Siegen. In Siegen beleidigen Anhänger der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ Teilnehmer eines Gedenkspaziergangs am jüdischen Feiertag Jom Kippur.
Mit antisemitischen Äußerungen wurden ein von der Volkshochschule Siegen und dem Aktiven Museum Südwestfalen (AMS) organisierter Stolperstein-Gedenkspaziergang am Sonntag, 28. September, massiv gestört. Die Polizei musste eingreifen, der Staatsschutz ermittelt nun.
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An Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, führte ein Dozent die Teilnehmer an den „Stolpersteinen“ entlang, die im Viertel Hammerhütte zum Gedenken an Holocaust-Opfer aus der Mitte der Siegener Bevölkerung verlegt wurden. „Wir haben Ärger bei dieser Führung von vornherein vermeiden wollen“, berichtet der Dozent, der nicht namentlich genannt werden möchte, im Gespräch mit dieser Zeitung. Bewusst habe man die Veranstaltung nicht beworben, sondern lediglich im Verzeichnis der Veranstalter aufgeführt.
Rechtsextreme feinden Gruppe in Siegen antisemitisch an
Einige Stationen habe er mit der Gruppe auch ungestört ansteuern können, bevor es in der Schlachthausstraße zunächst zur Konfrontation mit dem Leiter des dort ansässigen Parteibüros der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ gekommen sei. Dieser war dort mit seinem Hund unterwegs und sprach ein Mitglied der Gruppe an, das ebenfalls einen Hund dabei hatte. Er habe dann die Führung permanent gestört, indem er die historischen Fakten sowie die Genehmigung des Spaziergangs in Frage stellte, berichtet der Dozent. Weitere Personen seien schnell dazu gekommen. Nach Aussage des Zeugen habe der Anführer die Gruppe mit weiter antisemitischen Beleidigungen angefeindet. Aus dem Biergarten einer nahe gelegenen Gaststätte sei zudem eine weitere Person zu den Rechtsextremen gestoßen, später sei aus deren Gruppe auch gefilmt worden.
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Die von einem Teilnehmer alarmierte Polizei sei schnell eingetroffen und habe die Situation professionell unter Kontrolle gebracht, berichtet der Dozent. Die Führung sollte zunächst unterbrochen werden, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Die Videoaufnahmen wurden jedoch nicht konfisziert. „Man fühlt sich nackt und schutzlos“, so der Dozent.
Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt wegen Volksverhetzung
Nach der Unterbrechung konnte der Gedenkspaziergang schließlich fortsetzt werden. „Ich bin psychisch ziemlich angefasst“, sagt der Dozent am Tag nach den Vorfällen, „kalten Hass und vorbereitete Aggression“ wie in dieser Situation habe er noch nicht erlebt. „Ich hoffe, dass die Stadtgesellschaft aufwacht“, sagt er. Aufhören mit den Führungen möchte er nicht, eine Lehre zieht er jedoch aus dem Zwischenfall. „Es lohnt sich nicht, halbe Sachen zu machen“, so der Dozent und kündigt an, zukünftige Führungen breiter bewerben zu wollen – in der Hoffnung, dann von den Ordnungsbehörden von Anfang an unterstützt zu werden.
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Die Polizei hat den Zwischenfall ebenfalls bestätigt. Gegen vier Personen sei ein Platzverweis verhängt worden. Wegen des Vorwurfs der volksverhetzenden Äußerungen wurde ein Strafverfahren eingeleitet, die Staatsanwaltschaft Siegen und der Staatsschutz der Polizei Hagen haben die Ermittlungen aufgenommen.
Siegens Bürgermeister Steffen Mues: „Diese rechtsextremen Pöbeleien dienen alleine der Provokation, doch dieser Versuch, Aufmerksamkeit für fremdenfeindliches und menschenverachtendes Gedankengut zu erzeugen, darf in unserer Stadt nicht fruchten. Unsere Stadt ist und bleibt tolerant und weltoffen.“ Die Stadt Siegen werde selbstverständlich an ihrem Konzept einer aufklärenden Bildungsarbeit – etwa bei Gedenkrundgängen und Erinnerungsorten - festhalten, um das jüdische Leben und die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
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