf dem Wilnsdorfer Tannenhof im Streit tötete. Die Staatsanwaltschaft hat Mord wegen Habgier angeklagt. Verteidiger Carsten Marx will das so nicht mehr stehenlassen.

Auch interessant

Sein Mandant hat davon gesprochen, erpresst worden zu sein . Der Verteidiger geht daher davon aus, dass der Anspruch des Getöteten gegen seinen Mandanten keine rechtliche Grundlage hatte, vor dem Gesetz also nicht bestehe. Daher wünscht sich der Jurist einen rechtlichen Hinweis vor den Plädoyers, dass auch eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht kommen könne. Darüber werde nachgedacht, versprechen die Richter.

Widerspruch bei Aussagen des Angeklagten bleibt ungeklärt

Psychiater Dr. Thomas Schlömer kommt zu dem Schluss, dass der Angeklagte bei der grundsätzlich gestandenen Tat weder in der Einsichts-, noch in der Steuerungsfähigkeit beschränkt war. Obwohl der Mann nach eigener Aussage bis zu acht Flaschen Bier getrunken und auch Drogen genommen hatte, reichten die später im Blut nachgewiesenen Mengen nicht für eine entsprechende Beeinträchtigung. Schlömer konnte den Angeklagten Anfang Mai im Gefängnis besuchen. Wenig später habe es noch eine Begegnung gegeben, so der Mediziner. Eine weitere Untersuchung sei aber nach Intervention des Anwalts nicht mehr möglich gewesen.

Auch interessant

Carsten Marx verhindert am Dienstag, 24. November, auch, dass sich sein Mandant zu einem Widerspruch im Gutachten äußert: Der Angeklagte hat dem Sachverständigen berichtet, ein Motorrad des späteren Opfers beschädigt zu haben, wofür er die in der Anklage genannten 20.000 Euro bezahlen sollte. Bei der Aussage im Gericht hatte er aber vortragen lassen, ein Bekannter des Geschädigten habe mit seinem Motorrad einen Unfall gehabt . Statt Ersatz zu leisten, sei ihm eine weitere Schuld von 20.000 Euro aufgehalst worden, neben den üblichen Monatszahlungen über 500 Euro.

Erfolgreicher Geschäftsmann in Russland – Probleme mit der Schwiegermutter

Der Tote, so hatte der Angeklagte dem Gutachter berichtet, sei Teil einer Bande gewesen, die schon vor 30 oder 40 Jahren in Moldawien Schutzgelder erpresst hätte. Er selbst ist 2018 nach Deutschland gekommen, auf Einladung und mit Hilfe seines späteren Opfers. Der Angeklagte berichtet davon, in Russland verheiratet gewesen zu sein, wo er erfolgreich Grundstücke kaufte, mit Häusern bebaute und diese dann veräußerte. Er hatte Frau, Kind, Haus. Inzwischen lebten sie aber getrennt, sagt er ohne weitere Erklärung.

Auch interessant

Richterin Elfriede Dreisbach fragt nach, ob das denn ein Grund gewesen sei nach Deutschland zu kommen. „Warum haben Sie denn nicht mit ihrem erfolgreichen Geschäft weitergemacht?“ Statt Haus und Geld habe er hier auf 20 Quadratmetern gelebt, ohne vernünftige Perspektive. Der Beschuldigte bleibt vorsichtig. Es sei schwer, über diese Dinge zu sprechen. Letztlich habe es Streit wegen seiner Schwiegermutter gegeben. Seine Frau hätte diese nicht einfach aus dem Haus werfen können, also sei er gegangen. „Ich hatte einfach keine Kraft mehr“, sagt er.

Gegensätzliche Aussagen auch über den Angeklagten im Landgericht Siegen

In Moldawien sei es auch nicht besser gewesen. Mit seinem erlernten Beruf Elektriker habe er gerade einmal 100 Euro im Monat verdient. Er habe seiner kleinen Tochter ein ordentliches Bankkonto hinterlassen und sei nach Deutschland gekommen. Über Pläne und Perspektiven kann er nicht viel sagen.

Vernommen wird noch der Vermieter des Angeklagten, bei dem der nach seinem Rauswurf vom Tannenhof ein Appartement bezog. „ Siegen ist klein“, sagt der Zeuge auf die Frage, wie der Mann auf ihn gekommen sei. Jedenfalls sei der neue Mieter ruhig und unauffällig gewesen. Was im Gegensatz zu den Aussagen des Tannenhof-Verwalters steht, der den Angeklagten als Unruhestifter beschrieben hatte. Vor den Schlussvorträgen am Freitag bleibt vieles undurchsichtig

Mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus dem Siegerland gibt es hier.

Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook .