Siegen/Olpe. In der Krise den Laden am Laufen halten und außer Klatschen kein Lohn? Öffentlicher Dienst Siegen-Wittgenstein und Olpe streikt am Dienstag.

Gut 150 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes sind am Dienstag, 13. Oktober, dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi zum Warnstreik gefolgt. Die Teilnehmer kamen unter anderem von den Kreisverwaltungen Siegen und Olpe, von den Stadtverwaltungen Siegen, Kreuztal und Freudenberg, vom Kreisklinikum Siegen, den ESi Siegen und den Kreuztaler Kindertagesstätten. Sie versammelten sich am Morgen auf dem Bismarckplatz, um in der aktuellen Tarifauseinandersetzung ihre Forderungen unter anderem für mehr Gehalt zu unterstreichen – auch und gerade in der Corona-Krise.

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„Warnstreik ist auch in Zeiten von Corona die richtige Antwort“, so Gewerkschaftssekretär Michael Schnippering stellvertretend für den Hagener Bezirksfachvorsitzenden Marcello Servidio. „Das wäre vermeidbar gewesen“, so Schnippering mit Blick etwa auf eine Anerkennung des Einsatzes des Öffentlichen Dienstes im Lockdown in Form einer angemessenen Einmalzahlung. Die Arbeitgeber hätten das konsequent abgelehnt, Verdi die kalte Schulter gezeigt. „Nichts bis wenig“ als Angebot sei „ein Affront gegen die Kolleginnen und Kollegen, die wochenlang den Laden am Laufen gehalten haben. Ihr seid systemrelevant!“

Lob für Kreisklinikum Siegen als vorbildlichen Arbeitgeber in der Krise

In der Krise sei die Bedeutung des Öffentlichen Dienstes deutlich geworden, „wir erwarten, dass diese Leistungen nicht nur beklatscht, sondern auch finanziell wertgeschätzt werden.“ Aktuell steigen die Infektionszahlen wieder, „wenn wieder schnell gehandelt werden muss, steht Ihr Gewehr bei Fuß und müsst wieder loslegen. Das geht nicht zum Nulltarif“, bekräftigte Schnippering.

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Die Beschäftigten im Gesundheitswesen hätten sich in der Krise schnell mit den neuen Voraussetzungen arrangiert und flexibel auf die Erfordernisse der Krise reagiert, sagte Sonja Lorenz-Görg vom Siegener Kreisklinikum – eine körperliche und psychische Herausforderung, „das lässt auch uns als Profis nicht kalt.“ Bei aller Kritik an Arbeitgebern und Politik dankte Lorenz-Görg den Verantwortlichen am Kreisklinikum dafür, sich in der Krise für die Beschäftigten „tolle Sachen“ ausgedacht zu haben – das beginne schon bei Kleinigkeiten wie Kaffee und Kuchen während langer Schichten, „das ist auch eine Anerkennung.“ Die Politik habe während des Lockdowns immer wieder betont, wie systemrelevant das Gesundheitswesen sei, wie schlecht die Arbeitsbedingungen. „Jetzt haben wir den Eindruck: Sie haben vergessen, wer da die Versorgung gesichert hat.“ Jetzt gehe es nicht darum, die Arbeitgeber zu schädigen, sondern den Beruf attraktiver zu machen.

DGB Siegen-Wittgenstein: Klatschende Hände sind kein Zahlungsmittel

„Das Kreisklinikum und viele Bürgermeister sind nah bei uns“, sagte der Siegener Verdi-Bezirksgeschäftsführer Jürgen Weiskirch. Die aktuelle Nullrunde sei ein Unding, in den Haushalten seien Mittel für Tariferhöhungen vorgesehen, „der Widerstand der Arbeitgeber ist gerade in diesem Jahr unverständlich.“

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Die andere Seite hätten wohl gehofft, dass in diesen Zeiten keiner für mehr Lohn auf die Straße geht, so Siegens DGB-Chef Ingo Degenhardt: „Sie wollten einen niedrigen Abschluss mit möglichst langer Laufzeit.“ Streiks verursachten aber nicht die, die für höhere Löhne kämpfen, „sondern die, die keine höheren Löhne zahlen wollen.“ Die Arbeitgeber müssten sich bewegen und überhaupt erstmal ein verhandelbares Angebot auf den Tisch legen. „Es hätte nicht Corona bedurft, um festzustellen, was der Öffentliche Dienst Tag für Tag leistet“, so Degenhardt weiter: Die Verantwortung für eine funktionierende öffentliche Infrastruktur. Im Lockdown sei viel von Helden die Rede gewesen, „klatschende Hände sind aber kein Zahlungsmittel. Wertschätzung muss auch im Portemonnaie stattfinden.“ Leere Kassen seien da kein Argument, Geld sei schließlich in den vergangenen Monaten genug dagewesen.

„Corona-Krise trifft auf jahrzehntelange kaputtgesparten Öffentlichen Dienst“

Es gebe nach wie vor ein Umverteilungsproblem in Deutschland, sagte Wolfgang Cremer, Verdi-Landesfachbereichsleiter NRW. Die Krise sei ein Stresstest für das Funktionieren von Demokratie und gesellschaftlichem Zusammenhalt – und Corona, da seien sich die Experten einig, werde am erfolgreichsten dort bekämpft, wo es einen leistungsfähigen Öffentlichen Dienst gebe. „Bei dem was Ihr jeden Tag leistet, beantwortet sich die Frage, ob wir einen leistungsfähigen Öffentlichen Dienst brauchen, von selbst“, sagte Cremer.

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Die Krise treffe nun auf einen jahrzehntelang kaputtgesparten Öffentlichen Dienst, wo überall Personal und technische Ausstattung fehle, auf ein kaputtgespartes Gesundheitswesen, in dem sich nicht ums Personal gekümmert werde, auf die Altenpflege, wo das Corona-Risiko mit am höchsten in Deutschland sei, auf Gesundheitsämter, die faktisch rund um die Uhr arbeiten müssten und wo man keine Ideen mehr habe, wie man das alles „jemals auf die Kette kriegen“ könne. Die Kitas seien seit Wochen im Vollbetrieb ohne Schutzmöglichkeiten und die Ordnungsämter sollten das alles überwachen, auch an Wochenenden und nachts. „Ihr seid die Menschen, die diese Leistungen unter diesen Bedingungen erbringt“ so Cremer – und man werde von den Arbeitgebern „abgefrühstückt“. Und „die Politik lässt das zu.“

Gewerkschafter warnt in Siegen vor „Großangriff auf die Bezahlung“

„Man bekommt das Gefühl, es wäre gar keine Krise“, so der Gewerkschafter weiter, die immer gleichen Argumente würden gebetsmühlenartig wiederholt: Kein Geld, ausgerechnet jetzt streiken. „Gerade jetzt, sonst kommen wir auf keinen grünen Zweig.“ Die Reichen würden auch in der Krise immer reicher, „macht doch endlich die Vermögenssteuer, dann habt Ihr genug Geld zum Aufstocken.“

Immer wieder werde ein „Großangriff auf die Bezahlung“ über die Eingruppierung gestartet, so Cremer: Arbeitsvorgänge sollten zerlegt und diese Elemente einzeln bewertet und neu eingruppiert werden – Herabgruppierung mit deutlichen Lohneinbußen sei die Folge.

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