Siegen. Im Siegener Lyz zeigt Kabarettist Wilfried Schmickler, dass er nicht nur den pointierten Schimpfanfall virtuos beherrscht: Er kann auch sanft.
Ihm möchte man nicht auf dem Wochenmarkt begegnen. Seine Schimpfanfälle, lautstark und im Stakkato, können (fast) jeden und alles treffen. Dabei kann Wilfried Schmickler so nett sein, so sanft und einfühlsam. Etwa im letzten Lied seines gut 90-minütigen Programms: „Weine nicht, wenn der Regen fehlt“.
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Auch sein Dankeschön an die Macher des Lyz’, die diesen Abend vor ausverkauftem Haus perfekt organisiert hatten, fällt so ehrlich und herzlich aus, dass man ihn, eines der Urgesteine des deutschen Kabaretts, das noch auf die Macht der Worte und nicht des Klamauks setzt, gerne dafür knuddeln möchte. Doch vorher teilt er aus, wie man es von Schmickler aus unzähligen Fernsehsendungen, etwa den Mitternachtsspitzen des WDR, gewohnt ist. Gegen die Fotografen im Lyz, den heiligen Imbus aus Schweden, den Gelsenkirchener Barock-Schrott und die Banken, die „Orte des organisierten Verbrechens“. Am Virus, dem Hauptthema dieser Zeit, kommt auch er nicht vorbei: Der alleinerziehenden Mutter im Homeoffice, dem Klopapiermangel, den Maskenverweigerern, den Verschwörungs-Märchenerzählern: „Das ist die Zeit der Irren und Idioten“.
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Lyz in Siegen: Bei Wilfried Schmickler bekommen alle ihr Fett weg
Da hat er sich in seinen Garten im Oberbergischen zurückgezogen und sich aus der Ferne ärgern können, wie in Talkshows „überdrehte Schnattersäcke die ganze Diskussion ein Stückweit übertrieben“ einschätzten. Auch „Dr. Ecki“, Trostspender der Nation, bekommt für seinen Vorschlag „Wir müssen alle asiatischer werden“ sein Fett weg.
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Doch das ist für Wilfried Schmickler erst ein verbales Warmlaufen. Nun kommen die Politiker dran. Natürlich die „politischen Dreckschleudern“ der AfD. „Die Pest, einst schwarz, jetzt ist sie braun. Denen muss man mit der Waffe entgegengehen: Der Wahrheit“, empfiehlt er, „je heftiger man die anfeindet, desto größer wird ihr Freundeskreis.“
Kein Glaube an die offiziellen Hoffnungsträger
Und die anderen Hoffnungsträger? Merz, „der Scheinriese aus dem Sauerland“: Ein Nebelteppichhändler mit Schnullerschnute. Von AKK, der „homophoben Putztruppenführerin aus dem Saarland“, ist ihm sogar der Vorname entfallen: „Annemie? Annabell? Ach ja, Annegret“. Vielleicht LL, „der lustige Laschet“, Jens Spahn, der von den Jungen in der CDU am ältesten aussieht und sich zuständig für alles fühlt. Hoffnungsträger sieht Schmickler kaum. Auch nicht Christian Lindner von der FDP, „den smarten Eintänzer ohne Eier“, Heiko Maas, „den Konfirmanden, den sie vor dem Altar vergessen haben“, oder Olaf Scholz, den Krisen-Terminator.
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Überhaupt die SPD. Bei seinem Lied eines traurigen Sozialdemokraten wird Wilfried Schmickler richtig melancholisch: „Allein im Ortsverein, kein Schwein tritt ein. Von Wahl zur Wahl ein Jammertal.“ Ganz jung ist Wilfried Schmickler mit seinen 66 Jahren auch nicht mehr: „Ich bin älter als ,Der Alte’ in der gleichnamigen Fernsehserie.“ Er empfiehlt seinen Altersgenossen, sich gegen Junge zu wehren, die sich hustend und spuckend vor Seniorenheimen versammeln: „Bei Grün ganz langsam über den Zebrastreifen gehen.“
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Geisterspiele können Wilfried Schmickler nicht begeistern
Auch die Fernsehprogramme machen ihm wenig Freude. „Was haben Fußball und Virus gemeinsam“, fragt er: „Hauptsache, es wird übertragen.“ Doch diese Geisterspiele liebt Schmickler nicht: „Da gehe ich lieber auf den Friedhof und guck mir ‘ne Beerdigung an.“ Die vielen Wiederholungen langweilen ihn, ebenso wie die Musik: Frank Schöbel, den „Troubadour des Ostens“ mit „Zwei Apfelsinen im Jahr“ oder Semino Rossi, „die singende Bettpfanne.“
Wilfried Schmickler hat kürzlich von seinem Haussender WDR erfahren, dass seine „Mitternachtsspitzen“ nur noch kurz zu sehen sind und man danach nicht mehr mit ihm plant. Und hier wird auch der Rezensent ganz ernst: Ein schwerer Fehler.
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