Siegen. Zum Saisonauftakt im Bruchwerk-Theater Siegen wird „Fische“ von Nele Stuhler gezeigt. Sehr gute Schauspielerinnen müssen seltsame Texte vortragen

Das schönste Bild ist direkt das erste: Zwei Frauen in Brautkleidern mit unbewegten Gesichtern, die schnell zu lächeln beginnen. Auch die Brautkleider legen sie bald ab; die Zuschauer merken, dass sie ein Paar sind. Die eine ein Fisch, die andere die Besitzerin des Aquariums, in dem der Fisch lebt. Und der kann sprechen: „Spuck ich wieder aus, passt, passt nicht“, wiederholt er immer wieder und meint damit die Steine seines nassen Heims.

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In zehn kleinen Szenen werden typische Situationen von Paarbeziehungen gezeigt. Schwäche, Belastbarkeit, Manipulation; dann Stille, schließlich Freiheit. Sechs „Auswertungen“, so nennt sie Autorin Nele Stuhler, schließen sich an: Der Beziehungsstatus von Fisch und „E“, wie sie die Besitzerin des Aquariums nennt, soll analysiert werden.

Die Wiederholungen in der Sprache nerven mehr, als dass sie amüsieren

So weit, so gut. Das Problem des Stücks ist die Sprache, die die Autorin ihren Protagonistinnen aufdrückt. Sehr viel Geschrei wechselt sich ab mit ständigen Wiederholungen, die mehr nerven als amüsieren. Sprachliche Schönheit, für viele Hauptgrund eines Theaterbesuchs? Fehlanzeige. Stattdessen: „Ich finde, du bist immer so. So... So... So bist du. Immer. Ich finde...du...bist. So. So sehr... So bist du...immer. Immer, sogar wenn wir, dann bist du auch so...so...so...immer...“

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Dazu die üblichen Verweise auf gängige Themen, etwa den Klimawandel: „Die Polkappen schmelzen, der Meeresspiegel steigt. Wir fluten uns, es flutet uns.“ Immer wieder „Einatmen – ausatmen.“ Man fragt sich unwillkürlich, warum die Autorin den Münchener Förderpreis für deutschsprachige Dramatik bekommen hat.

Siegener Bruchwerk-Team überzeugt mit Bühnenbild, Lichtdesign und Soundeffekten

Es gibt auch viele Lichtblicke: Irina Ries und Lisa Sophie Kusz, beide schon mehrmals im Bruchwerk zu sehen, sind Schauspielerinnen, die ihre Rollen mit Haut, Haaren und Seele verkörpern, in sie hineinkriechen: Viel Text, zum Teil von beiden synchron gesprochen, Gesang, Gestik, Mimik, vor allem Gefühl. Ihr Kuss, lang und innig, lässt ahnen, welch tiefe Liebe Fisch und „E“ füreinander empfinden. Das Bühnenbild von Theresa Pešl: ein großer Vorhang verdeckt vieles, ermöglicht mit wenigen Veränderungen aber auch neue Perspektiven, etwa den steigenden Meeresspiegel. Das und das Lichtdesign machen die Spielfläche spektakulär, genauso die Soundeffekte von Marcel Rudert mit sehr viel Elektronik durch Keyboard und Gitarre.

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Völlig unspektakulär die letzte Szene: Die Schauspielerinnen, wie auch der Musiker in Unterwäsche, unterhalten sich über ihre ersten Beziehungen. Ganz ruhig, fast leise und unaufgeregt. Die letzten Sätze „Lass doch mal ein bisschen los.“ „Ist gar nicht so einfach.“ Der lange Beifall gilt vor allem Irina Ries und Lisa Sophie Kusz, Regisseur Milan Pešl und dem Bruchwerk-Team, das sich zum Saisonauftakt am Freitag, 18. September, einen nicht gerade leichten Theaterstoff ausgesucht hat.

Die nächsten Vorstellungen: 3. und 16. Oktober, 6 und 21. November, jeweils 19.30 Uhr.

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