Siegen. In Siegen setzt Dr. Ahmed Koshty erstmals eine neuartige Spezialprothese ein. Die „E-nside“ wird weltweit viele Leben retten, glaubt der Chefarzt
Weltpremiere am Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen: Gefäßchirurg Dr. Ahmed Koshty hat erstmals einem Patienten mit einem Aorten-Aneurysma zwischen Brustkorb und Bauchraum eine neuartige Spezialprothese implantiert. Das Besondere an der Prothese, an deren Entwicklung der Siegener Chirurg selbst maßgeblich beteiligt war: Sie passt bei fast allen Patienten.
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Siegener Arzt entwickelt neue Prothese
Über vier Seitenarme versorgt die Hauptschlagader zwischen Brust- und Bauchraum die Organe Leber, Milz, Darm und beide Nieren. Weist die größte Arterie des Menschen dort ein Aneurysma auf, droht sie zu reißen – und der Mensch innerlich zu verbluten. Da sich die Seitenarme bei jedem Menschen unterscheiden, mussten bisher nach aufwendigen Messungen individuelle Prothesen angefertigt werden. Das dauerte oft mehrere Wochen, nicht selten verstarben Patienten in dieser Zeit. In Notfallsituationen muss die Operation sofort durchgeführt werden.
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Das brachte Dr. Ahmed Koshty 2014 auf die Idee einer „Prothese von der Stange“. Er brachte seine Vorstellungen auf Papier, fertigte mit der Firma Jotec aus Baden-Württemberg Entwürfe an, sprach mit der Industrie und animierte die Implantation an Silikonmodellen. Das Ergebnis nach sechsjähriger Entwicklungszeit: die „E-nside“ – eine Prothese mit vier innenliegenden Seitenarmen. Bisher waren diese sogenannten Branches für jeden Patienten passgenau außen angebracht. „Diese Prothese, die in einer Klinik vorgehalten und im Ernstfall sofort eingesetzt werden kann, wird weltweit vielen Menschen das Leben retten“, sagt Koshty.
Koryphäe der Aortenchirurgie in Siegen
Die durchschnittliche OP-Dauer betrug rund acht Stunden – mit der neuen Methode wird sie um 75 Prozent auf etwa zwei Stunden verringert. Somit reduziert sich auch die Menge an Bestrahlung und Kontrastmittel, was wiederum zu weniger Komplikationen führt. Befestigt und zusammengefaltet auf einem langen, dünnen Katheter, wird die Prothese durch die Leiste punktiert, an die richtige Stelle geschoben und per Knopfdruck gelöst.
Sie besteht aus Polyester und dem Metall Nitronol, das sich bei Körpertemperatur entfaltet. Der Chirurg setzt mehrere Stents (Gefäßstützen) und Bridges (Brücken) auf die Gefäße und schiebt die Brücken millimetergenau in die vorgesehenen Branches der Hauptprothese.
Die neue Prothese
Die „E-nside“ wird per Hand unter dem Mikroskop genäht und kostet je Stück rund 25.000 Euro.
Im Mai erhielt die neue Prothese die europäische CE-Zertifizierung. Nun steht sie für einige Kliniken als „Limited Market Release“ (begrenzte Marktfreigabe) zur Verfügung.
Neben der Technik im Hybrid-OP des Jung-Stilling, ist Koshtys Expertise der Grund dafür, dass die Weltpremiere nun in Siegen stattfand. Er entwickelte nicht nur die neue Prothese mit, er gilt in der Aortenchirurgie auch als einer der besten. 2015 war Koshty europaweit der erste und weltweit der zweite Chirurg, der die hochkomplexe „Totale Endovaskuläre Aortenbogenreparatur“ (EVAR) erfolgreich vornahm.
Doppelte Premiere in Siegen
Zur Weltpremiere am Jung-Stilling in Siegen reiste auch ein vierköpfiges Projektteam der Herstellerfirma an. Am Vortag ging Koshty mit diesem die Operation an einem Glasmodell mit der exakten Anatomie des Patienten durch. Der 61-Jährige aus dem Westerwald, trug ein Aorten-Aneurysma mit einem Durchmesser von 7,7 Zentimetern in sich, normal sind an dieser Stelle etwa 1,5 Zentimeter.
Morgens darauf ging Koshty mit seinem Team ans Werk. Nach anderthalb Stunden war die 27 Zentimeter lange Prothese hundertprozentig korrekt platziert. Danach wurden nach und nach die vier zuvor mit Stents versehenen Gefäßübergänge aufgespürt und mit den jeweiligen Seitenarmen im Inneren der Prothese verbunden und fixiert. Zur Orientierung dienten Monitore mit zweidimensionalen Live-Bildern. Zusätzlich wurden auch dreidimensionale Aufnahmen gezeigt. Bereits 16 Stunden nach dem Eingriff konnte der Patient von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt werden und „in sechs Tagen wird er nach Hause gehen“, so Koshty.
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Der gleiche Eingriff erfolgte am selben Tag noch ein zweites Mal, diesmal bei einem 79-Jährigen aus Siegen. Diese OP dauerte rund zwei Stunden und verlief ebenfalls reibungslos. „In der Aortenchirurgie geht es oft um Leben und Tod, Eingriffe sind immer mit einem Risiko behaftet. Doch das ist für viele Patienten nun deutlich geringer – und ihnen kann jetzt dank der neuen Prothese auf der ganzen Welt in mehr als 90 Prozent aller Fälle ohne Wartezeit direkt geholfen werden,“ sagt Ahmed Koshty, „und die ersten, die das gemacht haben, waren wir.“
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