Siegen-Wittgenstein. Bei einer Coronainfektion in der Kita oder Schule müssen auch nicht kranke Kinder zuhause bleiben – und berufstätige Eltern müssen sie betreuen.
Wenn wegen Coronafällen die Kitagruppe oder Schule geschlossen wird, müssen auch die nicht kranken Kinder in Quarantäne und im Zweifel betreut werden. Gerade für Alleinerziehende oder berufstätige Elternpaare kann das zum Problem werden – nach wie vor steigen Infektionszahlen, viele haben nur noch wenig oder keinen Resturlaub. Die Krankenkassen, die normalerweise das Kinderkrankengeld übernehmen, sind nicht zuständig – die Kinder sind ja auch nicht krank, sondern in Quarantäne .
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Normalerweise: krank
Wenn ein Kind krank wird und die Eltern deshalb zuhause bleiben müssen, übernimmt die Krankenkasse für Kinder bis 12 Jahre pro Kind und Jahr für zehn Tage die Lohnfortzahlung – bis zu 90 Prozent des ausgefallenen Nettoverdienstes. Davon werden Rente-, Pflege- und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen. Das gilt für jedes Elternteil, bei beiden berufstätigen Eltern verdoppelt es sich.
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Diese Regelung wurde bereits erweitert: Pro Kind und Elternteil übernehmen die Krankenkassen das Kinderkrankengeld für 15 Tage, erläutert Dirk Heppe, Leiter Kundenberatung der DAK Gesundheit in Siegen . Für ein Kind stehen bei zwei berufstätigen Elternteilen also 30 Tage Kinderkrankengeld zur Verfügung, erklärt Thomas Mehlin, Rechtssekretär bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im Bezirk Südwestfalen . Bei zwei Kindern wären es damit maximal 60 Tage.
In Corona-Zeiten: Quarantäne
Muss das Kreisgesundheitsamt allerdings beispielsweise eine Kita-Gruppe aufgrund einer bestätigten Corona -Infektion schließen, greift die Krankentagegeld-Regelung nur für das infizierte Kind. Dessen Eltern als Kontaktpersonen müssen ja ohnehin auch zuhause bleiben. Aber alle anderen Kinder, die potenziell nicht infiziert sind, sind nicht krank, sagt Thomas Mehlin. In die Kita können sie aber auch nicht.
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Dann greift §56 des Infektionsschutzgesetzes: Erwerbstätige Personen, die keine andere Möglichkeit haben, ihr Kind betreuen zu lassen, können eine Entschädigung erhalten für den durch die Betreuung bedingten Verdienstausfall, für längstens sechs Wochen, wie Dirk Heppe von der DAK-Gesundheit betont – zunächst müssen die Eltern „alle zumutbaren Anstrengungen“ unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen, heißt es vom Bundesarbeitsministerium.
Verfügung des Kreises Siegen-Wittgenstein genügt
Eltern müssen nachweisen, dass die Einrichtung vorübergehend von einer Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen wurde – entsprechende Briefe des Gesundheitsamts bekommen die Eltern in solchen Fällen. „Die Verfügung des Kreises sollte zur Vorlage beim Arbeitgeber genügen“, so Thomas Mehlin.
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Als weitere Bedingung für eine Entschädigung muss ein Verdienstausfall vorliegen, etwa wenn Homeoffice oder andere Absprachen mit dem Arbeitgeber nicht möglich sind. Die Regelung sieht vor, dass der Arbeitgeber vorlegt und weiter den Lohn zahlt und sich das für die Tage der Quarantäne vom Staat wiederholt. Arbeitnehmer können das aber auch selbst beantragen, so der Rechtssekretär.
Derzeitige Situation in Siegen-Wittgenstein ist noch ruhig
Bislang ist die Situation noch entspannt – zumindest haben sich bislang kaum Eltern bei Krankenkasse und Gewerkschaft gemeldet, weil eine solche Situation eingetreten ist. Das kann natürlich daran liegen, dass die Möglichkeit zur Entschädigung weitgehend unbekannt ist – oder weil die Eltern bislang andere Wege gefunden haben. Mit Krankengeld, Urlaub, Überstunden und Homeoffice haben viele noch aus dem ersten Lockdown im Frühjahr Erfahrung, damals kam dazu, dass alle Kinder zuhause waren, weil die Schulen geschlossen waren.
Rechtliches
Bei den meisten Arbeitgebern sollte es keine Schwierigkeiten geben, vermutet Thomas Mehlin. Denkbar sei natürlich, dass es Probleme geben könnte – „nicht nur für Eltern, auch für Arbeitgeber ist eine solche Situation Neuland“, sagt der Verdi-Rechtssekretär.
Juristisch bestünde ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers, arbeiten sei unter diesen Bedingungen unzumutbar – es muss kein Urlaub genommen werden, so das Arbeitsministerium. Am besten sollten Betroffene zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen.
Monika Molkentin, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Kreuztal , kann sich die Mehrfachbelastung der Eltern und Elternteile gut vorstellen – und auch sie wundert sich etwas, dass da keine Hilferufe kommen: „Es bleibt wahnsinnig still.“ Großzügige Homeoffice-Alternativen wie im Rathaus sind nicht überall möglich. Ihr Kollege Uwe Montanus, Leiter des Amtes für Kinder, Jugend, Familie und Stadtteilmanagement, bestätigt die Beobachtung. „Das Betreuungsproblem spielte im Frühjahr eine Rolle“ – als Schulen und Kitas auch zu waren. Jetzt hält die Stadt auch die Jugendtreffs offen, damit Jugendliche einen geschützten Raum zur Begegnung finden. Und wo es im eigenen Kollegenkreis eng zu werden drohte, „haben wir überall Lösungen gefunden“.
Mütterzentrum Siegen unterstützt durch WhatsApp-Gruppen
Kerstin Tempel vom Mütterzentrum Siegen weiß, dass das Thema Betreuung in einem Quarantänefall des Kindes durchaus Thema bei den Eltern ist. „In der ersten Lockdown-Phase haben wir uns per Whatsapp-Gruppen öfter ausgetauscht“, sagt Tempel. Damals haben sie sich so gegenseitig geholfen. Für Mütter, die zum Beispiel mit ihrem Kind in Quarantäne waren, wurden dann Einkäufe erledigt. Aktuell sei aber noch kein Bedarf. „Mal abwarten, wie sich die Situation jetzt entwickelt“, sagt Tempel.
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Sie hat mitbekommen, dass Eltern über das folgende Szenario diskutiert haben: Die Mutter ist positiv auf Corona getestet und zwei Wochen mit ihrem Kind in Quarantäne , daraufhin muss das eigene Kind dann noch einmal zwei Wochen in Quarantäne. Die Mutter könnte in diesem Fall also vier Wochen nicht arbeiten gehen. Die Mitglieder des Mütterzentrums Siegen würden sich schon Gedanken machen. „Konkret habe ich bei unseren Teilnehmern aber im Moment keine Betreuungsnotstände mitbekommen“, sagt Tempel.
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