Netphen. Von Oehler & Fick bis Gräbener: Dr. Peter Vitt und Nico Eggers haben den Kalender des Heimatvereins Netpherland zusammengestellt.

Wirtschaftsgeschichte erzählt der Kalender des Heimatvereins Netpherland im Jahr 2021. Dr. Peter Vitt, der mit einer Wirtschaftsgeschichte des ehemaligen Amtsbezirks Netphen promoviert hat und während der Arbeit an seiner Dissertation ihre Archive öffneten, hat den Kalender zusammen mit dem Heimatvereinsvorsitzenden Nico Eggers zusammengestellt.

Diese zwölf Unternehmen werden vorgestellt:

Januar

Oehler & Fick in Dreis-Tiefenbach: Auf dem Bild raucht der Schornstein. Über 200 Menschen arbeiteten in besten Zeiten da, wo die beiden Familien 1927 auf dem Geländes des früheren Dreisbacher Reckhammers die Kurbelwellenproduktion aufnahmen. 1997 ging das Hammerwerk Vorlaender in Konkurs, was auch das endgültige Aus für den Dreisbacher Hammer bedeutete. Heute ist dort die Firma Gontermann & Simon mit Zerspanungstechnik zu Hause.

Februar

Grube Schnellenberg in Beienbach: Nach Erz gegraben wurde in Beienbach schon um 1715. Um 1900 arbeiteten dort 87 Arbeiter, aus dieser Zeit stammt der im Kalender abgebildete Förderturm. Die Grube war 155 Meter tief, 1,5 Kilometer lag war das untertägige Streckennetz. In Beienbach gab es noch weitere Gruben: Bismarck, Kleeblatt, Gutglück, Zufälligkeit und Gute Hoffnung. 1923 wurde der Betrieb eingestellt. Bereits 1924 wurde auf dem Grubengelände das Bibelkreisheim eröffnet.

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März

Heitze in Deuz: Die 1939 eröffnete Dichtungsstanzerei von Martin Heitze hatte ihren Ursprung in einem 1922 eröffneten Fahrrad- und Maschinenhandel. Daraus wurde die Deuma, die Schweiß-, Dreh- und Kippvorrichtungen sowie Maschinen für die Rohrfertigung herstellte.

April

Wilhelm Flender in Deuz: Wilhelm Flender, Schmied in der sechsten Generation, eröffnete 1912 einen Industriebetrieb an der Straße nach Salchendorf. Dazu erwarb er die ehemalige Uhrenfabrik von Gustav Hammer. „Flender Flux“ ist sein Markenzeichen geworden: der Bitumenkocher, mit dem Dachpappe heiß verlegt werden konnte.

Erlös für Heimatverein

Der Verkaufserlös für den Kalender, stellt Nico Eggers fest, ist im Coronajahr für den Verein „mehr oder weniger die einzige Einnahme die für 2020 zu verzeichnen ist“. Die wiederum fällt nun etwas höher aus als sonst: Eine ganze Reihe von Sponsoren hat sich an den Herstellungskosten beteiligt.

Vorsitzender Nico Eggers und Dr. Peter Vitt haben die Bilder ausgewählt – teils aus dem Archiv des Heimatvereins, teils aus der Sammlung des aus Netphen stammenden Historikers.

Mai

Gerbereien in Netphen: Zuerst hatte die Familie Hüttenhain 1776 eine Gerberei und eine Lohmühle an der Netphe in Niedernetphen – etwa da, wo heute die Tagespflege Bethanien ihren Platz hat In den 1880er Jahren siedelte die Gerberei nach Obernetphen um. Die Familie wohnte am Marktplatz, wo sie das Geburtshaus der Dichterin Katharina Diez erwarben. Die Gerberei befand sich gegenüber auf dem heutigen Gelände der Bauunternehmung Demler. Der Lohschuppen wurde im Zuge der Neugestaltung des Marktplatzes abgerissen. Am Obernau-Ufer des Marktplatzes steht seit 2014 die von Bernd Heinemann geschaffene Bronzeplastik eines Gerbers.

Juni

Walzen Irle in Deuz: 2020 begeht das Unternehmen sein 200-jähriges Bestehen. Jacob Heinrich Irle , der 1820 eine Eisengießerei in Kaan-Marienborn eröffnet hatte, kaufte 1848 die ehemalige Deuzer Silberhütte. Aus dem Ofen holte er Blei und Silber für 500 Taler – womit sich die Investition zur Hälfte selbst finanziert hatte. Auf dem Gelände der ehemaligen Mahlmühle an der heutigen Waldstraße entstand ab 1903 das Werk 2.

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Juli

Siemag: Auf dem Kalenderblatt abgebildet wird die „Schütz & Co. Fabrik für Blech- und Eisenkonstruktionen“. Sie zog 1909 in das von Gerbereibesitzer Hüttenhain um 1860 errichtete Hammerwerk ein. Storch & Schöneberg und das Kesselbauunternehmen Heider wurden spätere Besitzer. 1955 gründete die (Dahlbrucher) Siemag dort ihre „Siemag Maschinen- und Stahlbau GmbH“ . Daraus wurde die SMS Logistiksysteme und die heutige Amova, die nach wie vor zur SMS group gehören.

August

Ziegelei in Netphen: Die Ziegelei am Ortsausgang von Netphen in Richtung Dreis-Tiefenbach wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet. Mit bis zu 40 Beschäftigten wurde dort täglich bis zu 30.000 Ziegelsteine gebrannt. 1973 wurde der Betrieb geschlossen. Auf dem Gelände befinden sich heute der Kornhaus-Nachfolger Agravis und der Baumarkt Hundhausen.

September

SEAG in Dreis-Tiefenbach: Carl-Eberhard Weiss gründete die spätere SEAG, die Siegener Eisenbahnbedarf AG. Er hatte ein Stanz- und Hammerwerk in Siegen — und hatte es auf einmal ganz eilig, die Fabrik in Dreis-Tiefenbach hochzuziehen. Nicht noch einmal wollte er 40 aus­einandergenommene, für China bestimmte Kohlenwaggons per Fuhrwerk vom Kirchweg auf die Bahn nach Siegen bringen. Schon im Herbst 1906 schickte Weiss die ersten Dreis-Tiefenbacher Waggons auf die Schiene, ein Vierteljahr vor der offiziellen Eröffnung der Kleinbahn. Später wurde daraus die Waggon Union, zuletzt Teil von Bombardier Transportation, demnächst im Besitz der französischen Alstom.

Oktober

Steiner in Salchendorf: In Salchendorf gründete Schmiedemeister Friedrich Steiner 1909 eine Dorfschmiede. Bei ihm wurde die erste Dreschmaschine des Johannlandes gebaut, 1937 der erst Wagen mit Gummi- statt Holzreifen. Über die Werkstatt für Traktoren und Landmaschinen setzte das Unternehmen seinen Weg fort zum heutigen Autozentrum Steiner in Netphen.

November

Kölsch Fölzer in Dreis-Tiefenbach: Drei Unternehmen aus Siegen schlossen sich für die Ansiedlung an der heutigen Industriestraße in Dreis-Tiefenbach zusammen. Als „Kesselschmiede und Eisenkonstruktionswerkstätte“ warb die Firma für sich bei der Eröffnung 1913, die sich damals „Siegen-Lothringer Werke“ nannte. 70 Jahre später war Schluss, das Unternehmen ging in Konkurs.

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Dezember

Gräbener in Werthenbach: 1921 produzierte die Firma für Bergwerke und Hochöfen. 1974 begann sie mit der Herstellung von Großrohren und (Münz-)Pressen. Die heutige Gräbener Group liefert Maschinen für Werften und die Automobilindustrie, stellt Rohre und Rohrzubehör her. Im Jubiläumsjahr 2021 ist das Maschinentechnik-Unternehmen Spezialist für Sondermaschinen zur Rohr, Windturm- und Schiffsdeckförderung.

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