Hilchenbach. Oben Sektkorken, unten Tierknochen: Archäologen erkunden Schicht für Schicht, wie die Ginsburg für neuzeitliche Krieger aufgerüstet wurde.
Sie sind wieder da. Im Juni haben sie mit Messgeräten den Boden unter der Ginsburg mit den Mitteln von Geomagnetik und Georadar erkundet. Jetzt, seit fast drei Wochen, graben die Archäologen richtig und legen Schnitte durch den Graben rund um den Bergfried.
Für die 15 Studierenden von Prof. Dr. Felix Teichner am vorgeschichtlichen Seminar der Uni Marburg ist das ein „Feldpraktikum“. Für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe und seine Archäologen in Olpe ist das, was da zutage kommt, so spannend, dass Prof. Dr. Michael Baales und Dr. Manuel Zeiler gleich mehrfach nach Hilchenbach gekommen.
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Einmal um die Burg
Einmal rund um den Turm. In dem Graben, der zwischen dem in den 1960er Jahren wieder aufgebauten Bauwerk und dem Wall liegt, auf dem später einmal ein Rundweg mit Info-Tafeln verlaufen wird. Ein Wall. Und keine Mauer. Felix Teichner zeigt auf die Schichten: „Bis hierhin sind das Bierflaschen der 1960er Jahre.“ Dann erst kommen Wurzeln und die ursprünglichen Anschüttungen.
Entdeckung auf der Ginsberger Heide
Auch in der Nachbarschaft sind die Archäologen fündig geworden: Drei Steinkeller haben sie rund um den Standort der Antoniuskapelle ausgegraben, außerdem den Boden einer Werkstatt. Ob das die Siedlung Wehbach war, die auf Plänen immer bei Forsthaus und Backes eingezeichnet ist? Oder ein anderer Weiler, von dem niemand mehr weiß?
Viele Fragen sind offen: Gehörte die Kapelle zur landesherrlichen Burg? Oder zu Keppel, den Bischöfen in Trier oder Köln? Über Wehbach gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen, weiß Felix Teichner: „Viele verschiedene Realitäten, die es gilt zusammenzubringen.“
Die Archäologen leisten Detektivarbeit: Mit Salzsäure machen sie den Kalkmörtel sichtbar, der neuere und ältere Schichten voneinander unterscheidet. An der Spitze, die zum Tal nach Hilchenbach hin gerichtet ist, soll ein Torhaus gestanden haben. Aber wie kamen die Leute von dort auf den Turm? Felix Teichner vermutet eher eine Bastion, eine Geschützstellung für die neuen Distanzwaffen, den niedrigen Wall als eine Art Schützengraben. „Das würde Sinn machen“, sagt Dieter Viehöfer, Vorsitzender des Ginsburgvereins, der die Grabungen initiiert hat – bevor der Ausbau zur barrierefreien Höhenburg mit Museum beginnt: „Das war die Hauptangriffsrichtung.“
Festungsbau wurde plötzlich abgebrochen
Eine Metallspitze im Gestein. „In situ“, sagen die Archäologen zu so einem Fund. Das Teil eines Werkzeugs ist hier im 16. Jahrhundert stecken geblieben, als die mittelalterliche Burg für die Neuzeit ertüchtigt wurde, etwa um die Zeit, als Wilhelm der Schweiger 1568 von hier seinen Feldzug in die Niederlande vorbereitete. Felix Teichner legt sich auf die Bauzeit fest. „Nach 1560.“ Dazu passen die Ofenreste, die das Team auch gefunden hat. „Ein richtig systematischer Festungsbau.“ Vielleicht waren sogar Kasematten geplant. Nur: Auf einmal hört der neue Wall auf. Was passiert ist? „Das ist das Rätsel, das wir hinterlassen.“ Die Lösung lässt sich nicht im Boden ablesen. Aber wohl aus der schriftlichen Überlieferung – die Ginsburg war halt den Nassauern irgendwann nicht mehr wichtig.
Hilchenbach- Archäologen graben rund um die Ginsburg
Ziemlich weit oben: Der „Schimmelpfennig-Horizont“
Scherben von Trinkbechern, Ofenkacheln, Tierknochen. „Das geht alles erst einmal zum Restaurator“, sagt Felix Teichner. Eigentümer der Funde ist das Land. „Aber wir bekommen das als Leihgabe“, erklärt Markus Völkel, stellvertretender Vorsitzender des Verein zur Erhaltung der Ginsburg. Die Truhe mit Goldstücken liegt nicht unter der Erde. Dafür aber eine Schicht Abfall und Bauschutt aus dem 1960ern, als mit aus heutiger Sicht brachialem Baggereinsatz das Gelände für den Wiederaufbau des Bergfrieds modelliert wurde. „Schimmelpfennig-Horizont“ tauft Felix Teichner diese dicke, längst überwachsene Lage – so kommt der Hilchenbacher Bauunternehmer posthum zu wissenschaftlicher Verewigung. Ganz oben schließlich Sektkorken und Silberflitter. Seit einigen Jahren ist die Burg Dependance des Hilchenbacher Standesamts.
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Und das kommt danach
Am Samstag packen die Archäologen ein – nicht ohne vorher die Spuren ihrer Arbeit beseitigt zu haben. Im Graben und auf den Wällen und Horizonten wird wieder Gras wachsen. Bis die Nächsten graben. Die können sich dann mit womöglich wieder moderneren Methoden offen gebliebenen Fragen widmen. Auch deshalb sind die Wissenschaftler sparsam bei Eingriffen in den Boden. „Man lässt so etwas für künftige archäologische Generationen stehen“, sagt Felix Teichner. Und: „Es war uns eine Freude, hier zu arbeiten.“ Dabei ist die für die Archäologen längst nicht vorbei. Ein Grabungsbericht wird erstellt, womöglich interessiert sich eine Zeitschrift dafür, später entsteht eine wissenschaftliche Publikation. „Idealerweise ist das das Thema für eine Abschlussarbeit.“ Der Professor denkt auch schon weiter: Die Hilchenbacher Erkennisse könnten auch auf die Erforschung des ebenfalls nassauischen Schlosses in Dillenburg angewendet werden. „Dillenburg kann man nicht mehr so gut lesen wie die Ginsburg.“
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Die Goldtruhe hat Dieter Viehhöfer, ganz Sparkassendirektor im Ruhestand, längst abgeschrieben. Eine andere Idee aber nicht: Ob man den Wandel der mittelalterlichen Burg nicht für die künftigen Besucher sichtbar machen kann, in einer Simulation oder einem Modell? Gemessen am reinen Text, sagt Felix Teichner, „ist das die größere Herausforderung.“ Aber möglich sein wird auch das.
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