Kreuztal. Für Amprion íst die Meiswinkel-Variante vom Tisch. Zur Not will die Stadt Kreuztal nun auch einen Baustopp durchsetzen.
Eine ganze Weile hatten Bürgerinitiativen und die Städte Siegen und Kreuztal geglaubt, für die Amprion-Höchstspannungsleitung sei eine alternative Trassenführung gefunden worden, die das Heestal weniger stark belastet und mit größerem Abstand an Meiswinkel vorbeiführt. Die damit verbundenen Hoffnungen laufen ins Leere, jetzt wird vermutlich ein Gericht über diesen Abschnitt der Stromtrasse entscheiden.
Die Stadt Kreuztal hat Post von Amprion bekommen: „Leider kommen wir in einer Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass wir an der Antragstrasse (Bestandstrasse) festhalten. Eine rechtssichere Beantragung der Variante durch den Wald, ist unserer Auffassung nach nicht möglich.“ Hintergrund ist offenbar eine Stellungnahme des Landesbetriebs Wald und Holz, der sich gegen die Alternativtrasse ausgesprochen hat.
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Das sind die Streitpunkte
„In sämtlichen bisher vorliegenden Untersuchungen wird die Bedeutung des Heestals für die Stadt Kreuztal und im regionalen Kontext in der planerischen Abwägung auch nicht ansatzweise berücksichtigt“, stellte die Kreuztaler Verwaltung in einer Vorlage für den Infrastrukturausschuss fest. „Die Attraktivität der Stadt Kreuztal insbesondere auch für Familien und Fachkräfte, ihr Entwicklungspotenzial und ihre Zukunftsfähigkeit hängen ganz entscheidend auch von attraktiven Naherholungsmöglichkeiten ab.“ Davon hat die Stadt Kreuztal zwei besonders bedeutende, wie sie in früheren Einwendungen ausgeführt hat: den Kindelsberg und das Heestal, wobei das Heestal das einzige barrierearme Gebiet ist.
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Neben der Trassenführung vorbei an Schloss Junkernhees durch das Heestal mit dem Hof Wurmbach ist die Planung für ein Umspannwerk auf der Dänischen Wiese gegenüber dem Schloss ein Thema, auf das sich Widerspruch richtet. Bisher vergeblich haben Stadt und Bürgerinitiative gefordert, auf den Bau des Umspannwerks zu verzichten, das von einer 50 Meter langen, 30 Meter breiten und 15 Meter hohen Industriehalle umschlossen wird. Stattdessen, so die Kreuztaler Forderung, soll das vorhandene Umspannwerk in Altenkleusheim erweitert werden. In dem Umspannwerk muss das 110-kV-Ortsnetz an die künftige 380-KV-Leitung (bisher: 220 KV) angeschlossen werden. Bisher steht ein Umspannwerk in Geisweid in der Setzer Wiese – bliebe das in Betrieb, müsste auch bis dahin die breitere Schneise für die neue Höchstspannungsleitung geschlagen werden.
Höhere Masten
Die neue Stromtrasse soll sich am Verlauf der bisherigen 220-KV-Leitung orientieren. Sie kommt mit weniger Masten aus, die allerdings höher sind (statt 25 bis zu 85 Meter) und einen breiteren Schutzstreifen benötigen.
Umspannwerk und Leitung beeinträchtigen nach Darstellung von Stadt und Bürgerinitiative den Blick auf das unter Denkmalschutz stehende Schloss Junkernhees sowie die Nutzung des Hofes Wurmbach. Zerstört werde die Dänische Wiese als historischer Grünlandstandort.
Die Leitung von Dortmund-Kruckel nach Dauersberg bei Betzdorf ist Teil eines Netzausbaus, um an den Küsten aus Windkraft erzeugten Strom in den Süden Deutschlands zu leiten. Dagegen gibt es auch an anderen Orten Widerspruch: Die Bürgerinitiative in Herdecke klagt bereits beim Bundesverwaltungsgericht.
So geht es weiter
In ihrer Vorlage rechnet die Stadt Kreuztal damit, dass eine Entscheidung über den erwarteten Planfeststellungsbeschluss erst beim Bundesverwaltungsgericht fällt. Der Infrastrukturausschuss soll daher dem Rat empfehlen, „die zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten für den bestmöglichen Erhalt des Heestals und damit gegen die Antragstrasse und für die Alternativtrasse Meiswinkel sowie gegen die Umspannanlage Junkernhees und für die Ertüchtigung der Umspannanlage Altenkleusheim auszuschöpfen“. Konkret bedeute dies, dass die Stadt „je nach fachlichem und /oder strategischem Erfordernis“ selbst klagt oder sich an den Klagen anderer Betroffener, zum Beispiel der Bürgerinitiative Junkernhees, beteiligt. Bei Bedarf will die Verwaltung zusätzlich auch ein Eilverfahren beantragen, um einen Baustopp durchzusetzen.
Das ist zuletzt passiert
Erst im Frühjahr hatten sich Stadt und Bürgerinitiative mit vertiefenden Untersuchungen auseinandergesetzt, die Amprion nach dem mehrtägigen Erörterungstermin veranlassen musste, der im November 2018 in Attendorn stattfand. Dort ging es zum einen um die Meiswinkel-Variante bei der Trassenführung, zum anderen um die Kulturlandschaft und die Baudenkmäler. Schon damals hatten die Kreuztaler mit Misstrauen festgestellt, dass in der Denkmal-Begutachtung die Meiswinkel-Variante keine Rille spielte.
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Im Sommer kam dann eine weitere „vertiefende Betrachtung“ im Kreuztaler Rathaus an, die erneut die „Kultur- und Sachgüter“ zum Thema hat. Die Stadt Kreuztal kommt in ihrer Stellungnahme an die Bezirksregierung zu diesem Schluss: Die Untersuchung sei ein „Versuch, das Unbegründbare zu begründen beziehungsweise etwas als harmlos und gut machbar anzupreisen, was bei objektiver Betrachtung (...) als zerstörerisch für verschiedene Schutzgüter anzusehen ist“. Erneut bezeichnet die Stadt die Arbeit des Gutachterbüros als „willkürlich und fehleranfällig“. Es stelle sich „zwangsläufig die Frage, ob und inwieweit eine objektive Ermittlung (...) gewollt ist“.
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Der Gutachter bringe nicht wissenschaftliche Nachweise, sondern „bestenfalls den vagen Versuch einer objektiven Einschätzung“. Bei der Beurteilung der Folgen für Baudenkmale greife die Untersuchung nach wie vor zu kurz, argumentiert die Stadt Kreuztal: „Man kann sicherlich auch in einer durch raumgreifende Strommasten überformten Landschaft in einem Denkmal wohnen, sofern ein Bett, eine Küche und ein Bad vorhanden sind.“ Ob das aber gesund und nachgefragt sei, werde nicht untersucht. „Und ob ein Denkmal in solcher Lage sich wird erhalten lassen, bleibt offen.“
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