Netphen. Eva Vitt wird jetzt ehrenamtliche Rikscha-Pilotin. Mit „Radeln ohne Alter“ verabschiedet sich die Seniorenbeauftragte in den Ruhestand.
Der Grill ist angeworfen, die künftigen Piloten stehen Spalier, und dann rollt auch schon der Transporter von Zweirad Hees beim Haus St. Elisabeth vor. Mit einem Dreirad an Bord – bei dem da, wo sonst mit dem Lenker schon alles vorbei ist, das Vergnügen erst beginnt: Eine mit Verdeck bedeckte Sitzbank macht das E-Bike zur Fahrrad-Rikscha, die künftig von hier aus Bewohnerinnen und Bewohner der Seniorenheime St. Elisabeth und St. Anna und die Gäste der Vergissmeinnicht-Betreuungsgruppe befördert.
Eva Vitt holt erst einmal die Luftballons mit dem Logo von „Radeln ohne Alter“. Und dann sagt die Seniorenbeauftragte, was diese Rikscha bedeutet: „Wir bringen den Menschen Farbe in den Alltag.“ Und: „Die Menschen bekommen neue Kontakte.“ Und: „Wir bauen Brücken zwischen den Generationen.“ Ähnliches hat sie auch schon bei früheren Gelegenheiten gesagt – all das ist schließlich das Programm ihrer Senioren-Service-Stelle.
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An diesem Abend klingt noch ein bisschen mehr mit: Es ist ihr letzter Auftritt im Amt – nächste Woche verabschiedet Eva Vitt sich in die passive Altersteilzeit. Die Rikscha, sagt sie, sei ihr noch ein Herzensanliegen gewesen: „Gerade in dieser entbehrungsreichen Zeit ist es für die Menschen wichtig, eine Fahrt ins Grüne machen zu können.“
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Der Blick zurück
1977 hat Eva Vitt bei der Gemeinden Netphen die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten begonnen. Nach der Prüfung geht sie zum Forstamt Siegen-Nord, bleibt nach der Geburt ihres Sohns zu Hause, nimmt dann eine Teilzeitstelle als Schulsekretärin an. Sie war an der Hauptschule in Dreis-Tiefenbach und, nach einer weiten Elternzeit mit der 1989 geborenen Tochter, an der Grundschule Salchendorf und am Gymnasium Netphen.
„So konnte ich Familie und Beruf unter einen Hut bringen“, sagt sie – nicht zuletzt dank der Schulferien, in denen sie naturgemäß kein Betreuungsproblem hatte. Ja, fügt sie hinzu, sie hat sich auch durch eine Kinderfrau unterstützen lassen. „Ein Luxus – mir war es wichtig, ein berufliches Standbein zu haben und den Anschluss nicht zu verlieren.“
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Aus der Schule zurück ins Rathaus
Kein Wunder: 2005 wird Eva Vitt zur Gleichstellungsbeauftragten berufen. Und 2007 dann auch noch zur Leiterin der neu eingerichteten Senioren-Service-Stelle. Auch dieses Thema kommt zu rechten Zeit. Die Kinder ziehen aus, „das große Haus war plötzlich leer“, erzählt sie, „da macht man sich schon Gedanken übers Alter.“ Eva Vitt tut das auf ihre Weise: grundsätzlich positiv, „die Dinge anpacken, durchziehen und nicht auf morgen verschieben“. Vom ersten Tag an ist sie bei Vergissmeinnicht dabei, der Verein, der Angehörige von Menschen mit Demenz unterstützt.
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Nach und nach entstehen die Projekte, die Markenzeichen für Seniorenarbeit in Netphen werden: „Neuland“ zusammen mit dem Gymnasium, wo Schüler in die Rolle der Lehrer und Senioren in die Rolle der Schüler schlüpfen. Dann „Tanz mal wieder“ für Menschen mit und ohne Demenz. Die Theaterreihe im Apollo, das Seniorenkino in Dahlbruch, jeweils mit Fahrdienst. Die Taschengeldbörse. Das „Kochen und Backen mit coolen Kids.“ Die Fahrsicherheitstrainings, mit dem Auto und mit dem E-Bild. Samt Theorie: Wie geht das eigentlich mit dem Kreisverkehr? Der gemeinsame Nenner: Die Menschen sollen mobil bleiben. Und im Dialog mit der jungen Generation.
Thema für die Zukunft: Einsamkeit
Der Abschied kommt abrupt. Alle Kurse wurden abgebrochen, alle Veranstaltungen abgesagt. In dieser Woche ging es immerhin mit einem gut besuchten Seniorenkino weiter. „Es bedrückt mich, dass meine Nachfolge nicht geregelt ist“, sagt Eva Vitt, „ich hätte mein Wissen und meine Kontakte gern weitergegeben.“ Und wohl auch ein paar Worte zu dem Thema gesagt, das so richt erst noch kommt: „Die zunehmende Einsamkeit im Alter.“ Weil Partner, Partnerin und Freunde sterben, das Haus leer ist, weil man nicht rauskommt und sich nicht mehr gebraucht fühlt. „Abgehängt.“
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Ein Blick nach vorn
Auch Eva Vitt wird dagegen anradeln, dass alte Menschen einsam werden – als eine der ehrenamtlichen Rikscha-Pilotinnen. Und damit auch die Stadt weiter antreiben. „Das wird ein weiterer Impuls für uns sein, die Radwege als Verkehrsadern auszubauen“, verspricht Bürgermeister Paul Wagener, der die 11.000 Euro bei der Sparkasse locker gemacht hat. „Die Rikscha verbindet Menschen. Toll, dass das geklappt hat.“ Und dann radelt er los – nur zur Probe: Denn in die Liste der Rikscha-Piloten trägt sich der ehrenamtliche Bürgerbus-Lenker nicht auch noch ein.
Eva Vitt ist gerade anderweitig gefragt – Peter Latsch, einst Grünen-Fraktionschef und jetzt angehender Rikscha-Pilot, braucht ein Handyfoto für seine Tochter „Das glaubt mir sonst kein Mensch.“
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