Weidenau. Vertrag von Medienwissenschaftler Dr. Andreas Rauscher mit der Universität Siegen wurde nicht verlängert – das Wissenschaftszeitvertragsgesetz.
Seit 2014 war Dr. Andreas Rauscher Privatdozent für Medienwissenschaften an der Uni Siegen. Nach sechs Jahren, in denen er unter anderem Filmwissenschaften und Game Studies (Videospiele, Red.) unterrichtete, verlässt er Siegen, nachdem sein im September ausgelaufener Vertrag nicht verlängert wurde. Im Interview spricht Rauscher über seine Zeit in Siegen, neue Möglichkeiten durch digitale Lehre und die Entwicklung der Medienwissenschaften.
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Sie sind 2014 nach Siegen gekommen. Was führte Sie her?
Andreas Rauscher: Ich war vorher an der Universität Mainz als Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, die ich nach sechs Jahren aufgrund des Wissenschaftszeitvertragsgesetz verlassen musste. Das bedeutet, dass man Stellen im Mittelbau nur für eine bestimmte Zeit belegen darf. Das wurde eigentlich anfangs mal als eine Änderung eingeführt, die erreichen sollte, dass nach sechs bzw. zwölf Jahren die Leute dauerhaft angestellt, also entfristet werden. Das passiert aber in den meisten Fällen nicht, stattdessen werden alle sechs bis zwölf Jahre die Leute vor die Tür gesetzt. Und dann ergab es sich, dass gerade in Siegen eine Ratsstelle für Medienästhetik ausgeschrieben war. Ich hatte ohnehin schon lange die Aktivitäten an der Universität Siegen, gerade im Games-Bereich, mit Interesse verfolgt. Und ich wusste von meinem Freund und Kollegen Marcus Stiglegger, der zuvor auf der Stelle war, dass dort einige sehr spannende Sachen in Richtung Film, Medienkulturwissenschaft und Games laufen, von daher war das für mich eine interessante Option.
Wie haben sich die Medienwissenschaften an der Uni Siegen während Ihrer Zeit hier entwickelt?
In der Medienwissenschaft hat sich hier einiges an ganz neuen spannenden Perspektiven ergeben. Allerdings habe ich schon den Eindruck, dass es wichtig ist, dass man die medienästhetische Perspektive auch wieder stärker berücksichtigt. Denn eigentlich waren filmwissenschaftliche Ansätze Teil von einer allgemeineren Auseinandersetzung, mit bildtheoretischen Fragestellungen und medienästhetischen Themen, und immer eine wichtige Stütze der Siegener Medienwissenschaft. Und da habe ich jetzt eigentlich schon mit der Einsparung von meiner Stelle ein bisschen das Gefühl, dass das mehr und mehr verkürzt wird. Das ist angesichts der Themen, die man jetzt zu diskutieren hat, schon eher etwas problematisch. Gerade auch, weil ja sehr reges Interesse an den Filmen und Serien-bezogenen Themen oder auch an Games vorhanden ist.
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Das Sommersemester hat größtenteils digital stattgefunden. Wie haben Sie das im Vergleich zu einem normalen Semester erlebt?
Ich war doch positiv überrascht. Also die digitale Lehre klappte weitaus besser, als ich dies erwartet hatte. Was ich spannend fand, war die Möglichkeit, dass man über die Chat-Funktion bei Zoom auch immer Links teilen konnte, beispielsweise zu einem interessanten Clip oder einem Text. Allerdings muss ich sagen, dass es schon den Vorteil hatte, dass ich viele der Studierenden bereits aus vergangenen Semestern kannte und dadurch kam man auch relativ schnell ins Gespräch. Ich denke, wenn man sich neu kennenlernt, geht einiges von der Präsenzlehre verloren.
Also wäre es sinnvoll, Veranstaltungen auch nach Corona teilweise digital stattfinden zu lassen?
Ja, ich denke schon. Das eröffnet wirklich eine Menge an neuen Möglichkeiten. Einerseits ist die Präsenz entscheidend, also das persönliche Austauschen. Das ist unersetzbar. Aber dennoch sollte man die Chance nicht verpassen, dass man die neuen Möglichkeiten nutzt und ich glaube es ist überfällig, dass man die Formate weiterentwickelt. Das wird nicht die Präsenzlehre ersetzen, aber es ist schon etwas, was neue Möglichkeiten ergibt. Was ich zum Beispiel in den Game Studies toll fand: Einige der internationalen Kolleginnen und Kollegen hatten angeboten, dass sie per Liveschaltung in den Seminaren kurz Input geben, und das ist eine Möglichkeit, die sehr bereichernd ist, weil man die Leute sonst teilweise mit großem Aufwand erst extra anreisen lassen müsste. Jetzt mit diesen Möglichkeiten kann man einfach per Konferenzschaltung ohne Weiteres eine Diskussionsrunde machen und die Kollegen dazuschalten. Also da gibt es teilweise schon eine nicht ganz so gerechtfertigte Skepsis gegenüber dem Digitalen.
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Wie haben Sie die Zeit hier in Siegen und insbesondere an der Universität erlebt?
Die empfand ich als ausgesprochen bereichernd. Es war ein äußerst produktives Umfeld und es sind verschiedene Publikationen in dieser Zeit entstanden, wie auch eine Game-Studies-Einführung, an der viele Siegener Kolleginnen und Kollegen beteiligt waren. Es war auch äußerst motivierend zu sehen, wie viel dann doch an Filmkultur in Siegen möglich ist. Beispielsweise der Sciene-Fiction-Film „Das letzte Land“, der von meinem Kollegen Marcel Barion gedreht und für verschiedene Internationale Film-Festivals nominiert wurde.
Nach sechs Jahren werden Sie Siegen nun verlassen. Was sind die Hintergründe für Ihren Abschied?
Das Problem ist wohl einfach, dass die Stelle eingespart wurde. Ich wäre gerne in Siegen geblieben, aber das ist, denke ich, aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Nach einer bestimmten Zeit im Mittelbau muss die Stelle entweder entfristet werden oder sie läuft aus. Und das bedauerlicherweise unabhängig von den guten Erfahrungen, die man hier gemacht hat, und unabhängig vom Anklang, die die Themen und Seminare fanden.
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Was sind Ihre persönlichen Pläne für die Zukunft?
Ich bin aktuell dabei, wieder eine neue Uni oder Hochschule zu finden. Derzeit laufen verschiedene Bewerbungsverfahren und Verhandlungen. Parallel dazu werde ich jetzt die Zeit nutzen, um verschiedene liegengebliebene Buchprojekte abzuschließen, wie ein David-Lynch-Buch, das jetzt innerhalb der nächsten Wochen realisiert wird. Außerdem habe ich auch eine eigene Reihe zu Games Studies beim Springer Verlag in Wiesbaden initiiert. Im nächsten Jahr wird ein Band zur Videospielanalyse erscheinen, den wir jetzt gerade vorbereiten.
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