Siegen. Jakob Martschenko hat in Siegen die Kryptonauten gegründet. Er möchte Wissen auf diesem Gebiet vermitteln – und das System ändern.

Geld und Arbeit gehören unweigerlich zusammen. Menschen gehen für ihren Lohn arbeiten und Unternehmen müssen Geld erwirtschaften, um ihre Angestellten zu bezahlen und Innovationen voranzutreiben. Veränderungen im Bereich des Geldes haben also einen großen Einfluss auf den Arbeitsmarkt.

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Kryptowährungen – und die dahinter steckende Technologie – könnten die größte Veränderung seit der Erfindung des Geldes sein. „Sie sind eine Möglichkeit, aus dem System auszubrechen“, sagt der Siegener Jakob Martschenko. Sie könnten gleiche Bedingungen für alle schaffen, Korruption überwinden und eine nachhaltigere Wirtschaft ermöglichen, ist der Gründer überzeugt. „Viele verstehen nicht, welche Revolution im Hintergrund läuft“, sagt der 28-Jährige. „Jeder ist frei mitzumachen, keiner kann ausgeschlossen werden.“ Dafür müssen die Menschen die Kryptowährungen aber erst einmal verstehen. Das möchte Martschenko mit seinem Unternehmen „Kyptonauten“ erreichen.

Anfänge in der Kryptoszene in Siegen

Das Interesse an Kryptowährungen begann für Jakob Martschenko mit einem privaten Investment in Bitcoins. In kurzer Zeit machte er mit geringem Einsatz große Gewinne. Dabei fiel ihm auf, dass die Kryptowährung in den Medien eher einen schlechten Ruf genoss, auf Veranstaltungen der Szene bekam er jedoch einen ganz anderen Eindruck. Bei den Treffen tummelten sich „normale Leute“, erzählt Martschenko, die zum großen Teil klug und vernünftig auf ihn wirkten.

Um die komplexe Technologie zu verstehen und eine Chance zu haben, auch auf regionale Besonderheiten der internationalen Märkte reagieren zu können, bedienten sich die Menschen in der Szene der Schwarmintelligenz. „Jeder weiß irgendwas, was ein anderer nicht weiß“, sagt Martschenko. Zum Austausch nutzten sie zum Beispiel bekannte Messenger-Dienste, einige besonders engagierte „Kryptonauten“ – damals schon ein gängiges Wort in der Szene – selektierten die Informationen und bereiteten sie für Interessierte auf.

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Das Potenzial der Technologie und die starke Community faszinierten Jakob Martschenko, der sich früher bei der Piratenpartei und heute bei „Volt“ engagiert. „Da mache ich was draus“, sagte sich der BWL-Student und gründete die „KryptoNauten UG“. Den Namen ließ er sich anwaltlich schützen. „Das war eine richtig entscheidende Handlung“, erinnert sich Martschenko denn nahezu zeitgleich gründete jemand die Kryptonauten GmbH. Das bestätigte ihn jedoch nur darin, auf dem richtigen Weg zu sein.

Martschenko erklärt das Potenzial der Kryptowährungen mithilfe eines Beispiels. Ein armer Mensch in Afrika hat eine gute Geschäftsidee, aber noch nicht einmal ein Bankkonto. Dank der neuen Blockchain-Technologie könnte er sich aber theoretisch trotzdem über sogenannte Tokens Investoren suchen und seine Idee verwirklichen. Voraussetzung wäre logischerweise nur der Zugang zum Internet. Zumindest von einer vom Staat regulierten Währung und den Banken wäre er aber unabhängig.

Kryptowährungen und Blockchain-Technologie

Blockchain heißt übersetzt „Blockkette“ – gemeint ist eine Kette aus digitalen Zetteln, auf denen die Einzelheiten von Transaktionen verzeichnet sind. Der „digitale Kontoauszug“ kann von jedem Mitglied des Netzwerks eingesehen werden und sorgt daher für eine lückenlose Transparenz. Dadurch, dass die einzelnen Blöcke verschlüsselt werden und in chronologischer Reihenfolge an die Kette angeheftet werden, gelten sie als absolut fälschungssicher.

Kryptowährungen wie Bitcoin basieren auf dieser Technologie. Die Coins werden durch einzigartige kryptographische Schlüssel repräsentiert, die durch die Blockchain gleichzeitig entstehen und gesichert werden. Die Wertermittlung der Coins funktioniert ähnlich wie an der Börse. Je mehr Menschen Coins durch das zur Verfügung stellen von Rechenkapazität schaffen („minen“), desto sicherer ist das System. „Die Sicherheit ist an die Gier gekoppelt, das ist das Geniale“, erklärt Martschenko.

Die Bitcoins sind die bekannteste Kryptowährung, es gibt aber zahlreiche weitere und die Blockchain-Technologie bietet Chancen für viele weitere interessante Anwendungen. „Transparent und dezentral“ – Diese beiden Worte benutzt Jakob Martschenko immer wieder, um die Vorteile von Kryptowährungen zu beschreiben. Nichts weniger als „die Korruption aus der Welt schaffen“ könnten sie in Verbindung mit der dahinter stehenden Technologie.

Auch das verdeutlicht Martschenko mit einem Beispiel aus der Praxis: „In Venezuela hat Bitcoin Leben gerettet.“ Die Währung des Landes leidet unter einer hohen Inflation, die Regierung kontrolliert die Banken, Bargeld, das per Brief oder persönlich über die Grenze gebracht wird, wird vom Militär konfisziert. Bitcoin ermöglicht es Menschen, Geld an ihre Familien zu schicken, ohne dass der Staat eingreifen kann. Trotz der schwachen Wirtschaftskraft des Landes ist Venezuela ein verhältnismäßig großer Markt für Bitcoin-Plattformen, ähnliche Beispiele gibt es auch in anderen Ländern. Kryptowährungen sind eine „dezentrale Garantie, dass deine Regierung keine Scheiße baut“, sagt Jakob Martschenko.

NRW-Gründerstipendium für Startup aus Siegen

Mit seinem Unternehmen möchte der Siegener Wissen auf diesem Gebiet möglichst einfach vermitteln, unter anderem mit einer App. Die Idee ist einfach, aber gut – und brachte ihm das NRW-Gründerstipendium ein. „Ich hatte selber Lust auf diese App“, erinnert sich Martschenko. Der Informatikstudent Mohammed Azfar Usman Kahn und der Medienwissenschaftsstudent Janik Moos unterstützen den Gründer und bildeten das Kern-Team der Kryptonauten.

Kahn stammt aus Pakistan. Sein Visum erlaubt es ihm nicht, länger als 20 Stunden in der Woche zu arbeiten – Das NRW-Gründerstipendium ist jedoch auf Vollzeit ausgelegt. Ein halbes Jahr lang versuchte das junge Team, diese Hürde zu umgehen „Vom Bürgermeister bis zur Landesregierung“ suchten die Kryptonauten Hilfe und bekamen auch viel Unterstützung. „Das Ausländergesetz hätte geändert werden müssen“, erinnert sich Martschenko an das Ergebnis der Bemühungen, die aber letztlich ergebnislos blieben. Davon ließen sich die Kryptonauten jedoch nicht entmutigen, arbeiteten weiter und teilten die zwei verbliebenen Stipendien durch drei.

Drei Projekte verfolgen die Kryptonauten: Die App soll den Nutzern grundlegende Informationen bieten. Darüber hinaus kann sich die Community darüber auszutauschen. Auch ein Überblick über den Markt und die Möglichkeit, zu investieren, bietet die App für fortgeschrittene Nutzer. Auch auf weiteren Kanälen wie Youtube informieren die Kryptonauten zum Beispiel mit Erklärvideos.

Corona verhindert Krypto-Konferenz

Ein weiteres Standbein der Kryptonauten ist die „crypto-rockstars-Konferenz“. Dieses Format gab es bereits vor dem Siegener Startup, doch die Veranstalter führten die Reihe nicht fort Martschenko sicherte sich die Rechte. „Was wir in unserer Blase kochen ist schön und gut“, sagt Martschenko. Mit der Konferenz verfolgt er das Ziel, „die Kryptoindustrie mit der ‚normalen‘ Industrie und Politik zu vernetzen.“ Beim ersten Event der Kryptonauten sollte es um eine „Social Coin“ gehen, gemietet wurde ein Binnenschiff in Köln für 1000 Gäste, die Oberbürgermeisterin sagte als Schirmherrin zu. Der Vorverkauf für die im Mai geplante Konferenz lief gut an, das Unternehmen generierte zum ersten Mal Einnahmen. Ausgerechnet mit einer Veranstaltung, denn diese fiel wegen Corona aus.

Unseriöse Anbieter und kriminelle Nutzung

Kryptowährungen bieten jedoch auch einige Risiken und Nachteile. Finanzexperten warnen regelmäßig vor unseriösen Anbietern und der kriminellen Nutzung der virtuellen Währungen. Als Zahlungsmittel werden Bitcoin und Co außerdem bisher nur sehr selten akzeptiert.

Auch an diesen Punkten möchte Jakob Martschenko mit den Kryptonauten ansetzen. Die Schwarmintelligenz soll dabei helfen, bei den zahlreichen Währungen die Spreu vom Weizen zu trennen und durch die Aufklärungsarbeit soll das Vertrauen in Kryptowährungen gestärkt werden.

Mit der DLT-Akademie möchten die Kryptonauten schließlich selbst Blockchain-Entwickler ausbilden, die eigene Projekte erarbeiten können und die wachsende Nachfrage stillen. Blockchain Development sei bei Linked-In bereits der meistgesuchte Soft Skill, erzählt Martschenko. „Es fehlt überall an Know-How“ – was sich natürlich auch auf die Preise auswirkt – „Viele Siegerländer Unternehmen könnten sich Consulting in diesem Bereich überhaupt nicht leisten.“ Blockchain sei auf dem Arbeitsmarkt die „nächste große Sphäre“, die man in Deutschland keinesfalls so verpassen dürfe wie beispielsweise die Digitalisierung.

Mit einem dritten Beispiel verdeutlicht Martschenko, welche konkreten Auswirkungen die Technologie auf Unternehmen und das System haben könnte. „Weniger Gewinn, aber mehr mitbestimmen“, fasst er den Grundgedanken zusammen. Auch sein eigenes Unternehmen würde er gerne als eine „dezentrale Genossenschaft“ führen, rechtlich sei das aktuell noch schwierig in Deutschland. „Wenn 60 Prozent sagen: du machst einen schlechten Job, dann muss ich eben gehen“, sagt Martschenko mit einem Lächeln und führt noch ein weniger dramatisches Beispiel für das demokratische Mitspracherecht der Anteilseigner an. Wenn die Mehrheit der Facebook-Nutzer zum Beispiel dagegen sei, das ein moralisch fragwürdiges Unternehmen Werbung schaltet, dann müsse dieser Wunsch auch respektiert werden.

Siegener will System verändern

Ein neues System werde nach der Rezession sowieso nötig sein, sagt Jakob Martschenko. „Nachhaltigkeit und Steuereinnahmen sind ein Zielkonflikt.“ Das sei nicht einmal per se schlecht oder gut, „unser System ist einfach so“, sagt der Gründer. Wachstumskritische Maßnahmen lasse es gar nicht erst zu, deshalb „müssen wir das System ändern“.

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