Siegen/Wilnsdorf. Das Opfer gehörte zu Verbrecherbande, habe ihn erpresst, so der Angeklagte vorm Siegener Landgericht. Bei der Tat habe er um sein Leben gekämpft.

Am 13. Oktober wurde die Anklage verlesen: Mord aus Habgier wird dem 28-jährigen Mann vorgeworfen, der am Abend des 23. April 2020 einen früheren Geschäftspartner (44) im Umfeld von dessen Wilnsdorfer Wohnung erstochen haben soll. Weil er dem Mann 20.000 Euro schuldete und nicht bezahlen wollte, sagt die Staatsanwaltschaft. Am Dienstag, 3. November, kommt nun der Angeklagte über seinen Verteidiger zu Wort und erzählt eine Geschichte, die nichts mit dem zu tun hat, was die Behörde ermittelt hat.

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Ein Drama wie aus einem Thriller habe sich aus Sicht des jungen Mannes abgespielt. Der 28-Jährige hat die russische und moldawische Staatsangehörigkeit und geriet seiner Darstellung nach in ein übles Spiel mit einer gefährlichen Verbrecherbande. Laut Anwalt Carsten Marx sei der Satz, dass sein Mandant nach Wilnsdorf gefahren sei, um den anderen Mann zu töten, falsch. Die Formulierung stammt aus der polizeilichen Vernehmung und müsse wohl auf eine falsche Übersetzung zurückgehen. „Er war schockiert, als ich ihn damit konfrontiert habe, und möchte das klarstellen“, sagt Marx.

Angeklagter: Bei Treffen mit Verbrecherbande auf Hoteltoilette zusammengeschlagen

Richtig sei: Sein Mandant sei mit dem späteren Opfer und weiteren Angehörigen einer Arbeitsvermittlung in Berührung gekommen. Die sei eine kriminelle Vereinigung, die ihn ständig und immer stärker unter Druck gesetzt habe. Sein Mandant sei gezwungen worden, jeden Monat 500 Euro an die Gruppe zu zahlen, was er sich eigentlich gar nicht habe leisten können: „Er hat es sich vom Munde abgespart und zum Teil auch geliehen.“ Einige Male sei bezahlt worden, dann nicht mehr. Der Angeklagte wisse von einem Fall, bei dem das spätere Opfer 500 Euro an dessen Ehefrau überwiesen habe, damit habe sie eine versetzte Goldkette im Pfandhaus ausgelöst.

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Zusätzlich sei ein zweiter Erpressungsgrund entstanden, als ein Freund des Opfers das Motorrad des Angeklagten auslieh, damit fuhr und einen Unfall verursachte. Sein Mandant habe bei einem Treffen in einem Hotel versucht, das Geld für die Reparatur von der Bande einzufordern. Dort habe man ihm gesagt, er bekomme nichts, schulde den „Arbeitsvermittlern“ vielmehr ab sofort weitere 20.000 Euro, die er zeitig bezahlen solle. Sonst könne es seiner Familie in Moldawien schlecht ergehen. „Er solle sich das gut überlegen“, sei ihm gedroht worden. Zusätzlich wurde er „noch auf der Toilette des Hotels zusammengeschlagen“, liest der Anwalt vor.

Beschuldigter: Wurde von späterem Opfer am Boden liegend gewürgt und verprügelt

Am Tattag sei am Telefon erneut gefordert worden, jetzt schnell zu zahlen oder mit Konsequenzen zu rechnen. Er werde ihn finden und töten, soll das spätere Opfer am Telefon gedroht haben. Sein Mandant sei entsetzt gewesen. Der habe ein paar Bier getrunken, sei dann nach Wilnsdorf gefahren – in der Hoffnung, alles final zu klären. Carsten Marx betont nochmals, dass sein Mandant nicht mit einer Tötungsabsicht nach Wilnsdorf gefahren sei. Allerdings habe er ein Messer eingesteckt, um sich gegen mögliche weitere Aggressionen wehren zu können. Der andere habe zu Gewalt geneigt, sei dem Angeklagten körperlich klar überlegen gewesen.

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Vor Ort sei es zum Streit gekommen, der andere Mann habe ihn geschubst, den Beschuldigten schließlich auch zu Boden gestoßen. Auf dem Rücken liegend habe das spätere Opfer den Beschuldigten fest am Hals gepackt und mit der anderen Hand geschlagen. Er habe Todesangst empfunden, keine Chance gehabt, sich in dieser Lage mit den Fäusten oder anders zu wehren und schließlich das Messer gezogen. An die Zahl der Stiche könne sich sein Mandant nicht mehr erinnern.

Anwalt: Mandant fürchtet langen Arm der Verbrecher bis ins Gefängnis

Namen von weiteren Beteiligten oder Hintermännern werden nicht genannt. Der Angeklagte habe nach wie vor große Angst um seine Familie und sein eigenes Leben. Der Arm der Bande könne sogar in die JVA reichen, fürchtet er. Im Augenblick liege aber dort wohl keine Gefährdung vor, glaubt der Anwalt.

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Fragen des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft lässt Carsten Marx zumindest an diesem Tag nicht zu. „Sie können fragen, aber er wird nicht antworten“ sagt der Gießener Anwalt. Das Gericht verliest diverse Gutachten, die unter anderem nachweisen, dass der Angeklagte zur Tatzeit Alkohol und Spuren von Amphetamin sowie Cannabis im Blut hatte. Das Verfahren wird am 9. November fortgesetzt.

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