Siegen. Wertschätzung der Beschäftigten sei das Zauberwort, sagt der Siegener Personalberater Detlef Ochel: Wegen einem guten Gehalt bewirbt sich niemand

Das Rennen um Fachkräfte ist längst eröffnet. Der Personalmangel hat in vielen Branchen bereits heute den Effekt, dass sich Unternehmen um die Arbeitgeber „bewerben“ – nicht mehr andersherum, wie es viele Jahrzehnte war. Und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen, ist der Siegener Personalberater Detlef Ochel überzeugt.

Auch interessant

Sinnhaftigkeit des Berufs, Ziele des Unternehmens, Verhältnis von Arbeits- und Freizeit spielen bei vielen gut qualifizierten Arbeitnehmern eine immer größere Rolle. Die Betriebe seien zunehmend gefragt, sich als Arbeitgebermarke am Arbeitsmarkt zu positionieren: „Die Unternehmen lernen gerade erst, dass sich ihre Verhandlungsposition abschwächt.“

Der Personalberater in Siegen: Detlef Ochel

Vor 20 Jahren, im September 2000, machte sich Detlef Ochel selbstständig. Ende der 90er Jahre war die Gesetzeslage reformiert worden, bis dahin hatten die Arbeitsämter die Vermittlungshoheit. Die „privaten Arbeitsvermittler“, wie es im Amtsdeutsch hieß, etablierten sich. Ein furchtbarer Begriff, findet Detlef Ochel, der seiner Tätigkeit auch nicht gerecht werde: „Wir helfen unseren Kunden, den fachlich und persönlich richtigen Menschen zu bekommen – und wir helfen Bewerbern auf ihrem Karriereweg.“

Denn seine Agentur „ Ochel Consulting “ hat zwei Kundenbereiche: Unternehmen, die Angestellte suchen – und Arbeitnehmer, die sich nach einer neuen Stelle umsehen. „Persönlichkeiten finden und binden“: So versteht Ochel seine Arbeit, die Stelle mit dem dafür idealen Bewerber besetzen. „Wir müssen zwei Seiten betrachten“, sagt Ochel: „Wo bekommen wir die Arbeit her und welche Unternehmen suchen Mitarbeiter?“ Und: Die Kollegen, das Team nicht vergessen. „Das wird oft sträflich vernachlässigt.“

Beide Kundenkreise sollen einen Mehrwert erhalten: Jedes Stellenangebot auf der Ochel-Homepage hat ein Video, die Agentur hat einen eigenen Youtube-Kanal, die Anzeigen werden für die Sozialen Netzwerke aufbereitet.

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt – mit und ohne Corona

Corona: Die Krise traf alles und jeden unvermittelt, auch die Wirtschaft. Aufträge blieben aus, viele mussten Kosten sparen – häufig beim Marketing. Auch Detlef Ochel brachen die Aufträge ein, 20 Projekte, also Stellenbesetzungen, musste er auf Eis legen, etwa ein Viertel. Unternehmen können am Personal sparen, aber gewisse Stellen können nicht unbesetzt bleiben – etwa bei der Nachfolgeregelung in der Geschäftsführung oder im Bereich IT-Sicherheit. Die Wechselbereitschaft, weiß Ochel, sinkt in der Corona-Krise deutlich – ein sicherer Arbeitsplatz hat derzeit für die allermeisten Arbeitnehmer höchste Priorität. Entsprechend haben es Unternehmen auf Mitarbeitersuche aktuell doppelt schwer.

Auch interessant

Grundsätzlich erlebten viele Unternehmen eine massive Zurückhaltung bei Bewerbungen, hat Detlef Ochel beobachtet – gleichzeitig sei für ihn als Personalberater der Aufwand deutlich gestiegen, um überhaupt eine Bewerbung zu erhalten. Bei manchen Projekten gebe es 500 aktive Erstansprachen potenzieller Bewerber, nur um eine Bewerbung zu bekommen. „Manche sind beim dritten Kontakt erst bereit, überhaupt mit uns zu telefonieren.“ Viele seiner Unternehmenskunden „würden ohne uns ihre Bewerber nicht mal kennenlernen.“ Mal eben jemanden um den Finger wickeln und er wechselt den Job – so laufe das nicht.

Die Arbeitgeber müssen ihre Zielgruppe überhaupt erreichen

Die Zeiten, als Arbeitgeber eine Anzeige in der Zeitung schalteten, sind vorbei. „Wo erreiche ich meine Zielgruppe?“ sei die wichtigste Frage bei der Bewerbersuche, sagt Detlef Ochel – inzwischen auf dem Smartphone. Zwei Drittel der Stellengesuche würden über mobile Endgeräte angeschaut, so der Arbeitsmarktexperte. Also müsse sich ein Unternehmen, müsse sich auch Ochel Consulting so aufstellen, „dass man das findet. Die Leute googeln nach Jobs. Das müssen wir uns zu Nutze machen.“

Drei essenzielle Komponenten gebe es für Stellenanzeigen im Netz: Das Unternehmen be- und umschreiben, die direkte Info über die Firma. Dann die Aufgabenbeschreibung: so ausgearbeitet, dass Interessenten das Stellenangebot finden, „der Knochen muss dem Hund schmecken“. Und schließlich: Die „Benefits“, die Vorteile, die ein Bewerber von genau diesem Job hat.

Auch interessant

Was können Arbeitgeber also tun, um interessant für Bewerber zu sein? Zur Zeit spielt Sicherheit eine große Rolle. Wer also eine Probezeit oder zunächst befristetes Arbeitsverhältnis verlangt, hat schlechte Karten, sagt Ochel. „Alles kann stimmen – Geld, Perspektiven, Entfernung – aber eine Befristung kann zum Rückzieher führen.“

Er rät seinen Unternehmenskunden zu einer langfristigen Personalentwicklungsplanung – Altersstrukturanalyse: Wer geht wann in den Ruhestand, wie kann man bis dahin dafür sorgen, dass dem Unternehmen Wissen und Erfahrung gerade älterer Mitarbeiter nicht verloren geht? Stichwort Wissenstransfer. Denn auch ältere Beschäftigte würden zunehmend loslassen, lieber früher in den Ruhestand gehen und dafür das Mehr an freier Zeit genießen.

Rat: Unternehmen sollten aus Überzeugung an Unternehmenskultur arbeiten

Kommunikation auf Augenhöhe und Wertschätzung seien enorm wichtig, wenn es um anwerben und halten von Mitarbeitern gehe, sagt Ochel, „der Personalbereich wird in vielen Unternehmen genauso stiefmütterlich behandelt wie IT-Sicherheit und Datenschutz.“ Unternehmen könnten sich „ein Bein ausreißen, wenn die Attraktivität des Arbeitsumfelds nicht stimmt.“

„Wirtschaftsmigration ist eine Bereicherung“

Der demografische Wandel sei ein unaufhaltsamer Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung, sagt Detlef Ochel: „Ohne gezielte Rekrutierung und Zuwanderung aus dem Ausland wird es nicht funktionieren.“ In immer mehr Branchen seien immer mehr Stellen unbesetzt, immer mehr qualifizierte Kräfte fehlen.

„Wirtschaftsmigration ist eine Bereicherung“, so Ochels Überzeugung – es gelte schnell zu handeln. „Sonst reisen potenzielle Arbeitnehmer durch, in Skandinavien herrscht eine ganz andere Willkommenskultur .“

Langfristig am wirksamsten sei es, eine Unternehmenskultur zu etablieren und nach außen zu leben – authentisch und aus Überzeugung, sagt der Personalberater. „Wie stehen Mitarbeiter zum Unternehmen?“ Denn die Beschäftigten seien äußerst wichtige Multiplikatoren bei der Nachwuchssuche. „Sie empfehlen ihre eigene Firma doch nur, wenn sie wirklich überzeugt davon sind.“ Das gehe nicht von jetzt auf gleich, „das muss man sich erarbeiten“. Wertschätzung sei das Zauberwort für die Zukunft, die Belegschaft nicht als Verfügungsmasse die irgendwo in den Büchern auftaucht. Ein Unternehmen sei wie ein lebendiges Konstrukt, „da läuft nicht immer alles rund“ – aber wenn ein Betrieb in der Gesamtschau die Leute anziehe, „dann hat er etwas richtig gemacht.“

Ochels Appell: jetzt am Unternehmen arbeiten. Jetzt, wo viele Unternehmen in der Krise etwas Luft haben, den Laden auf Vordermann bringen, „jetzt ist die ideale Zeit, Beschäftigte zu qualifizieren, Wissenstransfer anzugehen, Wertschätzung zu etablieren.“ Bei der Mehrheit der Unternehmen sei es aber vielmehr leider so, dass die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt seien

Arbeitnehmer suchen nach Sinnhaftigkeit ihrer Beschäftigung

Der Sinn einer Tätigkeit stehe bei den jüngeren Arbeitnehmern mit an oberster Stelle, sagt Detlef Ochel. Das gehe bis hin zum Geschäftszweck des Unternehmens. Modernität, Funktionalität, Nachhaltigkeit seien weitere wichtige Faktoren, um für Nachwuchskräfte interessant zu sein – ein angemessenes Gehalt werde vorausgesetzt und spiele inzwischen eine weniger wichtige Rolle als etwa Flexibilität bei den Arbeitszeiten oder ausreichend Freizeit. Stichwort „Work-Life-Balance“. Und das betreffe längst nicht nur die Ingenieure. „Das geht bis zur Maschine runter“, sagt Detlef Ochel, der mit „runter“ in keiner Weise Facharbeitertätigkeiten abwerten möchte.

Auch interessant

Im Gegenteil. „Es gibt heute fast keinen Beruf mehr, in dem man keine Computerkenntnisse braucht.“ Aber es betreffe eher die jüngeren – die sind wechselwilliger, hungriger, wollen noch Karriere machen. „Die Älteren bleiben“, sagt Ochel. „Von einem zufriedenen 57-Jährigen hat ein Unternehmen noch lange was.“ Es sei andererseits keineswegs so, dass Arbeitnehmer sich künftig auf die faule Haut legen und von Firmen umschmeicheln lassen könnten. „Es ist ein Geben und Nehmen“, sagt Ochel. „Man kann erwarten, dass die Leistung entsprechend der Vergütung erbracht wird. Nur kuscheln und betteln kann’s nicht sein.“

Kontakt und Infos: www.ochel-consulting.de .

Mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus dem Siegerland gibt es hier.

Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook .