Neunkirchen/Siegerland. Dr. Frank Lohmar und seine Kollegen in Neunkirchen können Job und Freizeit gut organisieren: Die Arbeit als Landarzt sei viel besser als ihr Ruf.

Die medizinische Versorgung im Siegerland bewerten die Teilnehmer des Heimat-Checks insgesamt mit „gut“ – 2,44 ist die Durchschnittsnote für die Region. Auch in diesem Bereich profitiert das Siegerland von der Großstadt Siegen, in der es vier teils hoch spezialisierte Krankenhäuser und viele niedergelassene Hausärzte und Fachmediziner gibt. Gleichzeitig gibt es auch im hiesigen ländlichen Raum die Probleme, die es überall im ländlichen Raum gibt: Medizinermangel, Nachwuchsprobleme bei den Hausärzten.

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Die Tätigkeit als Landarzt bietet viele Vorteile gegenüber der Arbeit in einer Klinik, findet Dr. Frank Lohmar, niedergelassener Hausarzt in Neunkirchen. Und vor allem ist sie viel besser als ihr Ruf. Klar, es gibt das Thema Überalterung der Ärzteschaft, sagt der 59-jährige Facharzt für Innere Medizin, Notfallmedizin, Diabetologie und Hausärztliche Geriatrie. „Das wird sich bemerkbar machen.“ Für viele Hausärzte sei es mindestens fraglich, ob sie ihre Praxis an einen Nachfolger übergeben können. „Vor 20 Jahren gab es in Burbach doppelt so viele Hausärzte wie heute“, sagt Lohmar – die Arbeit verteilt sich nun auf weniger Schultern.

In der Gemeinschaftspraxis in Neunkirchen familienfreundlich organisieren

Genug zu tun haben er und seine Kollegen – Lohmar leitet die Praxis zusammen mit Dr. Dirk Ritter, noch recht neu im Team ist die Ärztin Ileana Simache. Aber der entscheidende Vorteil sei, dass man sich besser organisieren könne. „Wir sprechen uns untereinander ab, auch mit der Gemeinschaftspraxis nebenan“, erzählt Lohmar. Corona habe noch forciert, was sich ohnehin abgezeichnet habe: Terminsprechstunden unter Einbeziehung der elektronischen Medien etwa habe die Abläufe in der Praxis gestrafft, im Team seien die Arbeitszeiten für alle entspannter und bedarfsgerechter organisiert als in einem Krankenhaus. Wenn jemand kleine Kinder hat, wird das im Dienstplan eben berücksichtigt, entsprechend der Lebensplanung. Die Notdienste sind in der Ärzteschaft organisiert, mal arbeitet man länger, hat dafür aber auch mal einen zusätzlichen Tag frei, wenn das intern organisiert wird. Sechs Tage die Woche Nachtschicht, wie früher in der Klinik? Fehlanzeige.

Überhaupt: „Das medizinische Spektrum ist auf dem Land sehr groß“, sagt Frank Lohmar, „wir sehen alles und haben einen engen Bezug zu unseren Patienten.“ Seit 23 Jahren praktiziert er in Neunkirchen, einige Patienten betreut er, seit sie Kinder waren – „das ist schon etwas Besonderes“, findet der Landarzt.

Medizinisches Spektrum groß, Konzentrieren auf Medizin gut möglich

Das größte „Problem“ der Landärzte sei das Image. Viele Nachwuchsmediziner scheuen die Selbstständigkeit und die damit verbundenen Organisationstätigkeiten, ziehen die Angestelltentätigkeit in einer Klinik vor. „Eine Praxis neu gründen würde ich vielleicht nicht“, sagt Frank Lohmar – aber das muss auch niemand. Unzählige Landärzte suchen dringend Nachfolger. „Wenn man in eine bestehende Praxis einsteigt, wissen sie dort, was sie tun“, sagt der Mediziner. Es gibt einen geordneten Übergang, in dem die neuen Ärzte eingearbeitet werden. Niemand wird ins kalte Wasser geschmissen.

Und auch in Arztpraxen schreitet die medizinische Spezialisierung voran. Dr. Lohmar und seine Kollegen können sich auf das konzentrieren, wofür sie ausgebildet wurden: Patienten zu behandeln. Die „Sprechstundenhilfe“ von früher gibt es nicht nur dem Namen nach nicht mehr. Die medizinischen Fachangestellten sind zum Großteil hochspezialisiert weitergebildet, die „Mini-Klinik“ Ritter/Lohmar hat beispielsweise eine Praxismanagerin, eine Hygienebeauftragte, eine Organisatorin Arbeitsmedizin oder eine nichtärztliche Praxisassistentin, die etwa die Wundversorgung übernehmen kann – und das auch darf. „Man kann delegieren“, sagt Dr. Lohmar. Gegen solche neuen medizinischen Berufe gab es zwar durchaus Widerstand von verschiedenen Ärzte-Lobbygruppen – „aber die können das“, sagt der erfahrene Hausarzt über seine Beschäftigten.

Uni Siegen will mit „Medizin neu denken“ gegen Ärztemangel angehen

Neben anderen Vorhaben zielt das Projekt „Medizin neu denken“, für das die Universität Siegen neben der Uni-Klinik Bonn mit den Siegener Krankenhäusern und vielen Medizinern in der Region zusammenarbeitet, genau darauf ab: Nachwuchsmedizinern die Tätigkeit als Landarzt schmackhaft machen. Teile ihrer Ausbildung sollen die angehenden Ärzte im Siegerland machen, in Krankenhäusern und Praxen.

Wer sich verpflichtet, einige Zeit auf dem Land zu praktizieren, für den werden die Studienzugangsbedingungen erleichtert, ist die Idee. Und natürlich hoffen die Beteiligten auf „Klebeeffekte“: Dass die Studierenden merken, wie schön es in der Region ist und wie gut man auch auf dem Land als Mediziner arbeiten kann – und dann von sich aus im Siegerland bleiben.

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