Siegen. Im Corona-Tagebuch wollen wir die Coronakrise und Lockdown-Folgen nah aus der Perspektive der Betroffenen in Siegen und Umgebung beleuchten.

Stephan Klenzmann, 45, ist gelernter Industriemeister mit Fortbildung zur Sicherheitsfachkraft. Seit 14 Jahren ist er Betriebsrat bei der SMS Group in Hilchenbach , 12 davon freigestellt. Ihm fehlt in der Coronakrise vor allem der persönliche Kontakt zu den Kollegen.

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„Bei der SMS ist Corona erstmals im Januar aufgeschlagen – wir hatten auch Mitarbeiter in Wuhan. Es wurde direkt ein Krisenstab ins Leben gerufen. Als die Zahlen in Wuhan dann rapide stiegen, mussten wir den Kollegen vor Ort helfen und ermöglichten es ihnen, zurück zu reisen. Hier mussten Schutzmaßnahmen für sie und ihre Familien getroffen werden.

Kelnzmann: Wir können kein Stimmungsbild einholen

Im März erreichte Corona dann Deutschland und auch Siegen. Wir haben eine sehr gute Arbeitsschutzorganisation bei der SMS , die Arbeitsgruppe traf sich zwischenzeitlich täglich, bis heute kommen wir wöchentlich zusammen. Das Unternehmen hat schon sehr früh sehr unmittelbar auf Entwicklungen in Deutschland und auf der ganzen Welt reagiert, um die Kolleginnen und Kollegen zu schützen. Wir bekamen dafür viel Lob, wie SMS mit Corona umgegangen ist.

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Als Betriebsrat sind meine Dienstreisen bis heute komplett eingestellt. Normalerweise fahren wir regelmäßig zu längeren auswärtigen Terminen. Viel mehr aber trifft mich, dass wir nicht so eng mit der Belegschaft kommunizieren, Stimmungsbilder einholen können. Das fehlt sehr stark. Wir durften eine Zeit lang nicht in die Produktion gehen, weil wir einen sehr großen US-Auftrag hatten – hätte es da eine Infektion gegeben, hätten wir wirklich Probleme kriegen können. Ich komme aus der Produktion und bin sowieso schon wenig da, weil ich mich als Betriebsrat um die Kolleginnen und Kollegen kümmere.

Die Mitarbeiter haben viele Fragen

Gerade in letzter Zeit gibt es immer mehr Ängste, wie es weitergeht, was mit dem Unternehmen passiert, die Kolleginnen und Kollegen haben viele Fragen. Die Betriebsversammlungen sind uns weggebrochen. Nach der ersten kurzfristigen Absage im Frühjahr hatten wir auf den Sommer gehofft, aber wir können unmöglich 1000 Leute in einer Werkshalle versammeln. Wir haben stattdessen einen Podcast professionell aufgenommen und überall abspielen lassen, damit die Leute hören können, was der Betriebsrat gerade macht. In den Büros hat jeder einen PC, für die Produktion haben wir Videos produziert, die in den Pausenräumen auf Dauerschleife liefen.

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Wir planen gerade eine Live-Schalte, in der der Gesamtbetriebsrat und vielleicht auch die Geschäftsführung zu den Kolleginnen und Kollegen sprechen kann, die Belegschaft kann über ein Fragetool Rückmeldungen geben. Wir trauen uns das technisch zu, wir wollen wieder den direkten Kontakt bekommen. Auch Social-Media-Kanäle wollen wir aufbauen. Das soll die klassischen Wege wie Aushänge nicht ersetzen, aber so erreichen wir eben auch Kolleginnen und Kollegen. Wobei viele da vorsichtig sind und ihre Daten nicht rausgeben wollen. Man braucht aber keine Telefonnummer anzugeben, es läuft über einen QR-Code. Die Ängste sind trotzdem da.

Betriebsrat zeitweise ins Homeoffice verlegt

Auch innerhalb des Betriebsrats ist die rein digitale Arbeit schwierig. Es gibt etwa gemeinsame Ausschüsse mit dem Arbeitgeber – da ist zum Beispiel die Mimik total wichtig, man bekommt nicht richtig Feedback. Die Leute haben oft das Gefühl, vor eine Wand zu reden. Bei Streitthemen, Diskussionen fehlt das noch mehr: In Verhandlungen ist es wichtig zu sehen, wie das Gegenüber reagiert. Wir probieren es hybrid: Drei statt sieben Betriebsräte im Sitzungsraum mit drei Arbeitgebervertretern, die anderen digital zugeschaltet. Es gibt Termine, für die man digitale Medien gut nutzen kann, aber wir wollen uns auch weiter persönlich begegnen.

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Wenn wir eine 2000er Belegschaft vertreten wollen, können wir das nur, wenn wir die Stimmung einfangen können. Unsere wichtigsten Betriebsratswerkzeuge sind Betriebsversammlungen und Kommunikation. Auch wir fünf freigestellte Betriebsräte haben Angst: Wenn sich einer von uns mit dem Coronavirus infiziert, dass dann direkt unser ganzes Team für einen längeren Zeitraum wegbricht. Also arbeiten auch wir schichtweise im Homeoffice. Jetzt wo sich die Lage zuspitzt, steigen auch die Ängste. Kommunikation wird immer wichtiger. Aber die Zahlen steigen.“

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