Siegen. Nach den antisemitischen Störungen beim Stolperstein-Spaziergang vor drei Wochen bleibt es diesmal friedlich. Die Beteiligten finden klare Worte.

Zwei Stunden geht es an diesem Sonntag durch das Quartier Hammerhütte. Eine Wiederholung jener Tour entlang der Stolpersteine, die vor drei Wochen von offenbar rechten Provokateuren gestört worden war.

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60 Menschen hatten sich angemeldet, aus Pandemie-Gründen konnte die „Christlich-Jüdische“ als Veranstalter nur ein Drittel zulassen. Werner Stettner, der katholische Vorsitzende der CJZ-Siegerland klagt über den großen Aufwand, durch die Vorsichtsmaßnahmen, wegen des Virus und wegen der Sicherheit allgemein. „Selbst 110 wusste genau, wo wir heute unterwegs waren“ sagt er und schüttelt den Kopf. Und ist dennoch hoch zufrieden. Mit diesem Gang sei „ein wichtiges Zeichen für die Demokratie gesetzt worden“, lobt er. Dafür bekommt er einen kräftigen Applaus. Störer hat es nicht gegeben. Nur einige auffällige Passanten.

Stolperstein-Spaziergang in Siegen: Auch Bürgermeister Steffen Mues geht mit

Ein paar der angemeldeten Teilnehmer sind nicht gekommen. Dafür finden sich andere spontan am Treffpunkt ein, die nachrücken dürfen. Stettner will den Vertretern des „III. Weges“ keinen Vorwand liefern, die Rechtmäßigkeit der Veranstaltung in Frage zu stellen. Obwohl auch zwei Polizisten vor Ort sind und noch Sicherheitsleute.

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Zu den Teilnehmern gehören Bürgermeister Steffen Mues, der Historiker Dieter Pfau und Hilchenbachs stellvertretender Bürgermeister Klaus Stötzel. Erstmals bei einem solchen Spaziergang dabei ist der jüdische CJZ-Vorsitzende Alon Sander, der die Erinnerungskultur grundsätzlich bejaht, zugleich aber auf die Kritik verweist, die es in jüdischen Kreisen an den Stolpersteinen gebe. Ob nicht auch eine Gedenktafel an der Wand den gleichen Zweck erreichen könne, fragt er. Eine Teilnehmerin verweist darauf, dass sich der Initiator Gunter Demnig überlegt habe, dass Menschen den Kopf wie zum Gebet oder Gedenken senken müssten, um die Inschriften zu lesen.

Alon Sander beobachtet auch in Siegen „neue Qualität“ rechtsextremer Pöbeleien

Alon Sander betont, wie schon Werner Stettner zuvor, die starke deutschnationale Einstellung sehr vieler Juden damals, die stolz auf ihren Dienst im Weltkrieg und ihre Staatsangehörigkeit gewesen seien: „Mein Opa hieß Willi, wie der Kaiser. Sein Bruder Siegfried“, sagt er. Und dann: „Ich bin meinem Großvater sehr dankbar, dass er den Nationalsozialisten damals geglaubt hat!“ Der habe für viel Geld teure Zertifikate in Palästina gekauft und seine Kinder in Sicherheit gebracht.

Nicht nur jüdisches Leid

Werner Stettner hat viel über die Schicksale der Siegener jüdischen Hintergrunds zu berichten. Es geht aber auch um verfolgte Gewerkschafter an diesem Sonntag. Und die Hammerhütte nach den Bomben.

Viele andere hätten gedacht, es werde nicht so schlimm. Oder sich Auswanderung oder Flucht einfach nicht leisten können. Schließlich ist die Aktion von vor drei Wochen für ihn Ausdruck einer neuen Qualität. Der Versuch der Rechten, einem ganzen Quartier ihren Stempel aufzudrücken, sei „eine Wunde für die Stadt Siegen“, von der er hoffe, dass sie schnell beseitigt werde.

Warnung: Rechte Tendenzen in Siegen nicht auf die leichte Schulter nehmen

Für Werner Stettner ist der „III. Weg“ Anlass für eine emotionale Berg- und Talfahrt. Einerseits findet er es „einfach unerträglich“, dass eine „Kleinpartei mit 580 Unterstützern bundesweit“ derartig viel Unheil stiften könne. Dann wieder sieht er deren Auftreten als etwas, „dem wir eigentlich mit einem Lachsack begegnen müssten“.

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Alon Sander findet es entscheidend, dass die NSDAP damals mit dem Mord an Deutschen begonnen habe, „solchen, die anders waren. Heute sind wir alle anders“, warnt er davor, die neue Form von Provokationen im exakten Tonfall der damaligen Zeit auf die leichte Schulter zu nehmen.

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