Siegen. An der Uni Siegen hat ein Team um Prof. Claudia Wickleder neuartige Nanopartikel entwickelt. In der Medizin bieten diese enorme Möglichkeiten.

Forscherinnen der Universität Siegen haben die weltweit ersten Nanopartikel entwickelt, die sowohl magnetische Eigenschaften besitzen, als auch nachleuchtend sind. Das Anwendungspotenzial ist groß, wie es in einer Mitteilung der Uni heißt: Mithilfe der Partikel könnten zum Beispiel Krebszellen im Körper entdeckt oder die konkrete Verbreitung von Feinstaub in Organen und damit deren Giftigkeit nachgewiesen werden.

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Forschung an der Universität Siegen: Vorteile von Nanopartikeln

Nanopartikel sind kleinste Teilchen mit einem Durchmesser von unter 0,0000001 Metern, also 100 Nanometern, die für das menschliche Auge nicht ohne leistungsstarke Mikroskope sichtbar sind. „Ihre Größe hat entscheidende Vorteile“, schreibt die Uni. Im medizinischen Bereich zum Beispiel könnten sie als Biomarker in die Blutbahn injiziert werden. Wären die Partikel zu groß, würden sie nicht durch die Zellwände passen und in der Blutbahn sofort zu Boden sinken. Nanopartikel hingegen „schweben“ aufgrund ihrer geringen Größe in der Blutbahn. Auch Feinstaub seien kleine Partikel mit solcher Größenordnung.

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„Die Forschung und Entwicklung von Nano-Materialien ist ein Thema von weltweit zunehmender Bedeutung“, sagt Prof. Dr. Claudia Wickleder, Lehrstuhl für Anorganische Chemie und Mitglied im Center for Micro- and Nanochemistry and Engineering (Cµ) an der Uni Siegen. „Die neuen Eigenschaften dieser Materialien werden in vielen Bereichen, wie der Energieumwandlung und der Sensorik, zum Einsatz kommen.“

Prof. Claudia Wickleder zeigt typische Leuchtstoffe für die medizinische Sensorik.
Prof. Claudia Wickleder zeigt typische Leuchtstoffe für die medizinische Sensorik. © Uni Siegen

Siegener Forscherinnen verbessern Nanopartikel

Leuchtende, magnetische Nanopartikel gebe es schon seit einigen Jahren, heißt es weiter. Sie leuchten, wenn man sie mit Licht bestrahlt. Sobald man die Lichtquelle aber wegnimmt – zum Beispiel, weil man sie in den Körper injiziert – leuchten sie nicht mehr. Nachleuchtende Magnete hingegen hätten den Vorteil, dass sie in Dunkelheit weiterleuchten. Für Anwendungen in der medizinischen Sensorik sind nachleuchtende Materialien sehr gut geeignet, wie die Forscherinnen, Dr. Huayna Terraschke (ehemalige Doktorandin an der Uni Siegen und mittlerweile Juniorprofessorin an der Universität Kiel) und Claudia Wickleder herausfanden.

Das Problem bei nicht-nachleuchtenden Sensoren ist, dass sie mit UV-Strahlung zum Leuchten gebracht werden müssen, die nicht durch die Haut dringt. Setzt man nachleuchtende Stoffe ein, kann man diese durch UV-Licht anregen bevor man sie injiziert, und danach leuchten sie weiter. Die magnetischen Eigenschaften sind für den Einsatz in medizinischen Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) nötig.

Uni Siegen: Vielschichtige Herausforderungen bei Nanopartikeln gelöst

Die Herausforderung dieser speziellen Multifunktionalität: Magnetische Stoffe heben normalerweise das Nachleuchten auf. Bisher existierten solche Nanopartikel deshalb nicht. Die Siegener Forschungsgruppe um Claudia Wickleder hat dieses Problem gelöst: Zwischen dem magnetischen Kern und der nachleuchtenden Außenschicht fügten sie eine Mittelschicht hinzu. „Diese Schicht wie auch der Kern und die Hülle durfte ausschließlich aus Stoffen bestehen, die nicht giftig für Lebewesen sind“, sagt Claudia Wickleder – immerhin sollen sie in der Medizin zum Einsatz kommen.

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Die nächste Herausforderung bestand darin, die Größe der Nanopartikel so klein wie möglich zu halten. Dafür musste jede der drei Schichten – Kern, Zwischenschicht und Hülle – so klein und dünn wie möglich sein. Der Kern aus Eisenoxid allein misst 15 Nanometer Durchmesser. Zum Vergleich: Eine 1-Cent-Münze ist zehn Millionen Mal so groß. Mit der Zwischenschicht beläuft sich der Durchmesser auf 25 Nanometer und mit der Hülle auf 67 Nanometer.

Licht aus – Leuchten an

Die nachleuchtenden Nanopartikel funktionieren laut Uni Siegen ähnlich wie die lumineszierenden Sterne im Kinderzimmer, die für einige Zeit weiterleuchten, nachdem man das Licht ausgeschaltet hat.

Anfang dieses Jahres hat das Forschungsteam seine patentierte Erfindung in der renommierten Fachpublikation „Chemistry – A European Journal“ veröffentlicht.

Siegener Erfindung in vielen Bereichen nutzbar

„Für den praktischen Einsatz müssten die Partikel allerdings noch kleiner und vor allem das Nachleuchten effizienter werden“, sagt Claudia Wickleder. In der Biosensorik könnten die Partikel dann zum Beispiel eingesetzt werden, um an Krebszellen anzudocken. Ein einzelner nachleuchtender Nanopartikel alleine wäre allerdings zu klein, um im Körper sichtbar zu sein. Hier kommt die magnetische Eigenschaft ins Spiel. Durch äußere Magnete können die nachleuchtenden Nanopartikel im Körper konzentriert werden, sodass sie leicht nachgewiesen werden können.

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Mit den Kooperationspartnern Dr. Stefan Lienenklaus und Dr. Siegfried Weiß von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) testeten die Siegener Forscherinnen mit einem Feinstaub-Experiment die neuen Nanopartikel an Mäusen – mit Erfolg. Die Nanopartikel wurden so modelliert, dass sie Feinstaub in der Luft imitierten. Die Mäuse wurden diesem Feinstaub ausgesetzt. Durch die nachleuchtenden Magnete konnte das Forschungsteam genau nachvollziehen, in welchen Organen sich der Feinstaub festsetzte.

Auch im nicht-medizinischen Bereich können die neuartigen Nanopartikel Anwendung finden. Sie könnten etwa in der Qualitätskontrolle für Stahl eingesetzt werden, um kleinste, nicht sichtbare Risse sichtbar zu machen.

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