Siegen. Vor Landgericht Siegen sagen diverse Zeugen im Mordfall Tannenhof Wilnsdorf aus: Neben Polizisten auch die Witwe des Opfers, die ihren Mann fand.

Ist der Angeklagte ein kaltblütiger Mörder oder handelte er aus Verzweiflung, weil sein Opfer ihn zuvor lange gedemütigt, erpresst und sogar mit Gewalt gegen die Familie bedroht hat? Diese Frage stellt sich in der Verhandlung vor dem Landgericht Siegen gegen den Mann aus Moldawien, der am 23. April 2020 auf dem Wilnsdorfer Tannenhof einen Menschen getötet hat. Der dritte Verhandlungstag bringt viele Zeugen, aber keine wirkliche Antwort.

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Einige Polizisten stützen die Aussage des Angeklagten. Er habe verzweifelt gewirkt und auch in seiner ersten Aussage vermittelt, keinen anderen Ausweg gesehen zu haben, als seinen Kontrahenten zur Rede zu stellen. Und, sollte dieser nicht mit sich reden lassen, notfalls ein Messer einzusetzen. Der erste Satz zur Polizei sei gewesen: „Ich habe abgestochen das A…loch“. Ähnliches soll er später mehrfach zufrieden grinsend gesagt, für ein Foto die Maske abgenommen und wieder gegrinst haben. Sagt eine Polizistin. Das Foto ist aber nicht in der Akte.

Polizist: Mit Motorrad vom Tatort fliehen, war unmöglich – Tank leer

„Ich bin hingefahren, um ihn zu töten“: Diesen Satz hat Verteidiger Carsten Marx bereits als falsch übersetzt gerügt. Die Dolmetscherin, eine Lehrerin aus Kreuztal, beteuert: „Das hat er mir so gesagt“. Zuerst die Aussage, er sei hingefahren, um zu reden, gleich danach aber auch dieser Satz. Fraglich ist, was der Mann gegenüber der Polizei verstanden hat. Anwalt Marx wurde hellhörig, als die Beamten schon am Tatort davon ausgingen, dass der in einem nahen Wald gefundene Verdächtige verstanden hätte, dass er keine Angaben machen muss.

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Die Polizisten bestätigen die Antwort des Angeklagten, nur schlecht Deutsch zu verstehen. Er habe alles getan, was ihm gesagt wurde, so ein Polizist, ein Kollege pflichtet bei. Der Angeklagte, der jede Seite des Protokolls unterschrieben hat, betont, ihm sei nur eine Kurzfassung vorgelesen worden. Er habe verstanden, dass er einen Anwalt hinzuziehen könnte, „aber ich hatte keinen“. Dass es daran nicht scheitern müsste, sei ihm nicht erklärt worden.

Fragwürdig ist, ob sich der 28-jährige Täter gestellt hat, indem er ein paar 100 Meter vom Tannenhof entfernt im Wald neben seinem Motorrad hockte und nicht wegfuhr. Das nicht zugelassene Fahrzeug habe er am Tag danach überprüft, berichtet ein Polizist: „Es sprang nicht an.“ Der Tank sei leer gewesen.

Kollege des Opfers: „Dann schloss er die Augen und ist gestorben“

Die Tat selbst hat niemand beobachtet. Das Opfer war laut dessen Frau und einiger Freunde mit einem Kollegen von der Arbeit gekommen, nach dem Essen wieder gegangen. Als der Kollege wenig später auch vor die Tür ging, hörte er vom nahen Parkplatz eine Stimme: „Ich habe doch zwei Kinder“. Der Kollege versuchte, seinen Freund zu finden, lief dann mit einem weiteren Bekannten und der Ehefrau zum Parkplatz. Dort sahen sie im Dunkeln jemanden weglaufen und fanden das Opfer auf dem Boden. „Der Idiot, der hat mich abgestochen“, soll der 43-Jährige noch gesagt und um ein Glas Wasser gebeten haben. „Dann schloss er die Augen und ist gestorben“, formuliert ein Zeuge.

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Alle sagen, den Angeklagten nicht zu kennen, hätten gehört, dass er auch einmal auf dem Tannenhof gelebt habe. Die Witwe habe ihn 2019 einmal beim Einkaufen mit ihrem Mann getroffen und gegrüßt. Nachfragen auf die Beschuldigungen, der Tote sei Teil eines kriminellen Schleuser- und Erpresserringes gewesen, führen zu nichts. „Das ist falsch“, so die Witwe, ihr Mann habe keine Geheimnisse gehabt.

Kriminelle Bande? Verteidiger sieht „mauernde Zeugen“

Der Verwalter des Tannenhofs, ein Unternehmer aus Hessen, kümmert sich für einen Landsmann aus Russland um das seit einer Razzia 2018 leerstehende Haus. Das Opfer hat dort seit August 2019 gelebt und für ihn als Lkw-Fahrer gearbeitet. Was er in seiner Freizeit getrieben habe, wisse er nicht. Den Angeklagten kennt er aus dem Jahr 2018, als der ebenfalls ein paar Monate auf dem Hof wohnte. Seit dem Einzug habe es jedes Wochenende Unruhe und Schlägereien im Haus gegeben, ständige Beschwerden. Als der Mann dann ohne zu fragen sein Auto fuhr und in den Graben fuhr, „wollte ich ihn nicht mehr sehen“. Er schmiss ihn raus. Zur Version des Angeklagten kann der Zeuge nichts sagen.

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Das Gefühl von Carsten Marx: Alle Zeugen mauern, wenn es um die merkwürdige „Arbeitsvermittlung“, die kriminelle Bande, gehe. Der Hausverwalter habe auf seine Frage „förmlich vibriert und nach Luft geschnappt“, beobachtete der Verteidiger. Am 24. November geht es weiter.

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