Siegen. Nach langer Pause tritt die Philharmonie Südwestfalen wieder in „voller Mannschaftsstärke“ auf und begeistert das Publikum in der Siegerlandhalle

„Endlich wieder“, diese wohl am häufigsten gehörten Worte in Zeiten der Corona-Pandemie, gebrauchte auch Philharmonie-Intendant Michael Nassauer bei der Begrüßung der Musikfreunde, die die ohnehin auf 450 reduzierte Zahl von Stühlen im großen Saal der Siegerlandhalle bei weitem nicht besetzten. Endlich wieder Publikum, endlich wieder das gesamte Instrumentarium, endlich wieder die ganze opulente Klangpracht.

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Richard Wagners Wesendonck-Lieder

Mathilde Wesendonck, eine Schweizer Millionärsgattin, schrieb ganz nebenbei auch Gedichte. Die wären ziemlich unbekannt geblieben, wäre die dichtende Dame nicht auch noch Muse des Klanggiganten Richard Wagner gewesen, der einige ihrer Texte vertonte: Für Frauenstimme und Klavier. Die heimische Philharmonie präsentierte eine später entstandene Fassung für Orchester und Sopran.

Wagners Musik steht auch für Kraft und Energie. Und da hatten die Verantwortlichen nicht gekleckert, sondern geklotzt: Dorothea Röschmann, die schon an der Mailänder Scala, der Wiener und Bayerischen Staatsoper sowie der Metropolitan Opera in New York begeisterte, bringt alles mit, um Wagners Lieder zu interpretieren. Eine reife Stimme, kraftvoll und dramatisch genug, um ihre Töne selbst in die letzten Winkel des großen Saales zu senden, aber auch voller Innigkeit, wenn Sehnsuchtsvolles singt. Ihre Tremoli wirken nie gekünstelt, das Fortissimo setzt sie immer richtig. Keine Silbe, die sie weniger wichtig nimmt, kein Ton, dem sie keine Bedeutung zumisst.

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Und das Orchester? Das darf wieder das „große Besteck“ herausholen und tut es mit sicht- und hörbarer Freude, agiert aber angemessen zurückhaltend, weil vorwiegend begleitend. So werden die gezupften Saiten am Ende hauchzart. Vielleicht nahm der Komponisten-Titan das Aus der platonischen Bande mit der Dichterin damit musikalisch vorweg. Ihr reicher Schweizer Gatte und Wagners zupackende Ehefrau Minna waren ihnen auf die Schliche gekommen.

Antonín Dvořáks „Aus der neuen Welt“

Die Blechbläser senden musikalische Signale aus, den mächtigen Tönen von Überseedampfern gleichend. Trommelwirbel setzt ein. Ähnliches könnte Antonín Dvořák gehört haben, der 1892 zum Direktor des Nationalen Musikkonservatoriums in New York ernannt worden war, als er mit einem großen Schiff in Amerika ankam. Diesem Land widmet er seine Symphonie Nr. 9 e-moll, die schon ein Jahr später in der Carnegie Hall uraufgeführt und begeistert beklatscht wurde. Sie trägt den Namen „Aus der neuen Welt“ – wie auch das Konzert in der Siegerlandhalle an diesem Abend.

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Natürlich war dieses Werk von Dvořák auch als Gastgeschenk, als Verneigung vor seiner neuen Heimat gedacht. Vieles Amerikanische hat er musikalisch integriert: Mal sind es stampfende Rhythmen, mal wird die große Bläserabteilung der Philharmonie zur jazzigen Big Band. Dann meint man, Motive eines Spirituals oder des alten Volkslieds „Oh Shenandoah“ zu hören. Für jede Instrumentengruppe hat Dvořák Soli eingebaut: So für die Oboen bei den sanften, wellenförmigen Melodien. Die gezupften Bass-Läufe begeistern auch die Jazz-Liebhaber im Saal und immer wieder gerät man ins Staunen, welch großartige Musiker mit solistischen Qualitäten in der Philharmonie Südwestfalen zu Hause sind und wie souverän ihr charismatischer Dirigent Nabil Shehata alles im Griff hat.

Hören und Schmecken

Das Konzert „Gala der Wiener Klassik“ der Philharmonie Südwestfalen im Januar im Apollo Theater wurde mitgeschnitten.

Markus Podzimek hat dazu eine Auswahl von neun Pralinen komponiert, die mitsamt der entsprechenden CD im Naschwerk als „Symphonie der Sinne“ erhältlich sind.

Sicherlich Dvořáks vielseitigstes, unterhaltsamstes Werk, vor allem auch, weil die Leitmotive sich oft wiederholen, ohrwurmartig in den Köpfen der Zuhörer festsetzen und sich dann zu einem furiosen Finale steigern. Der perfekte Auftakt für eine Spielzeit mit vielen Fragezeichen.

„Phantastisch!“ ruft eine Dame, als der letzte Ton verklungen ist, und spricht damit für alle, die an diesem Sonntag einen musikalischen Hochgenuss erleben durften.

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